Mittwoch, 6. April 2005

Elf Jahre Cannabis-Urteil und immer noch ist alles beim alten

In der Bundesrepublik wurden 2003 laut Polizeistatistik 148.973, 2004 ebenfalls knapp 150.000 Menschen im Zusammenhang mit Cannabis erfasst.

 „Dass sind“, so Rolf Ebbinghaus vom Berliner Hanfmuseum, „alle drei bis
vier Minuten einer.“ 1.800 dieser Fälle wurden in der Studie
„Drogenkonsum und Strafverfolgungspraxis“ ausgewertet, dessen Ergebnis
in den nächsten Monaten veröffentlicht wird. Noch liegt sie beim
Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung, dem
Auftraggeber der Studie, die von der Sozialwissenschaftlerin Letizia
Paoli und dem Juristen Carsten Schäfer vom Max-Planck-Institut für
ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg erstellt
wurde. Ziel ihres Forschungsprojekts war eine „empirische Untersuchung
der repressiven Behandlung konsumbezogener Drogendelikte durch die
Strafverfolgungsbehörden und der sich daran anschließenden präventiven
Maßnahmen durch die Ordnungsbehörden“. Dafür wurden
Landesgerichtsbezirke in den Bundesländern Bayern, Berlin, Hessen,
Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Schleswig-Holstein ausgesucht. Die
Wissenschaftler sollten ermitteln, wann und bei welchen Mengen
Strafverfahren gegen Cannabis-Konsumenten eingestellt werden und welche
Konsequenzen die Rechtsnews Elf Jahre Cannabis-Urteil und immer noch
ist alles beim alten sprechung auf den Cannabis- Konsum haben kann. Und
vor allem ging es auch um die Unterschiede in den einzelnen Ländern bei
der Umsetzung der Bundesverfassungsgerichtsentscheidung
vom 9. März 1994. Damals entschieden die obersten Richter, dass
Cannabis-Delikte verfassungsrechtlich zwar strafbar sind, unter
Umständen jedoch von einer Verfolgung abgesehen werden muss, was der
Gesetzgeber im Betäubungsmittelgesetz schon 1992 eingeräumt hatte. Zum
einen sollten
so die Strafverfolgungsorgane entlastet, zum anderen der Grundsatz
„Hilfe statt Strafe“ in die Tat umgesetzt werden. Therapie statt Knast
oder so. Angemahnt wurde 1994 im Hinblick auf den
„verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz“ und dem Verfassungsgebot der
„Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse“ außerdem eine bundesweit
übereinstimmende Einstellungspraxis der Staatsanwaltschaften. Und bei
der Anmahnung blieb es bis heute. Noch immer haben die Bundesländer
eigene Richtlinien, und verschiedene Auffassungen darüber was „geringe
Mengen“ sind und was das „öffentliche Interesse“ ist, auch wenn
manchmal die offizielle Seite behauptet, zehn Gramm würden in der
gesamten BRD als geringfügige Menge angesehen werden. Immer wieder
wiesen Studien auf die unterschiedliche Handhabung hin und da nichts
passiert ist, drängt sich der Verdacht auf, dass die einzelnen Länder
sich gar nicht einigen wollen. Deshalb dürfen wir gespannt sein, ob
sich durch die Max-Planck-Studie etwas ändert. Immerhinbeschloss die
Justizministerkonferenz der Bundesländer 2002 im Anschluss an die
Studie die „Regelungen zur straffreien Verfahrenseinstellung bei
geringen Mengen von Cannabis“ anzugleichen. Für Ebbinghaus ist der
Süden die „treibende Kraft“, die eine Regelung verzögert. Und
stattdessen weiterrepressiv gegen Cannabis-Konsumenten vorgeht. Die
MacherInnen vom Hanf Museum in Berlin planen für diesen Sommer eine Ausstellung zu elf Jahren Cannabis-Entscheidung. Sie
wollen die „Trägheit und den Widerstand der politischen Vertreter“
aufzeigen. Jüngstes Beispiel dafür: Berlin. 15 bis 30 Gramm sollten zur
Mindestmenge erklärt werden. Derzeit sieht es so aus, dass auch in
Berlin nicht mehr als 15 Gramm als geringfügige Menge anerkannt werden.
Ein Schritt vor zwei zurück. Auf Schautafeln soll der bundesdeutsche
Umgang mit Cannabis dargestellt werden und zwar auf vier Ebenen:
Judikative, Exekutive, Legislative und Öffentlichkeit. Um die
Ausstellung abzurunden, läuft eine Online-Umfrage, in der es um die Vorgehensweise der Behörden nach
Verhaftungen bzw. Personenerfassungen im Zusammenhang mit Cannabis geht.
Was bewirkt ein Verbot eigentlich? In erster Linie, dass Konsumenten
ein juristisches und selten ein psychisches Problem bekommen. Oder
fehlenden Jugendschutz und schlechte Qualitätskontrolle, da Cannabis
auf dem Schwarzmarkt besorgt werden muss. Und Konsumenten riskieren
durch die Strafverfolgung ihren Arbeitsplatz oder den Führerschein,
selbst wenn sie nicht bekifft sind. Dabei helfen Verbote doch sowieso
nicht weiter. Schon die Alkohol-Prohibition in Amerika ist gescheitert.
Und ist es nicht an der Zeit, dass auch der letzte konservative
Politiker oder Staatsanwalt Ärzten und Richtern Glauben schenkt, dass
Cannabis keine Einstiegsdroge und Alkohol die wesentlich gefährlichere
und gesundheitsschädlichere Droge ist?
Stattdessen sollten die Damen und Herren sich endlich einigen und sich
vor allem auch für die Forschung im Bereich Cannabis als Medizin stark
machen.

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