Mittwoch, 24. November 2010

Mechthild Dyckmans kognitive Dissonanz

Feuer auf Mechthild Dyckmans

Kognitive Dissonanz entsteht, falls eine Person das Gefühl hat, inkompetent oder unmoralisch gehandelt zu haben, falls ein Verhalten negative Konsequenzen für sich selbst oder andere hervorruft, oder falls zwei oder mehr Gedanken das Verhalten oder Handlungen blockieren. Kognitive Dissonanz tritt unter anderem auf,

– wenn man eine Entscheidung getroffen hat, obwohl die Alternativen ebenfalls attraktiv waren;
– wenn man eine Entscheidung getroffen hat, die sich anschließend als suboptimal erweist;
– wenn man große Anstrengungen auf sich genommen hat, nur um dann festzustellen, dass das Ziel den Erwartungen nicht gerecht wird.

Die kognitive Dissonanz von Mechthild Dyckmans (Bundesdrogenbeauftragte) zeigte sich mehr als deutlich in der Pressemitteilung des Bundesministeriums für Gesundheit vom 11. November 2010 zur Vorstellung der Jahresberichte der deutschen und europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (DBDD und EBDD). Darin wird Dyckmans mit den Worten zitiert: „Der riskante Konsum illegaler Drogen und die Drogenabhängigkeit unter jungen Menschen sind in Deutschland weiter rückläufig. Die positive Entwicklung zeigt, dass die Maßnahmen der Drogen- und Suchtpolitik in Deutschland wirken.“ Ein Absatz weiter behauptet Dyckmans unter der Überschrift „Cannabiskonsum stabil bis rückläufig – aber weiterhin wichtigste illegale Substanz“ genau das Gegenteil: „In Deutschland gibt es sehr erfolgreiche und vorbildliche Projekte zur Reduzierung des Cannabiskonsums, die in der Praxis der Drogen- und Suchthilfeeinrichtungen eingesetzt werden und Wirkung zeigen. Der positiven Gesamtentwicklung steht jedoch die Zahl der problematischen und intensiven Konsumenten von Cannabis gegenüber, die offensichtlich nicht zurückgeht.“
Dyckmans behauptet also, der „riskante Konsum“ sei stabil bis rückläufig, der „problematische und intensive Konsum“ gehe jedoch nicht zurück. Was soll denn bitte der Unterschied zwischen einem riskanten und einem problematischen Konsum sein? Diese Antwort bleibt uns Dyckmans schuldig.

Cannabiskonsum stabil bis rückläufig?

Im Abschnitt „Cannabiskonsum stabil bis rückläufig – aber weiterhin wichtigste illegale Substanz“ kann man lesen, dass in den letzten 12 Monaten 9,3% der 18- bis 39-jährigen Befragten mindestens ein Mal Cannabis konsumierten. Im Jahr 2006 waren es nur 9,2%. Nicht erwähnt wird in der Pressemitteilung, dass 36,6% der gleichen Altergruppe im Jahr 2009 angegeben haben, mindestens einmal in ihrem Leben bereits Cannabis konsumiert zu haben. Im Jahr 2006 waren es 33,9% (Anstieg der Prävalenz von 2006 bis 2009: +2,7%). Die Prävalenzzahlen bezüglich des Konsums innehalb der letzten 30 Tage stiegen im gleichen Zeitraum von 4,4% auf 4,5% (+0,1%). Die Prävalenz aller illegalisierter Drogen (mindestens einmal im Leben konsumiert) stieg bei den 18- bis 64-jährigen Befragten im gleichen Zeitraum von 23,7% auf 26,7% (+3,0%) respektive in absoluten Zahlen in dieser Altersgruppe von 12.270.000 auf 13.812.000 (+1.542.000). Bezüglich Cannabis stieg in dieser Altersgruppe die Lebenszeitprävalenz im gleichen Zeitraum von 23,0% auf 25,6% (+2,6%), der Konsum innerhalb der letzten 12 Monate von 4,7% auf 4,8% (+0,1%) und der Konsum innerhalb der letzten 30 Tage von 2,2% auf 2,4% (+0,2%). Keine dieser Zahlen deutet auf einen rückläufigen Trend in der Gegenwart hin. (Datenquelle: DBDD-Jahresbericht 2010, S. 36 ff.)
Bei zunehmendem Cannabiskonsum von einem stabilen bis rückläufigen zu berichten, ist ein Zeichen kognitiver Dissonanz.

Warnung zu PMA und PMMA

In dem Abschnitt „Herausforderungen durch neue Substanzen – Warnung zum Wirkstoff PMA und PMMA“ steht, dass vom Bundesministerium für Gesundheit aktuell eine Warnung herausgegeben werden muss über die Verbreitung von Ecstasy-Tabletten auch in Deutschland mit dem Wirkstoff Methoxyamphetamin (PMA) und Para-Methoxymethylamphetamin (PMMA), die äußerlich von anderen Ecstasy-Tabletten mit dem Wirkstoff MDMA nicht unterschieden werden können. Dazu erklärt Mechthild Dyckmans u.a.: „Der schnelle Informationsaustausch zeigt, dass das Frühwarnsystem durch die beteiligten Stellen innerhalb Deutschlands und in der EU über die Europäische Drogenbeobachtungsstelle sehr gut funktioniert.“

Im Jahr 2000 tauchte PMA häufiger in Mitteleuropa auf. Bei höheren Dosierungen verursacht PMA einen starken Anstieg des Blutdrucks und der Körpertemperatur. Bei Temperaturen von 40 Grad Celsius können Gehirnzellen beeinträchtigt werden, bei Temperaturen über 40 Grad sind Bewusstlosigkeit und Koma keine Seltenheit, ab 42 Grad Celsius werden innere Organe geschädigt. Aufgrund der hohen Körpertemperaturen kann es zu Blutungen im Magen, Dünndarm und Dickdarm sowie zu Gehirnblutungen kommen. Betroffene fallen in ein Koma und sterben nicht selten nach 6-24 Stunden an Organversagen. Alle im Jahr 2000 an PMA-Effekten verstorbenen Personen waren der Meinung, Ecstasy konsumiert zu haben.

Nach zwei Todesfällen in Bremen aufgrund des Konsums von PMA gab die DROBS in Hannover am 1.08.2000 eine PMA-Warnung heraus und informierte befreundete Szeneorganisationen über die tragischen Ereignisse in Bremen. Eve & Rave Schweiz warnte erstmalig am 10.08.2000 auf seiner Homepage vor dem Konsum von PMA, nachdem die DROBS in Hannover berichtete, dass zwei Personen aus Niedersachsen höchstwahrscheinlich an den Folgen des Konsums von PMA gestorben seien. Auch das Projeckt ChEck iT! in Wien warnte wegen den sich häufenden Todesfällen nach dem Konsum von PMA wiederholt auf seiner Homepage (Meldungen vom 11.08.2000, 18.09.2000 und 9.10.2000) vor dem Konsum dieser Substanz. Eve & Rave Berlin setzte die erste Warnung am 11.10.2000 auf seine Homepage. In der Folge wurden immer mehr Pillen mit dem Wirkstoff PMA analysiert, vor allem auch in Frankreich. So mussten in den Jahren 2000 bis 2002 immer wieder neue Warnungen herausgegeben werden. Bis im Januar 2009 sind in Europa in den letzten Jahren jedoch keine PMA Warnungen bekannt geworden. Am 30.01.2009 warnte die Polizei Bremen vor als Ecstasy verkauften Pillen, die statt MDMA den Wirkstoff PMA enthielten. Im Juli 2009 analysierte ChEck iT! in Wien insgesamt drei Tabletten die PMA enthielten. Seither sind in Österreich und in der Schweiz keine Pillen analysiert worden, die PMA enthielten (Stand 15.11.2010). Auch im DBDD-Jahresbericht wird PMA nicht erwähnt.
Der schnelle Informationsaustausch seinerzeit im Jahr 2000 zeigt, dass das Frühwarnsystem durch die beteiligten Drogenberatungsstellen und Szeneorganisationen schon vor zehn Jahren sehr gut funktionierte. Bemerkenswert dabei ist, dass nicht Regierungsstellen die Warnungen herausgaben, sondern Organisationen, die Drug-Checking-Programme durchführten.

Doch von Drug-Checking hält die Drogenbeauftragte nichts: „So lange der Besitz, Handel und Anbau von Cannabis in Deutschland verboten ist, stellt sich für uns aber auch die Frage nach einer Qualitätskontrolle für Cannabisprodukte nicht.“ Dyckmans in Abgeordnetenwatch am 22.01.2010

Drug-Checking-Programme haben nachweislich Menschen vom Konsum tödlicher Pillen abgehalten, die Programme haben Menschenleben gerettet. Dass sich vor diesem Hintergrund für Dyckmans die Frage nach einer Qualitätskontrolle nicht stellt, kann nur als ein Zeichen kognitiver Dissonanz klassifiziert werden.

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