Donnerstag, 19. Januar 2006

WIE PFLANZEN DIE WELT UM SICH HERUM WAHRNEHMEN UND MITEINANDER KOMMUNIZIEREN

Teil 2

Gerüche
Nach der Lektüre des ersten Teils könnte man den Eindruck erhalten, dass Pflanzen in Feindschaft miteinander leben und einander nur deshalb wahrnehmen, weil sie um Licht und Nährstoffe konkurrieren. Dies ist jedoch nur zum Teil wahr. Pflanzen warnen einander auch vor drohenden Gefahren, wie fressgierigen Tieren und Insekten. Wird eine Pflanze angefressen, scheidet sie Stoffe aus, die sie weniger appetitlich machen. Daneben setzt sie auch andere Stoffe frei, um Pflanzen in ihrer näheren Umgebung vor dem drohenden Unheil zu warnen. Bei diesen Stoffen, die sowohl über- als unterirdisch ausgeschieden werden können, handelt es sich für gewöhnlich um Geruchsstoffe. Dies ist zum Beispiel bei einem Befall mit Spinnmilben der Fall. Die gewarnten Nachbarpflanzen bilden daraufhin selbst auch Geruchsstoffe, wodurch sie einerseits wiederum andere Pflanzen warnen und sie andererseits nicht mehr so anziehend auf Spinnmilben wirken. Diese Strategie stößt beim Indoor-Anbau jedoch an ihre Grenzen. Spinnmilben haben in einem Wachstumsraum verständlicherweise weniger Auswahl und sind daher gezwungen, mit einer weniger schmackhaften Mahlzeit vorlieb zu nehmen.

Aber glaubt nun ja nicht, dass Pflanzen jedes Mal, wenn ein Blatt einreißt, in Panik ausbrechen und einander Warnungen „zurufen“. Pflanzen wissen genau, wann sie von Schädlingen angefressen werden, da sie deren Speichel erkennen. Sie wissen sogar haargenau, um welche Schädlinge es sich handelt und geben diese Information weiter. Übrigens sind nicht nur Pflanzen in der Lage, diese Signalstoffe wahrzunehmen. Raubmilben und andere natürlichen Feinde der Schädlinge werden von diesen Signalstoffen ebenfalls angelockt. Die Evolution hat dafür gesorgt, dass sie wissen, dass dort, wo der Geruch am stärksten ist, eine köstliche Mahlzeit auf sie wartet.

Unterirdisch kommunizieren Pflanzen auch mit anderen Organismen. So werden bei einem Mangel an Nährstoffen beispielsweise bestimmte Schimmelpilze und Bakterien zu Hilfe gerufen. Dazu scheiden die Pflanzen winzige Mengen bestimmter Stoffe aus. Im Gegenzug dafür, dass die Mikroorganismen Nährstoffe für die Pflanzen erschließen, stellen ihnen die Pflanzen energiereiche Stoffe (Zucker) zur Verfügung. Nebenbei tragen die Mikroorganismen auch dazu bei, den Widerstand der Pflanze gegen Bodenkrankheiten sowie deren Trockenresistenz zu erhöhen.

Mit den Händen sprechen?
Es ist allerorts bekannt, dass immer wieder behauptet wird, dass Pflanzen besser gedeihen, wenn man mit ihnen spricht. Obwohl sich Wissenschaftler seit langem mit der Frage beschäftigen, ob Pflanzen positiv auf Sprache reagieren, wurde bis heute noch kein überzeugender Beweis dafür erbracht. Es gibt jedoch Menschen, die den positiven Einfluss von Sprache auf Pflanzen selbst bezeugen können. Dies lässt sich möglicherweise dadurch erklären, dass sie nicht nur mit den Pflanzen reden, sondern sie dabei auch berühren. Pflanzen verfügen nämlich auch über einen Tastsinn. Dies haben Wissenschafter bei einem Test mit Pflanzenhormonen herausgefunden. Dabei stellte sich heraus, dass nicht nur Pflanzen, denen das Hormon, sondern auch Pflanzen, denen ein wirkungsloser Stoff verabreicht wurde, kleiner blieben. Die Ursache für den kleineren Wuchs lag in der Berührung der Pflanzen während der Verabreichung des Hormons. Pflanzen bleiben demnach kleiner, wenn man sie berührt.

Wie lässt sich damit der positive Einfluss von Berührungen auf Pflanzen erklären? Pflanzen bleiben nicht nur kleiner, sie blühen auch länger. Bei den Erzählungen handelt es sich auch meistens um blütentragende Pflanzen wie z. B. Rosen. Neben einer verzögerten Blüte und einem kleinen Wuchs haben Pflanzen, die häufig berührt werden, auch kleinere Blätter, eine verminderte Photosynthese und sie altern schneller. Woran es liegt, dass die Entwicklung und das Wachstum von Pflanzen durch Berührungen beeinflusst werden, kann zur Zeit nicht genau erklärt werden; Sicher ist jedoch, dass häufige Berührungen zu geringeren Ernteerträgen führen.

Hören
Obwohl man bei Pflanzen noch keine spezifischen Organe gefunden hat, mit denen sie Laute wahrnehmen können, reagieren sie auf Musik und können diese von „normalen“ Lauten unterscheiden. Die Erforschung des Einflusses von Tönen und Musik auf das Wachstum und die Entwicklung von Pflanzen ist noch ein relativ neues Wissenschaftsgebiet. Mehr zu diesem Thema ist in den Artikeln über den Einfluss von Musik auf Cannabis nachzulesen (HaJo 10,11/05).

Und was gibt es sonst noch zu sagen?
Ist es möglich, dass Pflanzen noch mehr Sinnesorgane haben, von denen wir bis jetzt nur noch keine Ahnung haben? Wenn man dem Buch „Das geheime Leben von Pflanzen” (englischer Titel: „The Secret Life of Plants”) glauben darf, schon! Obwohl das Buch ein Bestseller war, kamen viele Wissenschaftler seinerzeit – trotz der hohen durch das Buch geweckten Erwartungen – zu dem Schluss, dass es für die Wissenschaft mehr als unbrauchbar war. Allerdings erweisen sich jetzt, 35 Jahre nach dem Erscheinen dieses Buches, manche Behauptungen als doch nicht so bizzar. So hat sich inzwischen gezeigt, dass Pflanzen sehr wohl miteinander kommunizieren und auf Musik reagieren; allerdings auf ganz andere Weise, als in dem Buch geschildert wurde.

Pflanzen verfügen genauso wie andere Lebewesen über Sinnesorgane. Pflanzen riechen, schmecken, sehen, hören und fühlen, nur auf eine andere Art und Weise wie wir. Und sie wissen genau, wo oben und unten ist. Pflanzen können sich ein gutes Bild von ihrer Umgebung machen und diese scheinbar wohl überlegt beeinflussen. Sollten Pflanzen tatsächlich über weitere Sinnesorgane verfügen, werden Wissenschaftler diese mit Sicherheit eines Tages entdecken – ganz gleich, ob inspiriert durch phantastische oder esoterische Mythen oder nicht.

Abonnieren
Benachrichtige mich bei

Schnelles Login:

0 Kommentare
Inline Feedbacks
Alle Kommentare zeigen