Donnerstag, 26. Januar 2012

Cannabiskonsum und MPU

Ausgebremst und völlig überfahren – so oder so ähnlich fühlen sich Cannabiskonsumenten, die tagtäglich in die Mühlen des Führerscheinrechtes geraten. Es ist schnell passiert. Abends auf einer Party eine Tüte genossen, am anderen Tag nach etlichen Stunden Schlaf ins Auto und …

autsch … Verkehrskontrolle.

Es kommt, wie es kommen muss. Ab zur Blutentnahme. Ergebnis THC positiv.

Nun geht die Schlittenfahrt los

Bußgeld, Punkte, Fahrverbot, und noch der völlige Entzug der Fahrerlaubnis über die Verwaltungsbehörde.
Dass der sofortige Entzug des Führerscheins zu „Recht“ geschieht, hat erst kürzlich das Verwaltungsgericht Aachen (05.12.2011 -3 L 457/11) in einem Klageverfahren festgestellt. Demnach ist die Fahreignung auch bei Gelegenheitskonsumenten per se ausgeschlossen, wenn eine „Drogenfahrt“ begangen wurde.

Gelegentlicher* Cannabiskonsum
+
fehlendes** Trennungsvermögen
=
Lappen futsch

Eine neue Fahrerlaubnis gibt es nur bei Vorlage einer positiven MPU-Bescheinigung.

„MPU? Was wollen die denn von mir? Ich habe weder ein Drogenproblem noch bin ich „breit“ gefahren. Nur weil ich hin und wieder mal einen rauche … die haben doch voll einen an der Waffel.
Meinem Nachbar, der mindestens einmal im Monat von einem mehr oder minder feucht fröhlichen Abend angedüdelt mit dem Auto nach Hause kommt, passiert nichts. Selbst als sie ihn mal besoffen mit einem Promille aus dem Verkehr gezogen haben, musste er seine Pappe nur für 4 Wochen abgeben.“

So sind nicht selten die großenteils nachvollziehbaren Reaktionen von Betroffenen. Sie stehen wie „ein Ochs vorm Berg“, fühlen sich völlig übervorteilt und über den Leisten gezogen. Dies führt in der Regel dazu, dass sich die Betroffenen reflexartig verteidigen wollen, um dem Vorwurf ausräumen oder relativieren … “kann gar nicht sein … mein letzter Konsum liegt schon yx Stunden zurück …“

Dieser Frust ist zwar nachvollziehbar, aber ein schlechter Berater für eine anstehende MPU. Bei einer MPU darf man nicht in eine Verteidigungshaltung geraten, man muss die Gutachter davon überzeugen, dass man kein Drogenproblem (mehr) hat oder hatte, und auch nie wieder unter Drogeneinfluss fahren wird, da man von nun an völlig abstinent lebt. Die behördliche Fragestellung lautet in diesen Fällen meist:

„Liegt bei XY Drogenkonsum vor, der Zweifel an der Fahreignung begründen kann, und ist zu erwarten, dass XY auch zukünftig ein Fahrzeug unter dem Einfluss von Betäubungsmittel führen wird?“
Diese Fragen sollen über die Fahreignungsbegutachtung, kurz MPU geklärt werden.

Die Untersuchung erstreckt sich hierbei auf drei Bereiche.
Eine ärztliche Untersuchung inklusive Drogenscreening (Blut/Urin) zur Abklärung des aktuellen Konsumstatus
Psychomotorische Leistungs- und Reaktionstests an verschiedenen Geräten
Einem alles entscheidenden psychologischen Begutachtungsgespräch.

Bei der Drogenfragestellung kommt hinzu, dass die Betroffenen zum Zeitpunkt der Begutachtung schon einen ausreichend langen und zugelassenen*** Abstinenznachweis vorlegen müssen, um die MPU überhaupt bestehen zu können. Was als ausreichend anzusehen ist, ist abhängig von der „Konsumdiagnose“, die der Gutachter bei der abschließenden Begutachtung (MPU) stellt.

Die Diagnose vor der Diagnose

Jetzt wird es kompliziert: 3, 6 oder 12 Monate Drogenscreening? Die Palette reicht von Abhängigkeit bis zum ausschließlich gelegentlichen Cannabiskonsum. Im Zuge des psychologischen Gespräches versucht sich der Verkehrspsychologe, anhand der Aktenlage (Führerscheinakte) und den Fragen zur Konsumentstehung, Motivation, Entwicklung etc., ein Bild vom „Drogenproblem“ zu machen.
Erst wenn er der Meinung ist, dass die Angaben des Betroffenen zur Konsumentwicklung nachvollziehbar, in sich widerspruchsfrei und offen sind, kann er das Konsumverhalten „klassifizieren“ und entscheiden, ob der vorgelegte Abstinenznachweis für eine positive Prognose ausreicht.

Hierbei ist zu beachten, dass es auch zu keinen Widersprüchen von wissenschaftlichen Erkenntnissen kommen darf. Dies betrifft auch und gerade die toxikologische Befundlage, zur Frage von Konsumzeitpunkt vor der Verkehrskontrolle und der generellen Konsumgewohnheiten.
Neben der Widerspruchsfreiheit von der Datenlage und Konsumbeschreibung wird auch erwartet, dass der Betroffene die Maßnahmen als nachvollziehbar und gerechtfertigt ansieht, da jeder Zweifel an der Rechtmäßigkeit oder Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen schnell als fehlende Einsicht gewertet werden kann.

Auch Vergleiche mit der offensichtlich gefährlicheren Substanz Alkohol, werden aus verkehrspsychologischer Sicht als Bagatellisierung der eigenen „Drogenproblematik“ gewertet und führen meist zu einem negativen Gutachten.

Jedes gesagte Wort vor der MPU ist eins zu viel

Da die subjektive Wahrnehmung der Betroffenen oftmals nicht deckungsgleich mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen sind, ist es ratsam im Vorfeld z.B. bei Polizeikontrollen keinerlei Konsumangaben zu machen, ohne dass man die genauen Werte und deren möglichen Interpretation kennt. Wer von Anfang an richtig handelt, hat gute Chancen die MPU-Hürde im ersten Anlauf zu bestehen. Da man sich vor einer Verkehrskontrolle nicht schützen kann, ist es umso wichtiger die folgenden Verhaltensregeln zu beachten.

Reden ist Silber, Schweigen ist Gold.

Also keinerlei Angaben zu den Konsumgewohnheiten machen, auch nicht zum letzten Konsumzeitpunkt. Viele Konsumenten quatschen sich leider immer wieder um Kopf und Kragen und verkomplizieren sich damit eine Fahreignungsbegutachtung. Nach erfolgter Verkehrskontrolle den Konsum umgehend einstellen.

Wissen ist Macht, und nichts wissen macht angreifbar.

Bei einer Überprüfungsanordnung seitens der Führerscheinstelle ist die Einsichtnahme in die Führerscheinakte der erste Schritt, der erfolgen sollte, bevor man sich in irgendeiner Form gegenüber der Behörde/Polizei äußert.
Die Führerscheinakte ist die zentrale Datenquelle für den Gutachter. Daher ist es notwendig diese genau zu analysieren, da es nicht selten vorkommt, dass weitergehende Informationen (z.B. Polizeiberichte mit vermeintlichen Konsumangaben) in der Akte sind, von denen man nichts weiß.

Neben den genannten grundsätzlichen Verhaltensregeln ist es für Betroffene in der Regel sinnvoll sich individuell auf eine MPU vorbereiten zu lassen. Die hierfür entstehenden Kosten sind, bei der richtigen Auswahl der MPU- Beratung, in der Regel überschaubar, und verhindern eine „Ehrenrunde“ bei der Begutachtung, die oftmals bis zu 1.000,-€ Zusatzkosten verursacht und die führerscheinlose Zeit verlängert.

Die kostenfreien MPU-Infoabende, die von vielen Begutachtungsstellen angeboten werden, stellen hier keine Alternative dar, weil das in der Regel reine Verkaufsveranstaltungen sind, bei denen die Betroffenen, gerade in dem Bereich der Drogenfragestellung, kaum verwertbare Informationen zu ihren individuellen Fragen erhalten.

* Von einem „Gelegenheitskonsum“ geht man schon aus, wenn ein wiederholter Konsum stattgefunden hat.
** Wird in der Regel schon von ausgegangen, wenn der THC-Wert über dem analytischen Grenzwert von 1ng/ml liegt.
*** von Laboren, die nach ISO 17025 zertifiziert sind und die CTU3 Kriterien erfüllen

Die vier Konsumcluster im Überblick (D-Kriterien)
mit den geforderten und vorgeschriebenen Abstinenzzeiträumen

D1 Abhängigkeit (ICD 10)-> min. 1 Jahr nach erfolgreicher Drogentherapie

D2 Missbrauch1(DMS 4)-> min. 1 Jahr

D3 regelmäßiger Cannabiskonsum -> min. 6 Monate2

D4 ausschließlich gelegentlicher Cannabiskonsum -> min. 3 Monate3

1 Unter D2 fallen auch ein hoch riskanter Mischkonsum und eine problematische Konsummotivation, auch wenn die DMS 4 Kriterien nicht erfüllt sind.
2 Bei einem langjährigen chronischen Cannabiskonsum kann auch ein längerer Abstinenznachweis bis zu 12 Monaten gefordert werden, da eine Abgrenzung zu D2 gerade hinsichtlich der Konsummotivation mitunter schwierig erscheint.
3 Theoretisch kann ein Gelegenheitskonsument eine MPU auch ohne Abstinenznachweis bestehen, wenn er darlegen kann wie er in Zukunft eine „erneute“ Drogenfahrt sicher vermeiden kann. Hat der Konsument das notwendige Fachwissen über Wirkung, Nachweiszeiten etc., um eine Drogenfahrt zu vermeiden, wird aus verkehrspsychologischer Sicht aber das Konsumcluster des sehr gelegentlichen Konsums angezweifelt.

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