Mittwoch, 1. August 2012

Feuer auf Mechthild Dyckmans

Der Autorepeatsprung in Dyckmans Leier

Der Autorepeatsprung in Dyckmans Leier

Am 3. Juli 2012 (Online-Version) berichtete die Bild-Zeitung, dass Schleswig-Holstein als erstes Bundesland einen „Drogen-TÜV“ plane. Am 4. Juli 2012 berichtete dann der News Burger unter dem Titel „Scharfe Kritik am geplanten Drogen-TÜV – die neue Regierung ist offenbar selbst zugedröhnt“ – wie auch andere Medien unter Verweis auf die Bild-Zeitung – über das gleiche Thema. In der Bild-Zeitung (Printausgabe vom 4. Juli 2012) sagte die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Mechthild Dyckmans (FDP), ein Drogen-TÜV sei „keine geeignete Maßnahme des Gesundheitsschutzes.“ Stattdessen werde Drogenkonsumenten eine „trügerische Sicherheit“ vorgegaukelt. „Untersuchungsergebnisse einzelner getesteter Proben lassen keine Rückschlüsse auf die Zusammensetzung anderer Einheiten zu“, warnte Dyckmans.

Ein Rückblick

Zur Erinnerung: Der Verein Eve & Rave ließ in den Jahren 1995 und 1996 in Berlin Woche für Woche Pillen und Pulver, die auf dem Schwarzmarkt kursierten, auf ihren Wirkstoffgehalt und auf Streckmittel hin untersuchen und veröffentlichte die Resultate in Pillenlisten und gab bei Bedarf auch Pillenwarnungen heraus. Die Staatsanwaltschaft ermittelte über ein Jahr lang, dann beschäftigten sich das Amts- und Landgericht über zwei Jahre lang mit der Materie. Das Landgericht entschied dann 1999, dass bei diesem Drug-Checking alles mit rechten Dingen zuging. Das Magazin Zitty 15/99 schrieb dann unter dem Titel „Pillen-TÜV legal“, dass die Sprecherin der Senatsverwaltung für Schule, Jugend und Sport, Almuth Draeger, erklärte, der Test „wiege die Raver in trügerischer Sicherheit.“ Einen Beweis für diese Behauptung legte sie nicht vor.

Die Befürworter des Drug-Checkings hielten dagegen, „dass die Veröffentlichung der Ergebnisse die Pillen entmystifiziere und vielen Konsumenten die mögliche Schädlichkeit erst bewusst mache. Außerdem funktioniere eine rationale Drogenaufklärung nur dann, wenn sowohl Drogenberater als auch Konsumenten wüssten, was überhaupt drin sei in den Pillen“, so Martina Kaluza in ihrem Zitty-Bericht. Felix Herzog, seinerzeit Professor an der juristischen Fakultät der Humboldt Universität zu Berlin, sah nun die Politik in Zugzwang: „Das erklärte Ziel der Drogenpolitik ist die Volksgesundheit. Daran gehen repressive Maßnahmen aber vorbei.“

Das erste Pill-Testing-Programm für die Partyszene wurde von August de Loor (Stichting Adviesburo Drugs) in Amsterdam im Jahr 1988 initialisiert und etabliert. Das Drug-Checking wurde anonym für jeden Interessierten durchgeführt. Seit den 90er Jahren gibt es in den Niederlanden ein nationales Drug-Checking-Programm und Monitoring-System als Maßnahme für den Gesundheitsschutz.
In der Schweiz initiierte die Zürcher Arbeitsgemeinschaft für Jugendprobleme (ZAGJP) im Sommer 1995 das erste Drug-Checking-Programm für Partydrogen nach dem Vorbild von Eve & Rave in Berlin. In der Folge wurde und wird von verschiedenen Institutionen Drug-Checking in der Schweiz durchgeführt. Auch in Österreich werden seit April 1997 Großveranstaltungen aufgesucht, auf denen unter hohem technischen und personellen Aufwand ein qualitatives und quantitatives Testing vor Ort angeboten wird. ChEck iT! ist ein von der Stadt Wien finanziertes wissenschaftliches Pilotprojekt. Durchgeführt wird es vom Verein Wiener Sozialprojekte, dem klinischen Institut für medizinische und chemische Labordiagnostik des allgemeinen Krankenhauses Wien sowie der Drogenkoordination der Stadt Wien.

Sowohl in den Niederlanden als auch in Österreich und der Schweiz ist man zur Erkenntnis gelangt, dass Drug-Checking eine Interventionsstrategie zur Erhaltung der Gesundheit ist, da die genaue Kenntnis von Dosierung und Wirkstoffzusammensetzung einer Droge den potenziellen Gebrauchern derselben das objektiv bestehende Gefahrenpotenzial vergegenwärtigt und somit eine klare Grundlage für die subjektive Risikoabschätzung vor der eventuellen Einnahme schafft. Drug-Checking fördert somit den Lernprozess zu einem verträglichen Risikomanagement.

Auch das Europaparlament zählt zu den Befürwortern von Drogentests vor Ort an Partys. Im Februar 2003 sprach sich eine Übergroße Mehrheit des Europäischen Parlamentes für „mehr Zentren aus, wo Ecstasy-Pillen getestet werden können. Es sollten auch ausreichende Testmöglichkeiten auf Popfestivals oder bei Megadiscos bestehen.“ Dies berichtete die niederländische Zeitung Volkskrant am 14. Februar 2003. Insgesamt stimmten 407 Europaparlamentarier für mehr XTC-Tests, lediglich 46 stimmten dagegen.

Der Autorepeatsprung in Dyckmans Leier

Auf „abgeordnetenwatch.de“ wurde die Drogenbeauftragte Dyckmans in den letzten Jahren immer wieder zum Thema Drug-Checking befragt. In den Antworten finden sich immer wieder die gleichen Formulierungen wie: „Drug-Checking erscheint mir nicht als geeignetes Instrument der gesundheitlichen Prävention oder Schadensminderung“ oder „Drug-Checking spiegelt eine vermeintliche Sicherheit vor, die den Konsumierenden nicht gegeben werden kann“ oder auch „Drug-Checking spiegelt eine vermeintliche Sicherheit vor, da die getestete Probe wenig über Zusammensetzung, Wirkstoffgehalt oder gesundheitsgefährdende Beimischungen oder Verunreinigungen in weiteren, nicht getesteten Einheiten aussagt. Gerade bei Jugendlichen könnte der Eindruck entstehen, dass es sich um ein „unbedenkliches“ und von offizieller Seite geprüftes Produkt handelt.“

Für ihre Behauptungen hat die Drogenbeauftragte nie eine wissenschaftliche Studie angegeben. Es handelt sich um Behauptungen ohne Quellenangaben. Für die Feststellung der Befürworter von Drug-Checking, nämlich, dass Drug-Checking durchaus ein geeignetes Instrument der gesundheitlichen Prävention oder Schadensminderung sei, gibt es jedoch diverse Studien respektive Evaluierungen von Drug-Checking-Programmen. So z.B.: Ralph Thomas (im Auftrag der Gesundheits- und Fürsorgedirektion des Kantons Bern): Evaluation Projekt „Pilot e“ der Stiftung Contact Bern, Bern, Januar 2000 ; Benschop, A., Rabes, M., Korf, D.J., 2003: Pill Tesing – Ecstasy & Prävention. Eine wissenschaftliche Evaluationsstudie in drei Europäischen Städten. Amsterdam: Rozenberg Publishers.

Dyckmans wiederholt ihre Aussagen wie eine Schallplatte, die eine Sprung hat und immer wieder auf den gleichen Punkt der Rille zurückspringt. Doch auch wenn die Drogenbeauftragte ihre nicht belegten Behauptungen über Jahre hinweg immer aufs Neue wiederholt, werden diese dadurch nicht wahr.

Die wissenschaftlichen Studien zu Drug-Checking will sie ganz offensichtlich nicht zur Kenntnis nehmen. Offenbar ist nicht – wie einige Medien Anfang Juli berichteten – die neue Regierung in Schleswig-Holstein „zugedröhnt“, sondern die Drogenbeauftragte Mechthild Dyckmans.

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