Mittwoch, 2. Dezember 2009

Im Schloss und hinterm Riegel

Jürgen Hahnel sitzt auch zu Weihnachten für 9,8 Gramm THC im Knast

Seinen Hungerstreik musste er aufgrund gesundheitlicher Probleme abbrechen (Hanf Journal 10/09), nachdem er nach eigener Aussage nur noch 52 (vorher 57,7) Kilogramm, wog. Das Hanf Journal hat Bundestagsabgeordneten aus Jürgens Wahlkreis Heike Hänsel (Die Linke) sowie Winfried Hermann (Die Grünen) angefragt, da die Parteien dieser beiden Volksvertreter/innen von der Tatsache, einen Kiffer 15 Monate lang einzusperren, eigentlich wenig halten sollten: Hier Auszüge der Antworten von Frau Hänsel, Die Linke:

Ha Jo: Sind Sie mit dem „Fall Hahnel“ betraut?
H.Hänsel: Ja, ich werde von Jürgen Hahnel regelmäßig informiert über seinen Mailverteiler.
Ha Jo: Wie beurteilen Sie die Verurteilung von J.Hahnel?
H.Hänsel: Ich halte natürlich nichts von der Verurteilung, da sie auf der willkürlichen Unterscheidung von legalen und illegalen Drogen beruht. Der illegalisierte Drogenkonsum und auch der Missbrauch können zu schweren gesundheitlichen, sozialen und materiellen Problemen führen. „Die Linke“ tritt für eine rationale und humane Drogenpolitik ein sowie für eine Liberalisierung des Betäubungsmittelrechts.
Ha Jo: Planen Sie, Jürgen Hahnel in der JVA Rottenburg zu unterstützen?
H.Hänsel: […] zudem hatte ich bereits sämtliche Materialien zu seinem Fall an unseren rechtspolitischen Sprecher Wolfgang Neskovic sowie an die drogenpolitische Sprecherin Monika Knoche weitergegeben, da sie sich thematisch besser auskennen. Auch die eingeleitete Petition habe ich an die Ausschußvorsitzende des Petitionsausschuß, Kersten Naumann, weitergeleitet. Etwas mysteriös finde ich sein Vorgehen, mich über seine Mailinglisten als „Rotweintrinkerin“ zu bezeichnen, obwohl ich aufgrund meiner gesundheitlichen Situation gar keinen Alkohol trinken darf. (Anmerkung der Redaktion: das hat sich wohl mittlerweile rumgesprochen und die entsprechenden Äußerungen wurden von Jürgens HP entfernt)
Winnie Hermann hat nicht auf unsere Fragen geantwortet, sondern uns eine kurze Stellungnahme zukommen lassen:
„Wir sind gegen die Kriminalisierung von Hanf und Hanfnutzung, zumal Hanf auch eine Heil- und Nutzpflanze ist. Allerdings halte ich es für unangemessen und fatal deswegen sein Leben durch Hungerstreik zu riskieren. Dafür lohnt es wirklich nicht, sich zu opfern. Es muss politisch etwas geändert werden.“ Winnie Hermann ist drogenpolitisch kein unbeschriebenes Blatt und so verwundert seine fast schon flapsige Antwort nicht. Im Jahr 2005 sagte er in einem Interview mit „Jungle World“:
„Ich persönlich bin aber schon lange nicht mehr dieser Meinung. Ganz früher habe ich das auch mal gedacht, aber ich bin sowohl im Drogenkampf für eine harte Linie als auch beim Doping. Ich halte aber fest: Doping und Drogen sind nicht das Gleiche. Drogen machen die Menschen krank und abhängig, Drogenabhängige sind eher Opfer.“ Zwar ist er nach heftiger, parteiinterner Kritik später ein wenig zurückgerudert, trotzdem wirft diese Äußerung ein Licht auf Herr Hermanns nicht ganz unentspanntes Verhältnis zu Hanfrauchern.
Auch hier muss man wieder feststellen, dass „Die Linke“ in Sachen Drogenpolitik immer bessere Arbeit vorlegt und sich des Themas nach anfänglichem Zögern wirklich angenommen hat, während das Thema bei den BündnisGrünen immer stiefmütterlicher und oft inkompetent behandelt wird, wie die falschen Äußerungen von Herrn Trittin und Cem Özdemir zur im eigenen Parteiprogramm verankerten Cannabislegalisierung im Laufe dieses Jahres gezeigt haben.
Das Hanf Journal wünscht Jürgen ein frohes Fest, einen guten Rutsch und viel Kraft, seine symbolträchtige Haft bis zum bitteren Ende und ohne Schäden zu überstehen.
Update: Kurz vor Redaktionsschluss teilte uns die Anstaltsleitung auf Anfrage mit, dass die aktuelle Ausgabe des Hanf Journals, anders als das Oktober-und das Novemberheft, nicht ausgehändigt würden, da sie ‚das Vollzugsziel gefährdeten.‘ Ungeachtet dessen werden wir auch wieder versuchen, dass Jürgen dieses Heft in der Hand halten kann, indem wir es nach Rottenburg schicken. Auch über Weihnachtsgrüße der Hanf Journal Leserschaft würde sich Jürgen sicher freuen.
Schreibt ein paar Zeilen an:
Jürgen Hahnel
z.ZT JVA Rottenburg
Schloß 1
72108 Baisingen

Worum es geht
Beim Strafurteil gegen Jürgen Hahnel errechneten sich mehr als ein Drittel des THC-Gehalts, der für die Einstufung des Vergehens/ Verbrechens (?) von vorrangiger Bedeutung ist, aus Hanfabfällen (ohne Blüten) mit dem sehr geringen THC-Gehalt von 0,318 %. Nach dem im Prozess gehörten „Sachverständigen“ sei es möglich, dieses Material zu konsumieren oder zu Öl zu verarbeiten.
Der Grenzwert für Faserhanf ist mit 0,2% aber relativ willkürlich gesetzt und orientiert sich nicht an der berauschenden Wirkung. Bei einem Wirkstoffgehalt von 0,318% THC wären für einen Joint mit einer durchschnittlichen Konsumeinheit von 15mg THC 5g Hanfblätter einzuarbeiten. Es ergäbe sich hiermit ein Joint von 1cm Durchmesser und 15cm Länge (ohne Mundstück/ Filter). Der Konsum einer solchen Menge Cannabis-Reste würde aber Kopfschmerzen und Übelkeit auslösen.
Tatsache ist, dass sich der berauschende Wirkstoff THC in den Blüten der Hanfpflanze befindet und sich im Restmaterial, wie bei Jürgen Hahnel, allenfalls noch anhaftende THC-Reste an Blättern oder Stengeln finden lassen. In der Praxis wird daher Cannabis mit deutlich höherem THC-Gehalt konsumiert: Hanfabfälle, wie im Fall von Jürgen Hahnel, sind weder als Pflanzenteile noch in umgewandelter Öl-Form in Umlauf.
Im Urteil gegen Jürgen Hahnel wurde durch die Einbeziehung dieses „nicht rauchbaren“ Hanfmaterials aber die 7,5g THC-Grenze überschritten, die zur Einstufung als Verbrechen und nicht als Vergehen führte. Solches Material aber wird in der Praxis nicht konsumiert.
Daher ist die Einstufung des Vergehens von Jürgen Hahnel als Verbrechen als praxisfern, lebensfremd und unverhältnismäßig einzustufen.

Jo Biermanski, Grüne Hilfe

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