Mittwoch, 31. August 2011

Böses Foul

Renate Künast grätscht

Meist haben sich Grüne Wahlversprechen in Sachen Drogenpolitik erst nach der Wahl als leer erwiesen, immer mit dem Verweis auf den unbeweglichen, sozialdemokratischen Koalitionspartner. Auch zur Berliner Wahl zum Abgeordnetenhaus scheinen Bündnis 90/Die Grünen immer noch zu glauben, durch wenig differenzierte Äußerungen zu Cannabis Wähler aus dem bürgerlich-konservativen Lager zu gewinnen: „In welchem Jahrhundert machen Sie eigentlich dieses Interview mit mir? Diese Zeiten sind längst vorbei. Mein Ziel ist es, dass die Menschen ein möglichst drogenfreies Leben führen, weil ein drogenfreies Leben gesund und schön ist und viele Probleme – nehmen wir nur die Beschaffungskriminalität – gar nicht erst entstehen. Ich gebe allerdings zu, dass zum Beispiel Koffein oder Nikotin auch Drogen sind – und ich durchaus Verständnis dafür habe, wenn hier jemand schwach wird“, so die Grüne OB-Kandidatin Renate Künast zur „Super-Illu“ .

Die ehemalige Verbraucherschutzministerin ist nicht die erste, die ur-Grüne Positionen öffentlich in Frage stellt: Cem Özdemir, Winfried Hermann, Jürgen Trittin sind nur die bekanntesten derer, die um einen Wahltermin herum relativiert und abgewiegelt haben, wenn sie von Journalisten nach ihrer Haltung zu Hanf gefragt wurden. Frau Künast nimmt jedoch erstmalig ein Wort in den Mund, das meist in ultra-konservativen und populistischen Kreisen zum Zuge kommt: Ein „drogenfreies Leben“.
Ihre Partei hat dann postwendend versucht, Schadensbegrenzung zu betreiben, weil man wohl gemerkt hat, dass ein solches Statement besonders in den Grünen Hochburgen wie Kreuzberg-Friedrichshain und Pankow-Prenzlauer Berg, wo weit über die Bevölkerung für eine Re-Legaliserung stimmen würden, schlecht ankommt und Stimmen kosten könnte.

Man kann Frau Künasts Fauxpas aber auch etwas Positives abgewinnen. Diesmal ist jeder/m potentiellen Wähler/in vor der Stimmabgabe klar, welchen Stellenwert einige führende Grüne dem drogenpolitischen Programm der eigenen Partei beimessen. Auch die Beantwortung unserer Presseanfrage, wie denn die Äußerung zum Wahlprogramm passe, überließ Frau Künast ihrem persönlichen Referenten:

„Einen Widerspruch (zur Aussage von Künast) sehe ich nicht. Wir wollen den gesundheitsschädlichen Konsum von Drogen vermeiden und Abhängigkeiten verhindern“. Von drogenfreiem Leben steht im Wahlprogramm übrigens nichts.

Künasts Berliner Parteifreunde haben trotzdem postwendend reagiert. Eine Erklärung des Landesvorsitzenden Daniel Wesener und des innenpolitischen Sprechers Benedikt Lux sollte Schadensbegrenzung betreiben, ging jedoch im allgemeinen Wahlkampfgetöse fast unter:

„Die bundesdeutsche Kriminalisierung von Cannabis-KonsumentInnen ist komplett gescheitert. Das krampfhafte Festhalten an den gesetzlichen Vorgaben im Betäubungsmittelgesetz hat sich in der Praxis längst als kontraproduktiv erwiesen. Die Forderung nach einem Ende dieser Politik ist deshalb auch eine Frage der Vernunft: Denn nachhaltige Prävention, Jugendschutz und eine effektive Eindämmung der Drogenkriminalität wird es nur mit einem regulierten Markt für Hanfprodukte geben. […].“

Wenn gerade kein Wahlkampf ist, outet sich Frau Künast sogar als Hanf-Fan: „Ich habe noch nie verstanden, weshalb Cannabis als Einstiegsdroge bezeichnet wird. […] Unser Fernziel ist die Legalisierung […]“, so Frau Künast in einem NDR-Beitrag von 2004, also mitten in diesem Jahrhundert.
Was man von solchen Aussagen zu halten hat, beweisen die Grünen immer wieder auf‘s Neue, sobald sie Regierungsverantwortung übernehmen: Maximal 10 straffreie Grämmer, die man trotzdem von der Polizei gestohlen bekommt. Dazu ein ohnehin einzustellendes Strafverfahren, das zusätzliche Steuergelder kostet und selbst bei geringsten Mengen und ohne Teilnahme am Straßenverkehr gibt es auch in vielen grün-(mit)regierten Ländern oft eine Meldung an die Führerscheinbehörde.

In Berlin hat die Piratenpartei mit ihrem neuen, drogenpolitischen Programm den Grünen eindeutig den Rang abgelaufen:

Der Slogan „Suchtpolitik statt Drogenkrieg“ weist auf die internationalen Ausmaße der Hanf-Prohibition hin, die Teile traditionell Hanf-freundlicher Parteien anscheinend noch nicht verstanden haben.
Es nicht um den legalen oder illegalen Status eines Feierabend-Joints, sondern um Beendigung einer menschen- und demokratiefeindlichen Gesetzgebung, die das eigentliche Problem seit über 40 Jahren verschlimmert, ohne es auch nur ansatzweise in den Griff zu bekommen. Der „Friedenseinsatz“ in Afghanistan ist Teil des Drogenkriegs, in dem Soldaten für Opium sterben. In Mexiko verdient Heckler&Koch am Bürgerkrieg, in dem die USA schon verdeckt mitmischen. Der Krieg dreht sich vornehmlich um Gras und Koks, das in den USA und in Europa konsumiert wird. Die Drogengesetzgebung ist die Grundlage für diesen menschenverachten Geschäftskreislauf, dessen Gelder laut UN-Angaben weiterhin ungehindert von legal agierenden Bankkonzernen rein gewaschen werden.

In welchem Jahrhundert leben Sie, Frau Künast?

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