Mittwoch, 24. Januar 2007

Verbotene Spielchen

Kriegt die Hanfpflanze bald Gesellschaft?

Nein, nicht nur Counter Strike, Half Life oder irgendein anderer Ego Shooter sondern die zahllosen Schützenvereine in den ländlichen Gegenden unserer Republik sind schuld, wenn mal wieder ein junger Mensch seine Lehrer und Mitschüler niederschießt. Also sollten sie verboten werden. Hier erst lernt der potenzielle jugendliche Amokläufer, wie Papas Waffenschrank so funktioniert und wie sich eine echte Wumme anfühlt, siehe Weimar. Der Schützenverein als Einstiegsdroge in eine Karriere als Waffennarr.
So wird dann ganz bestimmt der nächste Amoklauf verhindert. Verbieten bringt’s und ist in. Hanf ist verboten keiner kifft mehr. CD kopieren ist verboten jedermann rennt brav zu Saturn und kauft Musik. Die Kartoffelsorte Linda ist verboten kein Scherz. Je mehr Verkehrszeichen, desto weniger Unfälle und Staus; je mehr Regeln, desto sicherer ein Staat.
Genau das Gegenteil ist der Fall. Ego Shooter zu verbieten ist juristisch schwer zu begründen. Selbst wenn das gelänge, würde sich eine illegale Szene etablieren, genau wie in allen Ländern mit reglementiertem Internetzugang. Software zu verbieten ist in der Praxis unmöglich, es könnte sich also nur um ein sowieso nicht zu überwachendes Verbot handeln.
Mit einem Unterschied: Es wäre für Jugendliche noch cooler, einfach weil es verboten ist. Genau wie Kiffen oder Schnapstrinken.
Vermutlich würde die Zahl der Spieler weder steigen noch sinken, die Software würde privat kopiert werden, zum Zocken trifft sich die dann illegale Bande einfach auf irgendeinem Server außerhalb von Deutschland.
Leider funktionieren menschliche Verhaltensweisen nicht so einfach, wie diejenigen behaupten, die Probleme zuerst einmal mit Verbieten in den Griff bekommen wollen. Wäre es so einfach, könnte man einfach Kriegsspielzeug verbieten und es gäbe nie wieder Krieg. Verbote haben jedoch eine Eigendynamik: Ist ein Verbot sinnlos oder unausgewogen, wird es oft ignoriert und es entsteht ein Graubereich, der zwar verboten, jedoch gesellschaftlich nicht geächtet ist. Und ab dann ist ein Verbot schädlich und kontraproduktiv, weil es Menschen kriminalisiert, die keinerlei kriminelle Energie besitzen oder sonstwie Dritten schaden.
Selbst wenn, wie beim Cannabis, nach Jahrzehnten klar bewiesen ist, dass ein Verbot medizinischer und ökonomischer Wahnsinn ist, wird meist daran festgehalten solange es irgendwie geht, denn: was nicht sein darf kann nicht sein. Selbst wenn Millionen drunter leiden.

In einer von Pixeln beherrschten Gesellschaft ist es mittlerweile normal, dass die im Alltag angestauten Aggressionen im stillen Kämmerlein verarbeitet werden müssen. Mittlerweile haben sich ein paar Millionen Menschen dazu entschieden, das mit Computerspielen zu tun. Manche sehr blutrünstig, jedoch nicht übler oder schlimmer als ein FSK 18-Film.
Anscheinend ist alleine ein erwachsener Mensch, der mit der Maus virtuell auf andere ballert, für unsere Politiker jemand, der irgendwie spinnt. Dass sowohl Kiffen als auch Zocken heutzutage ein Teil der Jugendkultur ist, wird heruntergespielt. Beides wird noch als “Randgruppenerscheinung” betrachtet, auch wenn die Zahlen dagegen sprechen. ähnlich wie in den SiebzigerJahren das Klischee vom stinkenden, langhaarigen Hasch-Raucher, der im Keller Bomben baut, gibt es ein neues Feindbild besorgter Boulevard-Blätter und konservativer Scharfmacher:
Der CS-süchtige, gefühlskalte Einzelgänger, der nur durch ein Ego Shooter-Verbot vor seiner potenziellen Zukunft als Massenmörder bewahrt werden kann.
Was passiert dann mit jemanden, auf dessen Festplatte ein verbotenes Spiel gefunden wird?
Kriegt er/sie eine Anklage wegen Pixel-Mordes? Oder gedanklichem Amoklauf? Besteht ein gemütlicher Abend (einen rauchen und ein bisschen ballern) dann aus lauter Straftaten?
Was ist mit den Feierabend-Diktatoren und ihren Strategie-Spielen? Die sollten der Gerechtigkeit halber eine Anklage wegen Weltverschwörung bekommen und solche Spiele auch verboten werden, denn bei Saddam auf dem PC haben die Amis angeblich “Civilization” gefunden.
Um wirklich weiterzukommen sollte hier einmal die Chance ergriffen werden, sich wissenschaftlich mit der Thematik auseinander zu setzen und auf dieser Grundlage dann die notwendigen Entscheidungen zu treffen. Die Bundesregierung sollte schnellstmöglich entsprechende Experten beauftragen, um dieses relativ neue gesellschaftliche Phänomen besser zu verstehen.
Ob dann immer noch ein Verbot von Computerspielen auf der Liste steht, ist zumindest zweifelhaft. Vielleicht aber redet man dann über Dinge wie Erziehung, Zeit für Kinder und Entfremdung
oder einfach eine bessere Kontrolle der FSK-Bestimmungen bei Ego Shootern, ähnlich wie bei anderen Internetdiensten.
Bis jedoch neutrale Wissenschaftler politische Entscheidungsprozesse beeinflussen dürfen, müssen sich erst die Holzhammer-Lösungen als untauglich erwiesen haben.
So bedarf es auch hier wohl noch ein paar Jahre und ein, zwei oder drei weiterer Durchdreher. Aus diesem Grunde gefährden diejenigen, die alles mit Verboten lösen wollen, unser aller Sicherheit.
Hierbei handelt es sich um die selben Menschen, die das Scheitern der derzeitigen Drogenpolitik schönreden, Schmerzpatienten eine Regelung zur Versorgung mit Cannabioden verweigern sowie positive Ansätze wie Heroin-Projekte stoppen (siehe Kasten).
In den Fünfziger-Jahren war angeblich das Fernsehen Schuld an der steigenden Zahl von Gewaltverbrechen schade, dass es damals keiner verboten hat.

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