Dienstag, 1. Februar 2011

Psychoaktive Pflanzen unserer Heimat

Teil 4: Die Eibe

Psychoaktive Pflanzen unserer Heimat
diesmal geht’s um eine Konifere, die im Grunde überall zu finden ist: die Eibe. Der Nadelbaum ist eine häufig verwendete Zierpflanze und kommt besonders häufig als Gartenhecke und Friedhofsbaum zum Einsatz. Dass dieses Gewächs zu den psychoaktiven Zauberpflanzen gehört, wissen nur die wenigsten. Auch dass die psychonautische Nutzung wegen einiger Inhaltsstoffe mit vielen Gefahren verbunden ist. Und trotzdem ist und bleibt Taxus baccata eine höchst interessante psychoaktive Pflanze.

Eibe
Taxus baccata LINNé

Familie:
Taxaceae (Eibengewächse)

Trivialnamen:
Beereneibe, eihwaz (germanischer Runenname), Eboros (keltisch), English yew (engl.), ibar (irisch), iwa (althochdeutsch), ivo (keltisch), ivos (gallisch), yew tree (engl.), yew (engl.; indianisch)

Vorkommen:
Die vom Aussterben bedrohte, unter Naturschutz stehende Eibe, ist wild wachsend in Laub- und Nadelwäldern Mittel-, West- und Südeuropas, Nordafrikas, Kleinasiens und im kaukasischen Gebiet sowie in Gebirgswäldern (z. B. in den Alpen) bis 1200 Meter Höhe aufzufinden. Sie bevorzugt feuchten, kalkhaltigen Boden. Trotz ihrer Giftigkeit ist die Eibe eine beliebte Zierpflanze und häufig in Gärten, Parks und auf Friedhöfen kultiviert.

Botanik
Die Eibe, Taxus baccata, ist ein bis zu 15 Meter hoher, harzloser, immergrüner Baum mit flachen, dunkelgrünen, an der Oberseite glänzenden, unten matten Nadeln und zweihäusigen männlichen und weiblichen Blüten, welche von April bis Mai blühen. Die hellroten Früchte bilden sich von August bis Oktober.

Wirkstoffe
Die Eibe enthält die Pseudo-Alkaloide Taxin A, B & C (Diterpene), Baccatine, Docetaxel, das Glykosid Taxicatin, Paclitaxel (Taxol), Milosin, Ephedrin, Biflavonoide u. v. a. in der gesamten Pflanze, außer im fleischigen Samenmantel (Arillus). Die Nadeln enthalten mit 0,7 bis 2 Prozent die höchste Alkaloid-Konzentration, die im Arillus verborgenen Samen hingegen nur bis zu 0,16 Prozent. Männliche Pflanzen können einen um 100 Prozent höheren Taxingehalt aufweisen als weibliche.

Geschichte
Taxus baccata wurde in den Kulturen der Germanen, Kelten und Römer als mithin kontrovers diskutiertes, magisches Gewächs aufgefasst, erlebt und verwendet, welches die Menschen mal mit Frohsinn, Lebensfreude, Wiedergeburt und heilendem Zauber, und dann wieder mit Tod, Verderben und schwarzer Magie assoziierten. Daher rühren solche Bezeichnungen wie Todesblume oder Totenbaum. Die für alltägliche Zwecke vorgesehene Verwendung des Eibenholzes oder des Giftes der Pflanzen, war von weniger geheimnisvoller, als eher pragmatischer Natur. Aus dem verarbeitungsfreundlichen, widerstandsfähigen und langlebigen Eibenholz wurden vielerlei Gebrauchsgegenstände, wie Waffen, Schutzamulette, Zauberstäbe, Kämme und Särge, aber auch Baumaterialien für Häuser gefertigt. Die Eibennadeln und -beeren dienten außerdem zur Herstellung von wirkungsvollen Pfeilgiften für Jagd und Kampf. Die Eibe wurde und wird auch medizinisch eingesetzt. Im Gegensatz zu früher wird von einer Verwendung als Abtreibungsmittel heutzutage abgesehen, da nicht selten sowohl der Fötus, als auch die Mutter unter der Medikation verstarben. Aufgrund der hohen Toxizität wurde der Einsatz von Eibenwirkstoffen als Digitalis-Substitut bei Herzkrankheiten ebenfalls verworfen. Volksmedizinisch wurde die Eibe als Abwehrmittel gegen bösen Zauber, im 17. und 18. Jahrhundert sogar als Antidot (Gegengift) bei Schlangenbissen und Tollwut gebraucht.
Das 1979 aus dem Taxin isolierte Paclitaxel wird seit 1992 als krebshemmendes Pharmakon (Taxol®) in der Onkologie (= Krebsheilkunde) verwendet. Unter dem Handelsnamen Taxotere® wird das ebenfalls antikanzerogene Taxoid Docetaxel vertrieben. Homöopathische Taxus-Präparate werden bei Gicht, Leberkrankheiten und Rheuma appliziert.

Verwendung
Christian Rätsch berichtet in seiner ‚Enzyklopädie der psychoaktiven Pflanzen’ von einer traditionellen Verwendung der Eibe als Ingredienz für Hexen- und Flugsalben. Nadeln der Gattung Taxus, vornehmlich Taxus brevifolia (welche die gleichen Inhaltsstoffe wie Taxus baccata führt), dienen den Klallam-Indianern als Kinnickinnick1-Additiv und Analgetikum (= Schmerzmittel). Verschiedene Indianerstämme des Nordwest-Pazifischen Raumes rauchen Nadeln von Taxus brevifolia pur.2 Ich rate jedoch grundsätzlich jedem dringend davon ab, jemals auch nur vorsichtige Experimente mit Arten der Gattung Taxus zu unternehmen. Das eigene Leben sollte wichtig genug sein, auf einen Eibenrausch verzichten zu können.

Wirkung
Hieronymus Bock schrieb in seinem Kräuterbuch: „Jeder der unter einer Eibe einschläft, ist des Todes“, was sicherlich als ein wenig übertrieben betrachtet werden darf. Allerdings wurde von Prof. Dr. Kukowa (s. u.) erwiesen, dass Taxus baccata an warmen Tagen, vorwiegend im Hochsommer, gasförmige Wirkstoffabsonderungen freisetzt. Eingeatmet erzeugen diese u. U. Halluzinationen3.
Meine eigenen Versuche mit vorsichtigen Dosierungen gerauchter Taxus-Nadeln hatten eindeutig psychotrope Wirkungen zum Ergebnis, allerdings keine angenehmen (Desorientiertheit, Müdigkeit, Gefühl der Betäubtheit und eine ignorante, gleichgültige Stimmungslage). Ich möchte mir vornehmlich aus Gründen der Verantwortung eine Dosisangabe sparen – Experimente mit der Eibe sind einfach zu gefährlich. In der Regel und unter Berücksichtigung aller möglichen Alkaloidschwankungen, auch unter Gewächsen gleicher Gattung und Linie, kann man davon ausgehen, dass eine letale, also tödliche Dosierung ab etwa 40 Eibennadeln erreicht sein kann. Diese Tatsache sollte Grund genug sein, niemals Eibenmaterial zu verzehren.

Gefahren & Nebenwirkungen
Typische Vergiftungsanzeichen nach beabsichtigtem oder versehentlichem Konsum von Eibenrinde, -nadeln oder -samen sind Blässe, Diarrhoe (Durchfall), Herz- und Kreislaufstörungen, Krampfanfälle, Leber- und Nierenschmerzen, Leibschmerzen, Mundtrockenheit, Pupillenerweiterung, Rotfärbung der Lippen, Schwindel und Übelkeit. Schlimmstenfalls tritt nach einer Inkubationszeit von bis zu 12 Stunden der Tod durch Atem- oder Herzlähmung ein.
Bei einer akuten Vergiftung mit Eibenmaterial sollte auf der Stelle ein Notarzt mit Rettungswagen (Notruf 112, nicht der diensthabende Hausarzt!) angefordert werden und unverzüglich mit den Erste-Hilfe-Maßnahmen begonnen werden. Der Intoxikierte erhält im Idealfall, so greifbar, sofort medizinische Aktivkohle, um das aufgenommene Gift zu binden. Die Vitalfunktionen (Puls, Atmung) müssen ununterbrochen überwacht werden. Vergiftungsbezogene Tipps und Ratschläge erteilt die nächstgelegene Giftinformationszentrale4. Der Notarzt und auch der Sachbearbeiter der Vergiftungszentrale müssen unbedingt wissen, von welchem Gewächs die gemeldete Vergiftung ausgeht. Bestenfalls gibt man außerdem die genaue oder ungefähre Menge des eingenommenen Materials an.

Rechtslage
Taxus baccata unterliegt keiner auf den Konsum abzielenden Verordnung. Der Baum steht unter Naturschutz.

Literatur:
Baker, I. (1992), Poison. Yew, In Practice 14: 32
Bryan-Brown T. (1932), The pharmacological actions of taxine, J Pharm Pharmacol 5: 205-219
Küttner, Michael (1998), Der Geist aus der Flasche – Psychedelische Handlungselemente in den Märchen der Gebrüder Grimm, The Grüne Kraft Löhrbach
Österreichische Naturschutzjugend (o.J.), Das Eiben-Buch, http://www.oenj.at/download/eibenbuch-gesamt.doc
Ott, Jonathan (1996), Pharmacotheon, Second Edition, Natural Products Co.
Rätsch, Christian (1998), Enzyklopädie der psychoaktiven Pflanzen, Aarau
Witherup, K.M., Look, S.A., Stasko, M.W. et al (1990), Taxus spp. needles contain amounts of taxol comparable to the bark of Taxus brevifolia: analysis and isolation, J Natural Products 53: 1249-1255

Fußnoten
1Kinnickinnick war ursprünglich eine Bezeichnung für die Bärentraube (Arctostaphylos uva-ursi; Ericaceae;), ist heutzutage aber Synonym für eine Rauchmischung, die diese enthält.
2Rätsch 1998; Ott 1993
3siehe http://www.oenj.at/download/eibenbuch-gesamt.doc; Küttner 1998
4Informationszentrale gegen Vergiftungen in Bonn, Tel. (0228) 2873211

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