Bücherwände bis unter die hohe Stuckdecke. Weit über 100 Ordner, Lexika
und Fachbücher zu allen möglichen Themen. Die Altbauwohnung in Berlin
nahe Sonnenallee, hat sich zum eindrucksvollen Archiv entwickelt. Was
ansonsten noch im Kampf gegen Drogenlügen gebraucht wird, findet der
Computer schnell. Doch das Arbeitszimmer von Hans Cousto fasziniert vor
allem durch die chillige Atmosphäre. Der Mathematiker und
Musikwissenschaftler sitzt am Boden zwischen orientalischen Kissen und
erzählt, wie er dazu kam, sein Leben unter anderem der Drogenbefreiung
zu widmen.
„Der erste Impuls war mein unabdingbarer Freiheitsdrang. Ich lasse mich
nicht bevormunden. Wenn ich Drogen konsumieren möchte, ist das meine
Sache und nicht die der Politiker. Erst recht, wenn die keine Ahnung
haben. Schließlich schade ich keinem Menschen.“ Das galt schon 1969,
als er in seiner Heimatstadt Zürich in der Arbeitsgemeinschaft Drogen
des Autonomen Jugendzentrums aktiv war. Mittlerweile ist Hans Cousto
mit 54 Jahren nicht mehr ganz so jung, betont aber, er „gehe immer noch
gerne abfeiern“ und ist nicht weniger engagiert.
Nach dem Studium in Zürich zog es ihn nach Indien, Kaschmir und
Afghanistan. Dort bekam er auf dem Land bei Bauern die Hanfkultur- und
Herstellung vermittelt.
Verteufelung der Hanfpflanze und ihrer vielfältigen Produkte kann er
daher nur schwer hinnehmen: „In dem ganzen Bereich wird so viel
gelogen.“ Engagiert berichtet er von den vielen Lügen und
Halbwahrheiten auf www.drugcom.de, der offiziellen Seite der
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. „Das ist der Hammer, was
da drin steht. Fachliche Fehler, manipulative Formulierungen“,
entrüstet sich Hans Cousto. In dem Drogenlexikon auf der Internetseite
heißt es beispielsweise, dass Streckmittel ein gängiger Bestandteil von
Haschisch seien. Er sieht ganz klar eine Diskriminierung all derer, die
sauberes Haschisch herstellen. Und seine These „Manipulation statt
Information ist das“, stützt er auf gute Argumente: Nicht einmal im
Rauschgiftjahresbericht 2000 des Bundeskriminalamts werden in der
Auswertung der Reinheitsgehalte der beschlagnahmten Drogen Streckmittel
im Zusammenhang mit Haschisch erwähnt. Daher hat er ein Projekt
gestartet, dass dazu aufrief, Fehler auf www.drugcom.de zu finden und
zu belegen. Schüler, Professoren und fachkompetente Menschen haben
geantwortet.
Warum der ganze Aufwand? Er kann einfach nicht zusehen, wie „aus
politischen Gründen eine ganze Generation für blöd verkauft wird“. Das
ist es ihm wert. Aufklären will er. Mehrere wissenschaftliche Bücher
hat er schon erfolgreich veröffentlicht: die meisten zu seiner zweiten
Leidenschaft, der Vertonung der molekularen Struktur beispielsweise des
THC-Moleküls. Sein neues Buch wird voraussichtlich Ende August
veröffentlicht werden. Titel: „Drogenmischkonsum – Genussoptimierung
Wirkung und Wechselwirkungen Gefahrenpotentiale Risikomanagement“.
Darin richtet er den Fokus besonders auf Drogenkompetenz und
Drogenmündigkeit. Diese zwei Eigenschaften will Hans Cousto auch ohne
den Zusatz „Drogen“ in der Gesellschaft fördern.
Mit Blick auf mehrere Jahrzehnte Drogenbefreiungspolitik sieht er heute
mehr Leute als vor 20 Jahren, die sich intensiv mit dem Thema
beschäftigt haben und eine Richtungsänderung von der Politik fordern.
„Es hat sich gezeigt, Repression hält Leute nicht ab und verhindert
nicht die Verfügbarkeit. Das einzige, was Repression verändert, ist das
„setting“, das neben „drug set“ (Material) und „set“ (körperlicher
Zustand) maßgeblich das Drogenerlebnis beeinflusst. Paranoia und
Angstzustände werden von drohenden Polizeikontrollen geradezu
herausgefordert“, erklärt Cousto.
Noch etwas, das unbedingt gesagt werden muss: „Es geht nicht nur um die
Legalisierung von Cannabis. Da wird nur eine Grenze verschoben“. In
seinen Augen reicht es nicht, wenn Kiffer bürgerlich werden. Wenn
Kiffer auf Ecstasy-Konsumenten herunterblicken und vielleicht sogar
noch wegen ihres Konsums anzeigen, dann wäre es das gleiche Verhältnis
wie die Alkis zu Kiffern jetzt, meint Hans Cousto. „Es geht um mehr, um
eine Drogengenusskultur, Selbstbestimmung, freies Denken und Handeln.
Verbote haben keine positive Wirkung. Überhaupt Pflanzen zu verbieten,
ist Gotteslästerung. Wenn es einen Gott gibt, ist Pflanzenverbot
Blasphemie, denn sie wurden von Gott geschaffen.“