Mittwoch, 7. März 2012

THC oder Benzin im Blut, das ist hier die Frage

Des Deutschen liebstes Spielzeug ist das Automobil. Doch nicht jeder der 54 Millionen Fahrerlaubnisbesitzer weiß damit vernünftig umzugehen – mit dem Ergebnis, dass jährlich unzählige Verkehrsteilnehmer im Leichensack und Rollstuhl landen.

Wo gehobelt wird, fallen Späne, sagen die, die sich daran berauschen, mit der PS-Blechbüchse Russisch-Roulette zu spielen. Fußgänger und Radfahrer sind die Opfer dieses aberwitzigen Autokults made in Germany, der besonders den motorisierten Hanffreunden das Leben vergällt.

Kiffen und Autofahren – das wohl heikelste Thema für Millionen Hanffreunde, die sich ein Leben ohne Auto nicht vorstellen können. Doch angesichts der inflationär ansteigenden Zahl von Fahrerlaubnisaberkennungen wegen Hanfkonsums per Verwaltungsbeschluss, wird so manch ertappter Cannabis-Sünder vor die Wahl gestellt, entweder aufs Bierchen oder Fahrrad umzusteigen.

Das ist natürlich eine fiese Sache, wenn der Gesetzgeber dem Genusskiffer den Gute-Nacht-Joint verbietet und damit indirekt den Pharmacocktail bzw. hochprozentigen Schlaftrunk empfiehlt. Die Gesundheitsapostel wenden jetzt natürlich ein, dass man ja auch ohne Drogen ein erfülltes Leben haben kann.

Schließlich könne man sich ja auch mit einem Kasten Konfekt und einem guten Thilo-Sarrazin-Buch in den Schlaf wiegen. Doch Hand aufs Herz! Wer bewältigt den Stress des Alltags und die Ruhelosigkeit des Lebens nicht mit grenzwertigen Hilfsmitteln oder Hobbys? Während die einen mit Drogen aller Art das hormongedopte Kreislaufsystem zur Nachtruhe herunterfahren, schalten andere erst nach einer halbstündigen Amok-Heimfahrt auf Stand-By-Modus.

Niemand kann wirklich von sich behaupten, er lebe nicht für die vielen kleinen Rauschmomente des Tages, die Herz und Seele erwärmen. Die Vielzahl dieser Hormonschübe ist der Kraftstoff des Menschen, auch bei den im Auto gezeugten und geborenen Germanen, die je nach Reife- und Bildungsgrad im Auto oder auf dem Rad den ultimativen Todeskitzel suchen.
Nun würde in Deutschland niemand auf die Idee kommen, Bürgern die Fahrerlaubnis zu entziehen, nur weil sie sich gerne an fettem Essen berauschen, sich im Counter-Strike-Spiel verlieren oder die körpereigenen Endorphine mit einem kleinen Triathlon heraus kitzeln.

Wer Cannabiskonsumenten die charakterliche Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeugs abspricht, handelt daher willkürlich und verstößt mehrfach gegen die Grundrechte. Aus Hanfkonsum allein kann nicht abgeleitet werden, wer zum Autofahren taugt und wer nicht. Die Ungleichbehandlung der ertappten Hanfsünder führt überdies in einer mobilen Gesellschaft zu unnötigen Härtefallen, denn oftmals geht mit dem Entzug des Lappens auch der Arbeitsplatzverlust einher, der den Betroffenen in den Strudel des sozialen Abstiegs reißt.

Die Rechtsethiker schweigen zur Unrechtspraxis, Hanfkonsumenten vorsorglich als Verkehrsrowdys zu denunzieren und per Verwaltungsakt aus dem Straßenverkehr zu entfernten. Der Verdacht drängt sich auf, dass hier die Staatsräson über dem hohen Gut des Rechts steht, frei nach dem Motto: Strafe muss sein. Wenn Vater Staat den Übeltäter schon nicht wegsperren kann, dann beraubt man ihn eben der Mobilität – das kommt aufs Gleiche heraus.

Doch das Beste an der Rechtspraxis ist, dass sie funktioniert. Offensichtlich ist die Angst vor dem Freiheitsentzug, also der Wegnahme der Pappe, größer als Gerechtigkeitssinn und Widerspruchsgeist. Millionen kiffende Autofahrer schwimmen mit im Schwarm der anderen Rußfurzer, immer in dem Bewusstsein, dass die Mausefalle jederzeit zuschnappen kann und die Tüte vom Vorabend zum Verhängnis wird.

Ein Ausscheren ist in dieser Situation unmöglich, und wer Gesicht zeigt, der macht sich nur zum kostenintensiven Opfer des MPU-Gewerbes. Während es in der Hippezeit noch üblich war, sich ein Hanfblatt auf die Ente oder den R4 zu pappen, wagt es heute niemand, auch nur den Anschein eines Kiffers zu erwecken. Doch was hilft alle Tarnung, wenn selbst die, die die Getarnten enttarnen, getarnt sind? Ein geschulter Polizist aus Baden Württemberg, Rheinland Pfalz und Bayern sieht den Leuten nämlich an der nicht vorhandenen roten Nasenspitze an, dass nicht blasen, sondern pinkeln angesagt ist – und die hohe Trefferquote gibt ihm Recht.

Das Schweigen der Kiffer ist unerträglich und alles andere als die Leichtigkeit des Seins. Während nämlich die anderen Autofahrer für ihr Recht auf Ordnungswidrigkeiten und Verkehrsstraftaten streiten und sich im Allgemeinen Deutschen Automobil-Club (ADAC) zusammenrotten, um den Gesetzgeber zu autofahrerfreundlicher Politik zu nötigen, halten die Hanffreunde kleinlaut die Klappe.

Da mutet es schon absurd an, dass der ADAC mit seinem 17 Millionen Mitgliedern tatsächlich so viel Macht hat, Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) eine Reform des Flensburger Verkehrszentralregisters abzuluchsen – zu Gunsten der vielen Möchtegern-Rennfahrer, die süchtig nach Temporausch sind. Stellt sich die Frage: Was wäre, wenn die kiffenden Autoclubmitglieder zu Solidarität fänden und den ADAC-Slogan „Freie Fahrt für freie Bürger“ auch für sich beanspruchen würden? Doch das ist nur eine Illusion, denn die im ADAC organisierten Autonarren sind letztlich allesamt nur Einzelkämpfer, die sich im öffentlichen Straßenland bis aufs Messer bekriegen und dem Verkehrspartner auch nicht die kleinste Lücke gönnen.

In letzter Konsequenz würde der Autojunkie niemals auf seine tägliche Dosis Benzindämpfe verzichten, wohl aber auf die aus der Haschpfeife.

Eine breite Front der Hanffreunde gegen die Willkür der Fahrerlaubnisbehörden wird es vorläufig nicht geben. Erst wenn der amtliche Kahlschlag die Autoindustrie spürbar straft, wird Bewegung in die Sache kommen. Denn jede entzogene oder nicht erteilte Fahrerlaubnis bedeutet eine Konfektionsschachtel weniger auf der Straße. Anno 2000 besaßen noch 52% der 18- bis 29-jährigen deutschen Männer ein Auto, heute sind es gerade mal etwas mehr als 30%. Doch bei 51,7 Millionen zugelassenen Fahrzeugen und jährlich rund 100.000 Führerscheinverlusten relativiert sich auch das, und der Haschfreund wird mit dem Damoklesschwert, das bei jeder Fahrt über ihm schwingt, leben müssen.

Doch dieser Nervenkitzel muss nicht stets und immer sein! Wer ehrlich ist, muss nämlich zugeben, dass ein erheblicher Teil der Autofahrten überflüssig ist. Die Hälfte aller mit dem Auto zurückgelegten Wege ist immerhin kürzer als sechs Kilometer, weiß die Statistik des Bundesverkehrsministeriums.

In Berlin sind es gar weniger als dreitausend Meter!

Wer klaren Verstandes ist, kommt nicht umhin, mal in sich zu gehen und den inneren Schweinehund davon zu überzeugen, dass man zum Bäcker auch mit der Fietse fahren kann. Der kluge Kiffer hat das Auto längst überwunden, denn letztlich bereitet die überdachte Zündkerze nur Hektik und Stress, sei es im Stau oder in der Verkehrskontrolle. Und dieses Lebensgefühl widerstrebt dem Hanffreund, der es nun mal entspannt und langsam mag, gemäß der Weisheit des Fußgängers Konfuzius: Der Weg ist das Ziel.

Bleibt nur noch, denjenigen Brüdern und Schwestern, die aus beruflichen und gesundheitlichen Gründen auf das Automobil angewiesen sind, allzeit gute und unfallfreie Fahrt zu wünschen. Und vielleicht finden sich ja mal ein paar kiffende ADAC-Mitglieder, die mit Massenaustritt drohen, wenn der größte Verein Deutschlands die Problematik weiterhin bagatellisiert.

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