Mittwoch, 11. Juli 2012

Scheiss Nikotin

Rauch statt Rauschvermeidung

Neuere Studien zum Konsum von Cannabis bescheinigen dem illegalisierten Kraut, dass es nicht die bösen Erkrankungen verursacht, die die Volksdroge Nikotin zweifelsfrei und millionenfach hervorruft. Dass solche Studien hier kaum beachtet werden, liegt zum Einen an der seit Jahren ignoranten Haltung der Bundesregierung, wenn es darum geht, wissenschaftliche Erkenntnisse aus der Cannabis-Forschung zu evaluieren. Ein anderer, meist vernachlässigter Grund ist der besonders in Europa verbreitete Mischkonsum von Cannabis und Nikotin. Einem Cannabiskonsumierenden oder gar eine/r Patientin/en aus den USA oder aus Kanada käme es gar nicht in den Sinn, Hanf mit Tabak zu vermischen. Selbst Zigarettenraucher/innen rauchen dort ihre Hanfblüten pur und trennen so strikt zwischen Nikotin und Cannabis. Das ist auch der Grund für die „Mini-Joints“, die in Übersee Standard sind, ohne Tabak enthielte ein Dübel in Europäischem Format locker mal 1,5- 2 Gramm Weed und wäre so viel zu stark für die meisten. Aber so ein US-amerikanischer Pur-Joint enthält ungefähr so viel wie einer von hier: Ungefähr 0,2-0,5 Gramm Gras, aber kein Nikotin.
Smoke your Ganja raw
Leider beeinträchtigt der Mischkonsum nicht nur die Gesundheit viel mehr als es pures Gras, er führt nebenbei zu einer Reihe weiterer Nebenwirkungen, die eine objektive Betrachtung der Stellung von Hanf in unserer Gesellschaft erschwert:
Die Legalisierungsdebatte dreht sich oft um das Thema „Rauchen“, wobei einfach davon ausgegangen wird, dass, wie in europäischen Studien üblich, Hanf mit Tabak vermischt wird. So muss man sich als Cannabiskonsumierender für die Folgen einer Droge rechtfertigen, die prinzipiell wenig mit den eigenen Vorlieben zu tun hat. Man bekommt selbst als Pur-Raucher die Folgen des zweifelsfrei schädlichen Tabakkonsums unter die Nase gerieben. Rauchen ist selbst ohne Tabak die ungesündeste Applikationsform von Hanfblüten, andere, gesündere Konsumformen wie das Vaporisieren oder die orale Aufnahme setzen sich jedoch erst langsam durch. Das liegt daran, dass die traditionellen Rauchgewohnheiten unserer Gesellschaft einfach 1:1 auf Hanf übertragen wurden, weil zur Zeit der „Hanf-Renaissance“ in den 1970er Jahren sich kaum jemand über die Gefahren von Nikotin und des Rauchens bewusst war und sowieso alle Kippen geraucht haben. So wurde der Tabak-Joint nur gesellschaftsfähig, weil Rauchen damals nicht als Problem oder gar als gefährlich galt. Andere Kulturen, wo Cannabis seit Jahrtausenden zum Alltag gehört, nehmen Gras oft oral auf oder rauchen es wenigstens pur, kaum jemand mischt es traditionell mit Tabak.
Die Vermischung mit Tabak steigert das Suchtpotential ungemein. Dem Autor dieses Artikels sind nicht wenige Gelegenheits-Kiffer bekannt, die aufgrund von unregelmäßigen Cannabiskonsums erst angefangen haben, Zigaretten zu rauchen, weil sie ihre Feierabend-Joints mit Tabak vermischt haben. Wie oft hört man den Satz: „Ohne Weed habe ich keine Probleme, aber ich rauche dann viel mehr Zigaretten“. Von Pur-Rauchern wird man so etwas nie hören.
Ärzte, die Cannabis-Patienten behandeln, sind sich dieses Phänomens oft nicht bewusst und raten den Patienten in den seltensten Fällen, parallel zur Cannabismedikation einen Nikotinentzug zu machen oder zumindest den Konsum beider Drogen zu trennen, um so den positiven Effekt der Medizin nicht zu beeinflussen. Oft wird der parallele Nikotinkonsum erst gar nicht thematisiert.
Last but not least wirkt pur konsumiertes Cannabis ganz anders als die umgangssprachliche „Mischung“: Patienten und Genussraucher bestätigen übereinstimmend, dass die Kombination Nikotin-Cannabis zwar auch entspanne, die Schmerzen lindere und/oder high mache, aber viel stärkere Müdigkeit als Nebeneffekt verursache als pur konsumiertes Weed.
Lungenkiller Nikotin
Dem Autor des Artikels geht es übrigens auch so.
All diese Fakten sind für sich genommen schon bedenklich genug und sollten die Hanfliebhaber/innen in Europa einmal ihre Konsumgewohnheiten reflektieren lassen, desaströs wird die ganze Sache aber, weil die Gefahren der legalen Droge Nikotin mittlerweile das häufigst angeführte Argument sind, wenn es um die rechtliche Stellung von White Widdow, Jack Flash und ihren Schwestern geht.
„Wir können doch nicht auf der einen Seite versuchen, das Rauchen durch Gesetze einzudämmen und andererseits Cannabis legaliseren.“
Wieso eigentlich nicht? Dazu müssen wir aber schon wieder über den großen Teich schielen, denn dort sind Anti-Raucher Kampagnen schon viel länger präsent und auch entsprechend erfolgreich. So rauchen jüngsten Erhebungen zufolge dort nur noch 18 Prozent der Schüler Zigaretten, 23 Prozent gaben dagegen an, in jüngster Zeit gekifft zu haben.
Prof. Donald Tashkin hat sich als einer der führenden amerikanischen Lungenspezialisten Jahrzehnte lang für die Aufrechterhaltung der Hanfprohibition eingesetzt, weil er davon überzeugt war, dass das Rauchen von Gras ein sehr hohes Risiko berge, an Lungenkrebs oder COPD (Chronisch obstruktive Lungenerkrankung) zu erkranken.
Er hat auf diesem Gebiet 30 Jahre lang geforscht, die umfassendste Studie überhaupt zum Thema veröffentlicht und war bis vor wenigen Jahren davon überzeugt, dass Hanf und Lungenkrebs einen kausalen Zusammenhang haben, schlimmer noch als bei Tabak.
Seine jüngsten Auswertungen der Langzeitstudien haben ihn jedoch zum Umdenken bewegt, 2009 klingt das so:
„Früher, als unsere Forschungsergebnisse den Anschein erweckt haben, er (der Cannabiskonsum) habe negative Auswirkungen auf die Lungenfunktion beziehungsweise deren Gesundheit, war ich davon überzeugt, dass eine Legalisierung einen Anstieg des Konsums und somit negative Auswirkungen auf die Gesundheit der Bevölkerung mit sich bringe. Ich rate jedem davon ab, überhaupt zu rauchen. Mittlerweile bin ich jedoch für eine Legalisierung. Es (Cannabis) sollte nicht als illegale Substanz stigmatisiert sein, Tabak ist viel gefährlicher. Und was das Vergiftungspotential anbetrifft, so ist Alkohol viel gefährlicher.“
Setzt man also voraus, dass es den Gesetzgebern wirklich um den Gesundheitsschutz geht, müsste man drei Dinge von ihm erwarten:
Die umgehende Beauftragung von hiesigen Studien, die das Gefahrenpotential von pur konsumierten Cannabis in den verschiedenen Applikationsformen bewerten (Rauchen, Verdampfen, Essen)
Einen Blick auf den internationalen Stand der Forschung zu werfen
Echte Aufklärung Heranwachsender und junger Erwachsener, natürlich auch über das zweifelsohne vorhandene Gefahrenpotential von Cannabis, mit Schwerpunkt „Rauch- statt Rauschvermeidung“
Was muss sich ändern?
Eine Aufklärung unter rein wissenschaftlichen Aspekten, welche weder verharmlost noch verherrlicht und die fast schon sprichwörtliche „German Drogen-Angst“ außen vor lässt , ist die beste Vorbeugung gegen die Entwicklung problematischer Konsummuster, die selbst in Zeiten staatlicher Drogenpropaganda bei Cannabis am seltensten von allen verbreiteten Drogen auftreten. Selbst die in den vergangenen Jahren so oft und kontrovers diskutierten psychischen Probleme beim „Missbrauch“ von Cannabis sind ein Witz gegenüber den Aussetzern, die der Alkoholmissbrauch so mit sich bringt, die Stichworte heißen hierbei weiße Mäuse, Korsakow Syndrom, sexuelle Gewalt, Gehirnzellentod oder Atemlähmung.
Deshalb kann man heute ohne Übertreibung sagen: „Cannabis ist sicherer“.

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