Dienstag, 5. September 2006

Lisi: Eine wie keine (four music)

>> HipHop

In einer von Machos geprägten Kultur muss man als weiblicher MC technisch und musikalisch nicht nur genauso gut sein, sondern um Längen besser als die männlichen Mitstreiter und dazu über jeden Vorwurf erhaben. Einer, der ihr Talent früh erkannte, war Afrob. Aus gegenseitiger Wertschätzung ließ sie der Stuttgarter MC letztes Jahr auf seinem Album „Hammer“ gleich bei zwei Stücken mitwirken und griff nun sogar für drei ihrer Tracks zum Mic. Lisi aka Purple Haze wurde vor 23 Jahren als Kind eines Nigerianers und einer Deutschen in Berlin geboren. Und da Berlin als ideale Inspirationsquelle dient, ist es auch kein Wunder, dass sie für ihre Heimatstadt einen Song schrieb. Wenn man den straighten, pumpenden Beat und ihre Delivery auf „Berlin“ hört, bekommt man einen guten Eindruck, wie impulsiv diese Stadt ist. Auf dem Song „Das Problem“ finden Lisi & Afrob ein konkretes Bild für die Entfremdung der von der Gesellschaft hochgehaltenen Werte. Mit ihrem Homegirl She-Raw gibt’s in der ersten Single „Interessiert mich nicht“ Berliner Schnauze mit orientalischen Unterton über treibende Beats, für die sich der Berliner Beatmaker Bazee (Max Herre) verantwortlich zeigt, der dem Album mit fünf Tracks musikalisch den roten Faden liefert. „Juicy“ ist in jeder Hinsicht strictly oldschool und fasziniert mit diesen einzigartigen Vibes, während DJ Rocky mit der Ballade „Ich sterb für dich“ für das Herzstück sorgt. Der von Pop aus New York produzierte Track „L.I.S.I.“ bietet die adäquate Fläche für den verbalen Austausch von Lisi und Afrob, während supergeniale Tracks wie „Bleib cool“ und „Payback“ (feat. Bintia) an alle respektlose Mädels geht, die aus reiner Missgunst ständig zicken. Schließlich werden noch explizite Kampfansagen an Blender und Heuchler gemacht, und die nachdenklichen Lyrics auf dem smoothen „It’s over, girl“ sind ein gelungenes Outro. Lisi’s Liebe zu Melodien und der Einfluss ihrer Teenagerhelden, Junior Mafia (Biggie, Lil Kim) und DeathRow (Tupac, Doggpound) machen ihre Hooks zu ganz besonderen Zuckerstücken. Ihre Raps sind direkt und metaphorisch zugleich, ohne dabei lyrisch übertrieben zu wirken. Diese Tatsache unterstreicht das an die Blaxplotation Movies der späten 60er-Jahre angelehntes Artwork, und welchen Status sexy, ehrgeizige und zielstrebige Frauen zu dieser Zeiten innehatten. Sie waren die süße Provokation, die man(n) nicht gern sah, der sich aber keiner entziehen konnte. Mit Four Music als Label und Afrob als Executive Producer, ihrem Ausnahmetalent und unverdorbenem Sexappeal könnte Lisi „Eine wie keine“ zu ihrem Sprungbrett machen. Zusammen mit Afrob entstand auch das gesellschaftskritische „Müde“, in dem die beiden über Leid und Krieg in der Dritten Welt sprechen. So wurde der Track neben Stücken von Curse, den Fantastischen Vier, Samy Deluxe und Gentleman für den Sampler „Voices Against Poverty – The German Contribution“ ausgewählt, der auf die Kampagne der Vereinten Nationen zur Reduzierung der Armut aufmerksam macht. Mehr von diesem Engagement, und Lisi könnte locker das Image der pöbelnden „Vicky-Vo“-Rapperin ablegen. Denn das hat sie überhaupt nicht nötig!

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