Donnerstag, 1. September 2011

“Die Fahrscheine und die Bierflaschen bitte!”

Ein Kommentar zum geplanten Alkoholverbot im Nahverkehr

Ab dem 1.Oktober kostet der Genuss eines alkoholischen Getränks in Hamburgs U- und S-Bahnen 40 Euro. Die Betreiber versprächen sich davon mehr Sicherheit und Komfort für die Fahrgäste. Grundlage für die Maßnahme sei eine Telefonbefragung mit 1200 Teilnehmern.

Der Deutsche Städtetag hat den Schritt begrüßt und angekündigt, dass dem Hamburger Modell bald weitere folgen werden.

Betrunkene Pöbler in der U-Bahn kennen wohl die meisten, ob ein Trinkverbot in Bahnhöfen diese Spezies dazu bringen wird, Öffentliche Verkehrsmittel nur noch nüchtern zu nutzen, ist mehr als fraglich. Trotz eingeschränkter Verfügbarkeit und Werbebeschränkungen steigt der problematische Alkoholkonsum, besonders unter Jugendlichen, weiter an, Binge-drinking ist populärer denn je.
Die Alkoholindustrie ist omnipräsent, besonders in der Sportförderung gibt es keine Veranstaltung ohne einen großen Brauereikonzern, der als Sponsor fungiert. Solange sich deutsche Sportasse vor den Augen Jugendlicher besaufen, Politiker Präventionsbemühungen unterlaufen oder fragliche Kampagnen der Bundesdrogenbeauftragten den problematischen Konsum eindämmen sollen, müssen wir uns nicht wundern, dass das Problem auch im öffentlichen Raum zunimmt. Vor diesem Hintergrund scheint ist es geradezu lächerlich zu glauben, ein Alkoholverbot im Nahverkehr könne irgendetwas bewirken. Die U- oder S-Bahn ist auch nur einer von vielen Orten, an dem sich Nüchterne regelmäßig von Betrunkenen belästigt fühlen.
Allerdings ist ja nicht der Genuss des Bieres, das der oder die Betreffende gerade in der Hand hält, Schuld an dem bedauerswerten Zustand, der bei einigen auch in Aggressivität umschlägt. Wer volltrunken durchs öffentliche Leben torkelt, wird kaum nüchtern Bahn fahren, weil man unterwegs trocken bleiben muss.
Die USA haben gezeigt, wohin es führt, wenn die Regierenden versuchen, den Alkoholkonsum aus dem öffentlichen Leben zu verbannen: Alkoholika werden am Kiosk in Papiertüten gepackt oder zuhause umgefüllt, so dass keiner mehr sieht, ob da gerade Sekt oder Selters geschlabbert wird.

Zurück zur U-Bahn, in der Sturztrunkene ohnehin meist friedlich in der Ecke sitzen, vor sich hin dämmern und schlimmstenfalls ein wenig sabbern, um dann bis zur Endstation durchzubrettern, wo sie von der Security in Empfang genommen werden. Man Merke: Auch unter den Betrunkenen ist der Pöbler eher die Ausnahme, selbst wenn der Anteil der Stänkerer unter Alkoholeinfluss zweifels ohne höher liegt.

Aggressive Schnapsdrosseln oder Wochenend-Koma Trinker werden sich von diesem Verbot kaum abschrecken lassen oder auch nur ansatzweise nüchtern durch die Gegend gondeln. Betroffen sind diejenigen, die, ohne jemanden zu stören, ihr Feierabend-Bier in der Bahn trinken oder ein Bier auf dem Weg in den Club zischen möchten. Als Alkoholverächter kann ich diese Verlangen zwar nicht nachvollziehen, erwarte aber von mir selber die Toleranz, die ich von anderen fordere:
Wer seine Mitmenschen nicht belästigt oder gefährdet, seinen Müll wegräumt und sich nicht in alkoholische Zustände versetzt, in denen die Hilfe Dritter benötigt wird, sollte jede/r, die/der das möchte, auch in der Bahn ein Bier trinken dürfen. Oder im Strassencafe. Das wäre dann der nächste logische Schritt in der prohibitionistischen Argumentationskette. Denn schließlich stellen ja die Städte auch den Öffentlichen Raum für den Konsum von Alkohol, indem sie Gastwirten gestatten, Gehsteige als Außenbereiche für ihren Betrieb zu nutzen.

Ein wenig Ehrlichkeit wäre angebrachter. Das Alkoholverbot dient lediglich dem Zweck, leere Kassen aufzufüllen und so Schäden, die durch (eventuell betrunkene?) Randalierer oder unfähige Bahn-Manager verursacht wurden, zu kompensieren.
“Die Fahrscheine und die Bierflaschen bitte!” wird es dann wohl zukünftig durch Hamburgs U-Bahn schallen. Zum Schutze von Bürger und Gesundheit.

Abonnieren
Benachrichtige mich bei

Schnelles Login:

0 Kommentare
Inline Feedbacks
Alle Kommentare zeigen