Donnerstag, 2. November 2006

Dendemann: Die Pfütze des Eisbergs (yo mama)

>> HipHop

Deutschland, Land der Dichter und Denker. Lang, lang schien es her zu sein seit den goldenen Zeiten. Dann kam einer, der auch Goethe und Schiller noch etwas in Sachen Wortgewandtheit beibringen könnte. Einer, der das Potenzial der deutschen Sprache voll ausschöpfte und seinem Publikum mit Wortspielereien die Freudentränen in die Augen trieb. Sein Markenzeichen ist seine kratzige Stimme und was alles in Rap steckt, haben durch ihn selbst mit „Gefährlichem Halbwissen“ gesegnete Sechsfarbenkugelschreiber kapiert. Das Schweigen-Dilemma hat ein Ende, und ich bin verdammt froh, nun endlich „Die Pfütze des Eisbergs“ im Tageslicht zu sehen. Mal gespannt, wie die Jugend darauf klar kommt, wenn der Hörspielonkel Daniel Larusso mit „Volker Racho“ auf dem Schoß und natürlich dem Schalk im Nacken im großen Lederohrensessel sitzt und mal so ganz „sensationell“ im Reimbuch eine Seite weiterblättert. „Check mal die Rhetorik ab“! Und mit „Das Erste Mal“ liefert Dende auch inhaltlich ein philosophisches Feuerwerk ab, das mal gehörig den Lebenssinn hinterfragt und dabei sicherlich autobiografische Elemente hat. Der ganze Spieltrieb, das „Hörtnichtauf“, vorwärtsimmer, rückwärtsnimmer, und den ollen Kalenderspruch in seinem Lauf, hält weder Ochs noch Esel auf. Und es könnte „Gut und gerne“ noch wesentlich mehr von solchen Menschen geben, die unter der Dusche singen – Dendemann lässt sich zumindest eine Gesangseinlage nicht nehmen. Er spielt auch so ganz gerne den Bademeister, schaut vom Schwimmbeckenrand dem Treiben zu, denn er ist „Endlich Nichtschwimmer“, also schmeiß an den Song. Schön, so fast zehn Jahre später auch die Sportsetzung von „Ich so, er so“ zu hören. War Dendemann damals noch als Kunde beim Pizzaservice unterwegs, ist er bei „ErsoIchso“ jetzt zum Mitarbeiter des Monats gereift und zeigt, dass Storytelling immer noch seine Paradedisziplin ist. „Sachmagehtsnoch“ – ordentliches Bounce-Fallera, was die Mainzer Karnevalisten da hingezimmert haben. Höchste Zeit, mal für mindestens „3 1/2 Minuten“ die Uhr anzuhalten und einem wunderschön soultriefenden Lovesong zu lauschen. „Kommt Zeit dreht Rad“, und das muss dazu nicht jeden Tag neu erfunden werden. „Das Lied mit dem …“ läuft doch jeden Tag im Radio, und Pferdelungen-Teststrecken wie „Inhalation“ sind für mich das Highlight, denn die Beats sind bassboxenludertauglich und diese Line steht sinnbildlich für das ganze Album und für Dendemann, der Rap nicht als Geschäft, sondern immer noch als Competition bzw. Entertainment sieht. „LaLaLabernich“, ganz schön funkverliebt, und gemeinsam mit Cora E. verliere ich die „Volle Kontrolle“. Einen guten Abschluss bildet mit „Sensationell“ die Lobeshymne auf die HipHop-Kultur und mit „Dende 74 mit Gwen McCrae“ ein schwer autobiografischer Abriss über die letzten 30 Jahre. Dabei vermittelt Dendemann über einen Championlover Groove eindrucksvoll geballtes Allgemeinwissen, das nicht nur mit HipHop zu tun hat. Ichsachma, alle Vorschusslorbeeren waren absolut gerechtfertigt! Dendemänner braucht das Land. Danke, gut.

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