Montag, 3. August 2009

GROWING IN A MAISONETTE

Einige Monate vor meiner Verhandlung wegen des Besitzes einer nicht geringen Menge Cannabis (zu medizinischen Zwecken) im März 2009 habe ich noch einmal meinen besten Kumpel besucht – es hätte ja sein können, dass ich wegen meines Frevels gegen das Gesetz vielleicht doch noch in den Knast hätte wandern müssen … – Eigentlich ist aleXX eher mein bester Freund denn Kumpel, mein „Alter Ego“ sozusagen. Mein Grow-Master, Biorhythmus-Mittrommler und Leidensgenosse in lang währender Krankheit.

aleXX wohnt im benachbarten Ausland, ist frankophoner Herkunft, in etwa so alt wie ich und leidet schon sehr lange an Hepatitis C und behindernden Schmerz–symptomatiken wegen einer angeborenen Wirbelsäulendeformation. Er lebt in einem unscheinbaren Provinznest in einer kleinen Maisonette-Wohnung von etwas mehr als 30 qm, die er sich zusammen mit einer zahmen weißen Frettchendame teilt und mit einer jeweils saisonal abhängigen Anzahl von Cannabisdamen, welche auf nur einem Quadratmeter direkt unter einer Dachluke ihren Platz zum munteren Gedeihen finden. Markenzeichen: “Qualinatur“!
Mit welch simplen Mitteln aleXX gärtnert und züchtet, hat mich immer wieder erstaunt. In diesem Kontext soll aber auch Erwähnung finden, dass er eine schriftliche Befürwortung seines Arztes auf Cannabisgebrauch vorweisen kann – die ihm allerdings dort, wo er wohnt, leider wenig nützt. Aus langer persönlicher Erfahrung und Überzeugung ist es ihm daher eine Herzensangelegenheit, seine natürliche Medizin selbst wachsen zu lassen, nicht zuletzt darum, weil er – wie er richtigerweise sagt – dadurch zum einen das marodierende Gesundheitssystem und zum anderen sich selbst auf bestmögliche Weise finanziell entlastet.
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Ausgangspunkt seiner zwei Saison-Grows pro Jahr sind Samen aus gezielter Selbstbestäubung. Die Ursprungsgene stammen dabei aus vor 10 Jahren noch legal in Deutschland gekauften Northern Lights und geschenkten No-Name-Seeds aus Oregon/USA und Nordfriesland.
Diese Triple-Choice-Pflanzungen sind sowohl sativa-, als auch purple-indicalastig, dabei zugleich auch robust, pflegeleicht und kaum anfällig für etwaige Schädlinge. Eher Indoor-, aber zuweilen auch für das Outdoor-Growing geeignet. Einen Namen hat die selbst kreierte Sorte nicht, jedoch weist sie einen wundersamen Frühblüher-Impuls nach bereits etwa 50 – 60 Tagen Vegetativphase auf. Überdies entwickelt sich der überwiegende Teil aller zur Erde gebrachten Keimlinge erstaunlicherweise zu weiblichen Pflanzen. aleXX nennt sie schlicht seine „Bonsais“; die zur Verwendung kommenden Samen bezeichnet er liebevoll als „Bastard-Popel“.
Zwischen recyceltem Toilettenpapier zum Leben erweckt, werden die Keimlinge in schlichte 5-8 L-Pötte mit handelsüblicher Bio-Erde versenkt, die zusätzlich mit ordinärem Streusplitt aufgelockert ist. Erde und Bio-Dünger sind hierbei übrigens die einzig regelmäßig wiederkehrenden Kostenstellen seines Anbaus, denn die Maisonette ist „all inclusive“. Einen Stromkopf muss er sich wegen der 2 x 400 Watt-Leuchten also nicht machen, da weder eine Waschmaschine – noch eine Gefriertruhe am Zählerrennen beteiligt ist. Elektrizität für lau ist daher ein guter Grund, im Verlauf der vegetativen Phase die beiden Lichtspender rund um die Uhr laufen zu lassen und das Wachstum der Pflanzen optimal zu pushen, bis das „Autoblooming“ einsetzt. Die NDL`s laufen, bis sie definitiv durchgebrannt und an Altersschwäche verreckt sind, weil sie zu Lebzeiten selbst nach jahrelangem Gebrauch noch genug Energie für ein ordentliches Wachstum und fette Blüte der Mädels liefern. Ein bis zwei Stunden direktes Sonnenlicht durch die Dachluke sorgt dabei vermutlich für ein gesundes Extra an Photosynthese. Die Entfernung der an Ketten aufgehängten Lampen zu den Pflanzen lässt sich durch die Ketten selbst – wahlweise auch durch Verwendung höhenverstellbarer, billiger Keyboard-Ständer (vom Musiker-Flohmarkt) variieren, auf denen quergelegte Bretter die genügsame Quadratmeter-Stellfläche für seine Pflanztöpfe bieten.
aleXX braucht für seine Grows inzwischen weder Thermometer noch Hygrometer oder PH/EC-Messgeräte. Er kennt die Raumluft- und Temperatur-Verhältnisse in seinem Giebelturm sommers wie winters und reguliert sie ausschließlich über die Heizung und/oder über die Dachluke und über ein gekipptes Wohnungsfenster. Er kennt den PH-Wert des Leitungswassers und hält sich weitgehend an die Herstellerangaben zum Düngergebrauch sowie an die eigenen Erfahrungswerte aus rund 10 Jahren Eigenbedarfs-Anbau.
Die Hänflinge zeigen deutlich an, ob es ihnen gut oder schlecht geht. Besonders, weil sie im Verbund mit vielen anderen Grünblatt-Zimmerpflanzen wachsen, welche ebenfalls von der Lichtquelle profitieren und im Gegenzug über Verdunstung und Sauerstoffabgabe zum besseren Raumklima beitragen. Entsprechend wird auf „allgemeinpflanzliches Unwohlsein“ lediglich mit einem Mehr oder Weniger an praktischer Zuwendung reagiert, aber generell ohne Chemokeule. Eine Abluft-Anlage gibt es ebenso wenig wie überflüssigen Schnickschnack.
„Hanf ist ein einfaches Bergkraut, das seit Jahrtausenden in öden vorderasiatischen Umweltverhältnissen zurecht gekommen ist“, sagt aleXX, „da muss ich ihn nicht noch mit irgendwelchem hippen Gedöns verhätscheln, um vielleicht ein unbedeutendes Quäntchen mehr an Wirkung aus ihm herauszupressen. Natur kann man auch sich selbst überlassen, wenn man die eigenen Ansprüche an Qualität nicht ständig zum Optimum hinschraubt“.
Den einzigen „Luxus“ leistet er sich daher mit einer zweimaligen vorbeugenden Neemöl – Sprühaktion (ausschließlich in der vegetativen) Anbauphase gegen unliebsame Schmarotzer, denen die Fressflash-Wirkung von simpel angebautem Cannabis aus Selbstversuchen offenbar gut bekannt ist. 3 Tage nach der Insektendusche folgt dann ein Absprühen mit klarem Wasser, um Ölrückstände von Blättern und Stängeln zu entfernen und allergische Reaktionen nach Konsum zu verhindern.
Sein jüngster Grow wurde diesmal innerhalb von 19 Wochen ab Keimung der Bastard-Seeds bis zum Eindosen der fertigen Blüten abgehandelt und war vom „Sea- of-Green-Purple-Bonsai-Typus“.
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Insgesamt wuchsen 33 etwa 60 cm hohe Top-Cola-Fingerlinge, die bei längerer Wachstumsphase sicherlich deutlich mehr Ertrag abgeworfen hätten. Der Blühimpuls setzte jedoch auch diesmal – trotz 24stündiger Dauerbeleuchtung – automatisch ein und verhinderte so eine unter den gegebenen Verhältnissen eher kontraproduktive Größe der Damen. Die für einen Quadratmeter Stellfläche relativ hohe Pflanzenanzahl glich das Manko eines vermutlich höheren Ertrags durch größere Plants also bestens aus.

aleXX’s Anbauverfahren à la „GIAM“ (Growing in a Maisonette) hat mich restlos davon überzeugt, dass Technik, Equipment und allerlei flüssige Zusätze über das erforderliche Minimum hinaus nicht unbedingt notwendig sind für einen vernünftigen Medizinal-Home-Grow.
Wer als Genusskiffer allerdings über ausreichende Finanzen verfügt – beispielsweise die im Catweazel-Bust aufgeflogene Juristenfamilie – darf gerne mehr Geld in den Wirtschafts- und Legalisierungsanspruchs-Kreislauf pumpen als ein am kargen Existenzminimum vegetierender chronisch Kranker. Medizinalkiffer haben da ganz andere Probleme, für die Durchsetzung ihres Rechts auf Cannabis einzutreten – und die sind mit Geld schon gar nicht aufzuwiegen.

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Mit schnödem Mammon nicht aufzuwiegen war so gesehen schließlich auch das Degustieren des fertigen Endprodukts, mit dem ich mich nach Viersener Polizei-Ansicht im Ausland strafbar gemacht habe, als ich im Zuge meines Besuchs „zufällig absichtlich“ in eine kleine illustre Runde aus zwei MS-, zwei Hepatitis- und einem an Krebs Erkrankten geriet und dort just „Medikamentenausgabe“ war. Eine tabakfreie Bonsaitüte machte bald die Runde und führte unter allgemeinem Schmunzeln der Anwesenden zu der Feststellung, dass das amerikanisch/kanadische „Caregiver-System“ in Europa bereits gut Fuß gefasst hat.
Keine der versammelten Personen musste sich die unnötige Mühe machen, das relativ frische Ernteprodukt irgendwie zu klassifizieren, geschmacklich einzuordnen oder die Wirkung mit unsinnigen Wortkreationen à la „couchdrucklastig“ oder „neuronalverknüpfend“ zu beschreiben. Es wirkte. Es schmeckte. Basta!

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Fazit:
Europa wächst zusammen, wo Hanf-Medizin mit einfachsten Mitteln nachhaltig (re)produzierbar ist. Dabei solidarisieren Kranke sich grenzüberschreitend und nehmen ihre Versorgung auf vorbildliche Weise dort selbst in die Hand, wo Politik und Gesundheitswesen trotz wissenschaftlicher Hinweise in Hülle und Fülle auf echte medizinische Erfolge bloß versagen, verweigern, verbieten und schlimmstenfalls auch noch verfolgen. aleXX meint dazu – und es hört sich trotz seines stark akzentuierten Sprachmixes aus Französisch, Englisch und Deutsch doch ziemlich ermutigend an: „Just say yes we cannabis in Einigkeit und Ewigkeit, merde alors..!“

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