Donnerstag, 2. Dezember 2004

Drogen-Jeanne d’Arc und Volkszerstörerin

Interview mit Julia Bonk

Julia Bonk ist PDS-Politikerin im sächsischen Landtag. Sie erreichte
innerhalb kürzester Zeit enorme Aufmerksamkeit durch ihren Auftritt im
„Schöner leben ohne Nazis“-T-Shirt und ihre Statements zum Thema
Drogen. Sie ist für die Legalisierung aller illegalisierten Substanzen.


Julia Bonk:
Ich wurde unlängst von irgendeinem Bürger angezeigt worden,
weil ich angeblich  Kontakte in die illegale Drogenszene
unterhalten würde. Lustiger Vorwurf, bin gespannt, ob da was kommt.


Hanf Journal:
Aber Kontakte sind ja nicht illegal


Julia Bonk:
Das ist kein Straftatbestand, deswegen wird der arme Bürger
wahrscheinlich total leer ausgehen in seiner scheinbaren
Gerechtigkeitssucht.


Hanf Journal:
Das kam jetzt aufgrund dieser ganzen Diskussion, oder was?


Julia Bonk:
Die BILD-Zeitung titelte „Ja, ich nehme Drogen“. Und
tatsächlich: Ich hab schon mal an ’ner Hasch-Zigarette gezogen. Das war
offensichtlich ja schon ein totaler Tabubruch für die Öffentlichkeit.


Hanf Journal:
Aber nicht inhaliert, hm?


Julia Bonk:
Auf die Diskussion würde ich mich dann wieder nicht einlassen, das wird dann echt peinlich.
Aber deswegen: Das hat dann jemand in der Zeitung gelesen und befunden,
dass das kriminell sein müsse und nun bin ich angezeigt. Aber da mach’
ich mir  keinen Kopf. Aber in den ganzen Kiffer-Foren hab ich auch
nicht unbedingt nur Positives gelesen über die ganze
Legalisierungsdebatte, die da angestoßen wurde. Ich hab’ das nicht
richtig verstanden. ist das weil die Kiffer nicht wollen, dass andere
Drogen mitlegalisiert werden, weil die denen dann sozusagen die eigene
Debatte versauen?

Aber ich bin da halt prinzipiell für Selbstbestimmung. Es ist ja auch
beispielsweise so, dass der Staat die Menschen Auto fahren lässt. Das
ist ja auch gefährlich, und deswegen gibt es auch gleich immer
Sicherungssysteme dazu. Man darf Auto fahren, muss sich aber
anschnallen.


Hanf Journal:
Also, wir fanden das ja mal ganz erfrischend, dass sich
da ne PDS-Politikerin so kompetent zur Drogenpolitik äußert.


Julia Bonk:
Um ehrlich zu sein, war das keine Absicht. Ich hatte nicht
vor, mich hier zur Drogen-Jeanne d’Arc zu machen. Ich hab’ mich um die
Debatte nicht gerissen, bin jetzt aber auch froh, dass sie geführt
wird, wichtig ist sie ja. Und dann hat mich die BILD-Zeitung gefragt,
ob ich selber schon mal gekifft habe. Und da finde ich, ist es eben
auch die Aufgabe von leuten inder Öffentlichkeit, so eine Redetabu zu
durchbrechen. Denn verbreitet ist Kiffen ja total, und trotzdem redet
keiner so recht darüber . Ich bin dafür ziemlich angefeindet worden.
Die NPD hat mich gar Volkszerstörerin genannt, aber damit kann ich
leben.


Hanf Journal:
Würdest du jetzt sagen, Legalisierung in Teilschritten, also erst Cannabis und dann der Rest, oder anders?


Julia Bonk:
Ich glaube, das ist eine Frage, die man in einer
gesellschaftlichen Diskussion aushandeln muss. Die Gesellschaft ist
einfach noch total verkrampft, weil es soviel Unwissenheit und Ängste
rund um das Thema Drogen gibt. Aber meiner Meinung nach müsste das
schon schrittweise gehen. Also jetzt nicht nach der Härte der Drogen,
sondern mit einer natürlichen Vorbereitungszeit. Weil natürlich eine
gewisse Vorbildung dazugehört in Form von Aufklärung in Schulen und so
weiter. Es muss natürlich einen gewissen Vorlauf geben, dass das
passieren kann. Ich finde nicht, dass man das dann staffeln müsste.
Also, erst Cannabis und dann die andern. Aber wenn jetzt Cannabis mal
legalisiert würde, dann wäre das natürlich ein super erster
Verhandlungserfolg.


Hanf Journal:
Sag, wie stellst du dir das eigentlich vor mit der
Legalisierung? Weil da gibt’s ja auch schon Probleme. Wie würdest du
zum Beispiel mit den Minderjährigen umgehen?


Julia Bonk:
Der Punkt ist ja, dass das Problem durch die
Kriminalisierung auch nicht behoben wird. Das muss einfach grundlegend
anders organisiert werden. Und das ist ja auch eine allgemeine Tendenz:
Junge Leute trinken eher Alkohol, fangen eher an zu rauchen. Und wie
man dem entgegenwirken kann . . . auf jeden Fall durch bessere
Aufklärung und witzige Aktionen zu Drogenkonsum. Ich bin nicht für eine
Freigabe von Cannabis für unter16-Jährige, das ist auch falsch zitiert
worden.


Hanf Journal:
Aber dadurch hören ja die unter 16-Jährigen nicht auf zu kiffen.


Julia Bonk:
Ich sehe das Problem. Und eigentlich bin ich ja auch für
die Selbstbestimmung Jüngerer. Der Punkt ist aber, dass man gucken
muss, was durchsetzbar und was sinnvoll ist. Der Konsum ist sicher
nicht verhinderbar, aber man muss halt versuchen, Schutzmechanismen
einzuziehen Weil die Leute eben erst fit gemacht werden ,müssen über
und mit Drogen, bevor sie selbstbestimmt damit umgehen können.


Hanf Journal:
Würdest du mal die für dich perfekte Drogenpolitik
skizzieren? Was könnte man alles kaufen, und wo, und mit welchen
Schranken?


Julia Bonk:
Also meiner Meinung nach sollten grundsätzliche jegliche
illegalisierte Substanzen mehr oder weniger frei zugänglich sein. Man
muss da natürlich Sicherungssysteme einbauen, indem man sagt: Bestimmte
Sachen eben nur in der Apotheke. Dann kann auch Qualitätssicherung und
Verbraucherschutz betrieben werden. Bei harten Sachen braucht es sicher
auch ’ne Beratungspflicht, dass man sich also vorher mit dem Apotheker
unterhalten muss. Dann sollte es auch noch mehr öffentliche Konsumräume
mit medizinischer Überwachung geben. Und man bräuchte natürlich auch
Netze, die einen auffangen, wenn Drogenkonsum kein Genuss mehr ist. Ich
finde aber  auch, dass Cannabis und seine Produkte relativ
öffentlich zugänglich verkauft werden könnten. Und natürlich sollte
Werbung für Drogen generell verboten werden.


Hanf Journal:
Mal ’ne Frage zum Medienrummel, der kam ja ganz schön plötzlich. Wie gehst du damit um?


Julia Bonk:
Man muss eben immer abwägen, ob man im jeweiligen Bericht
die Möglichkeit hat, seine Themen rüberzubringen. Was ich in der
Berichterstattung nicht mag ist, wenn ich zum teil nur auf mein
Aussehen reduziert werde.


Hanf Journal:
Du hättest auch die Möglichkeit gehabt, für die Grünen in
den Landtag zu gehen. Erklär’ doch mal deine Entscheidung.


Julia Bonk:
Also, ich wollte unbedingt eine linke alternative Politik
unterstützen. Die sind die Grünen wegen ihrer kriegs- und
sozialabbauunterstützenden Politik aber einfach nicht mehr.


Fazit: Ja, es gibt Hoffnung für die deutsche Politik. Wir brauchen mehr
solche kompetenten jungen politischen Menschen, die über ihre Ansichten
auch mal nachdenken, bevor sie sie in die Welt hinausposaunen!

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