Donnerstag, 30. August 2012

Eine Anleitung zum Schutz vor Strafverfolgung für Cannabispatienten (Teil 2 von 2)

Franjo Grotenhermen ist Vorstand und Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin

In der letzten Ausgabe des Hanf Journals wurden die ersten beiden Schritte vorgestellt, mit denen sich Patienten, die Cannabis verwenden, vor Strafverfolgungen schützen können. Viele Betroffene denken, dass sie keine Chance haben, ihren Cannabiskonsum zu legalisieren oder Cannabinoide aus der Apotheke zu verwenden, beispielsweise weil sie keinen Arzt finden, der sie unterstützt. Es ist dennoch wichtig, entsprechende Schritte in die richtige Richtung zu unternehmen, um sich im Falle eines Strafverfahrens besser verteidigen zu können. Nach meiner Erfahrung fühlen sich viele Patienten bereits sicherer, wenn ihnen ein Arzt Dronabinol oder Sativex verordnet hat und ihnen die Notwendigkeit einer Therapie mit Cannabinoiden attestiert hat.

Die beiden ersten Schritte lauteten:

1. Schritt: Sich informieren

2. Schritt: Arzt auf Cannabinoid-Medikamente ansprechen.

Siehe Hanf Journal #149.

Die letzten drei Schritte für eine Genehmigung zur Verwendung von Cannabis

3. Schritt
Kostenübernahme bei der Krankenkasse beantragen
Die Kosten einer Behandlung mit Cannabinoid-Medikamenten werden von den gesetzlichen Krankenkassen im Allgemeinen und von den privaten Krankenkassen häufig nicht erstattet. Da Dronabinol bei einer mittleren Tagesdosis von 10-20 mg monatlich etwa 250 bis 500 Euro kostet, ist dieses Medikament für viele Menschen nicht erschwinglich. Die Kosten für Sativex bewegen sich in der gleichen Größenordnung. Die Kosten einer Behandlung mit Sativex werden nur bei einer Verschreibung aufgrund einer Spastik bei Multiple Sklerose erstattet. Die Kosten einer Behandlung mit Dronabinol werden nur bei einer regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung oder einer vergleichbaren Erkrankung übernommen, wenn der Verlauf der Erkrankung durch das Medikament beeinflusst werden kann. Diese Voraussetzungen sind nur selten erfüllt. Der Antrag auf Übernahme der Kosten muss schriftlich erfolgen. Nur so haben Arzt und Patient etwas in der Hand, wenn die Erstattung der Kosten abgelehnt wird.

Variante 1:
Die Kosten werden von der Krankenkasse erstattet. Wenn die Kosten erstattet werden, gibt es grundsätzlich zwei Möglichkeiten. Zum einen besteht die Möglichkeit, dass das verschriebene Medikament gut wirkt. Es ist nicht das erste Mal, dass zuvor skeptische Patienten angenehm überrascht davon waren, wie gut diese Substanzen helfen können. In diesem Fall ist der Fall gelöst und die Verwendung von Cannabinoid-Medikamenten legalisiert. Andererseits besteht aber auch die Möglichkeit, dass die Medikamente aus der Apotheke nicht ausreichend wirken. Nicht selten stellen sie nur ein hilfreiches Zusatzmedikament zu natürlichem Cannabis dar, und die Wirkung ist nicht so gut ist wie natürlicher Cannabis. In diesem Fall ist der vierte Schritt angezeigt.

Variante 2:
Die Kosten werden von der Krankenkasse nicht erstattet. Auch jetzt gibt es zwei Möglichkeiten. Zum einen besteht die Möglichkeit, dass die benötigte Dosis so niedrig ist, dass die Kosten bewältigt werden können. Andererseits besteht die Möglichkeit, dass die privat aufzubringenden Kosten so hoch sind, dass eine kontinuierliche notwendige Behandlung nicht gewährleistet werden kann. Auch in diesem Fall ist der vierte Schritt angezeigt.

4. Schritt
Antrag auf Ausnahmeerlaubnis bei der Bundesopiumstelle
Wenn der Arzt festgestellt hat, dass eine Behandlung mit Cannabinoidmedikamenten erforderlich ist, sie jedoch wegen der privat aufzubringenden Kosten nicht durchgeführt werden kann, besteht für den Patienten die Möglichkeit, einen Antrag auf Ausnahmeerlaubnis zur Verwendung von Cannabis aus der Apotheke zu stellen. Dies gilt auch, wenn Dronabinol oder Sativex nicht ausreichend wirksam sind. Die Bundesopiumstelle beim BfArM (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte) hat dazu Merkblätter und Formulare auf ihre Internetseite gestellt (www.bfarm.de). Auf der Internetseite der IACM gibt es eine ausführliche Anleitung zur Antragstellung .

Bisher hat die Bundesopiumstelle aufgrund einer Weisung des Bundesgesundheitsministeriums nur Anträge auf eine Verwendung von Cannabis aus der Apotheke genehmigt. Dieser Apotheken-Cannabis wird aus den Niederlanden importiert und kostet in der Apotheke etwa 15 Euro pro Gramm. Es gibt mehrere Sorten mit einem THC-Gehalt von bis zu 18 Prozent.
War der Antrag auf eine Ausnahmeerlaubnis zur Verwendung von Cannabis aus der Apotheke erfolgreich, dann ist ein weiterer großer Schritt getan. Viele Erlaubnisinhaber bauen trotz der Erlaubnis weiterhin Cannabis an, weil sie sich den Cannabis aus der Apotheke nicht in dem nötigen Umfang leisten können. Sie kaufen in unregelmäßigen Abständen in der Apotheke ein, so wie es ihre finanziellen Möglichkeiten erlauben. Werden sie nun beim illegalen Anbau erwischt, dann ist ihr Schutz vor hohen Strafen sehr gut. Schließlich hat sogar eine Behörde der Bundesrepublik Deutschland – die Bundesopiumstelle – festgestellt, dass eine Behandlung mit Cannabisprodukten erforderlich ist. Wenn ihre finanzielle Lage so aussieht, dass sie sich diesen Cannabis nicht vollständig aus der Apotheke leisten können, so sind die Chancen für einen Freispruch vor Gericht vermutlich groß.

5.Schritt: Antrag auf Eigenanbau von Cannabis bei der Bundesopiumstelle

Wenn ein Patient eine Erlaubnis zur Verwendung von Cannabis aus der Apotheke besitzt, sich den Apotheken-Cannabis finanziell jedoch nicht leisten kann, sollte er einen Antrag auf den Eigenanbau von Cannabis für persönliche medizinische Zwecke stellen. Ein solcher Antrag wurde bisher noch nicht genehmigt. Es gibt allerdings mindestens vier Antragsteller, die sich dieses Recht vor den Verwaltungsgerichten erstreiten wollen. Die ACM führt entsprechende Musterprozesse, die zur Zeit vor dem Oberverwaltungsgericht Münster anhängig sind.
Sollten diese Prozesse erfolgreich sein, so wird dieser Weg grundsätzlich auch anderen Patienten offen stehen. Den Fortgang dieser Prozesse können Sie in den ACM-Mitteilungen verfolgen. Dieser Newsletter kann kostenlos auf der IACM-Webseite abonniert werden.

Schlussfolgerung
Wer heute als Patient wegen illegalen Cannabisbesitzes vor Gericht steht, sollte zuvor Schritte, unternommen haben, um aus der Illegalität herauszukommen.
Häufig wird es nicht gelingen, einen legalen Zugang zu Cannabisprodukten zu bekommen, aber auch entsprechende Versuche sind von großer Bedeutung für die eigene rechtliche Situation und die Angst vor Strafverfolgung.

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