Dienstag, 9. Mai 2006

Kein Schritt vor und zwei zurück

Ginge es nach dem Willen unserer Drogenbeauftragten, Frau Bätzing (SPD), hätte die deutsche Tabakindustrie gut Lachen.

Für Hanf-KonsumentInnen würde sich erst einmal. trotz der Ergebnisse der Studien des Max Planck-Institutes (wir berichteten) nichts ändern. In beiden Fällen schiebt Frau Bätzing den Bundesländern den Schwarzen Peter zu. Diese könnten in sowohl beim Rauchverbot an öffentlichen Plätzen als auch bei der Definition der „geringen Menge“ zuerst Regelungen treffen. Sollten die nicht ausreichen, so könne man sich in der Zukunft mal Gedanken auf Bundesebene machen, ob Gesetzesänderungen notwendig seien. Konkrete Termine oder gar Gesetzesentwürfe liegen noch nicht vor. Im Klartext heißt das, dass sich ein Ministerium nun schon seit zwölf Jahren davor drückt, eine vom Bundesverfassungsgericht geforderte Regelung zu schaffen, die bundesweit gilt. Im Falle des Nichtraucherschutzes setzt sie sich sogar über eine Richtlinie hinweg, die in unseren Nachbarstaaten bereits zum Großteil umgesetzt ist. Egal, wie die Meinung der Bundesregierung zu diesem Thema ist, wer sich entscheidet, EU-Richtlinien anzuerkennen, hat dies auch zu tun, ohne Wenn und Aber.
Unsere Hoffnung zu Beginn ihrer Amtszeit, dass im Bundesgesundheitsministerium mit einer jungen Drogenbeauftragten ein frischer Wind wehen könnte, hat sich ziemlich schnell als Wunschdenken erwiesen. Da unsere Volksvertreterin noch nicht einmal auf einen Interview-Wunsch unserer Zeitung einging, sich auf den offenen Brief vom Februar diesen Jahren nicht meldete und auch sonst den Kontakt zur „Zielgruppe“ ganz und gar nicht sucht, gibt es ab jetzt wieder alle zwei Monate Feuer. Ab dieser Ausgabe können unsere LeserInnen nachlesen, wie viele Ungereimtheiten und Schubkarrenladungen angefüllt mit Halbwissen zum Thema Drogenpolitik Sabine Bätzings Arbeitsplatz verlassen.
Immerhin ist schon zu ihr durchgedrungen, dass Nikotin die Einstiegsdroge ist, nur werden keine Konsequenzen gezogen, der Höhepunkt: Zur Fußball-WM werden erst kürzlich eingeführte Rauchverbote in Stadien mit ihrer Einwilligung teilweise aufgehoben.
Dass Rauchen und Cannabis-Konsum eigentlich zwei verschiedene Dinge sind und sich die Darreichungsform im Joint oder der Pfeife nur aufgrund unserer jahrhunderter alten (Tabak-)Rauchkultur durchgesetzt hat, ist anscheinend unbekannt. Eines der letzten Argumente der ProhibitionistInnen würde wegfallen und es gäbe noch einen Grund mehr, sich einer sachlichen Diskussion mit den LegalisierungsbefürworterInnen zu stellen. Da die sowieso schon die besseren Argumente haben, wird die ganze Sache mal wieder vertagt, verlegt und verlabert, jedoch nicht ohne vorher den Zusammenhang Marihuana und Jugendgefährdung ein paarmal zu erwähnen. Leider vergisst die Noch-Jungsozialistin, dass ein Schwarzmarkt nicht kontrollierbar ist und somit immer gefährlich sein wird, das hat sie seltsamerweise beim Heroin wiederum eingesehen.
Denn hier tut sich was und wie es aussieht, setzt die SPD gegen den Willen von CSU und Teilen der CDU schrittweise eine Heroinabgabe auf Rezept durch. Gut für die User, leider haben aber böse Zungen Recht behalten, die behaupteten, dass Heroin bei uns Jahre vor Cannabis verkehrsfähig würde. Selbstverständlich wird auch dieses heiße Eisen weiterhin gemieden, obwohl mittlerweile festgestellt wurde, dass die gängige Praxis des Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), alle Anträge von Cannabis-Patienten ohne Einzelfallprüfung abzulehnen, nicht mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Ähnliches gilt für das Führen von Fahrzeugen und Drogenkonsum (Artikel Seite 3). Es fühlt sich kein/e PolitikerIn der Bundesregierung verantwortlich, im Sinne der Kranken oder Betroffenen zu handeln. Die Urteile höchster deutscher Gerichte scheinen in punkto Drogenpolitik den Gesetzgeber nur noch dann zu kümmern, wenn sie ins ideologische Weltbild passen. Die so genannten „Väter des Grundgesetzes“ wollten der/dem BürgerIn die Möglichkeit geben, Gesetze zu kippen, die nicht dem Wohl der Bevölkerung dienen.
Was aber passiert, wenn sich die PolitikerInnen nicht an Richtersprüche halten, fällt ins Spezialgebiet für Verfassungsrechtler, eigentlich sollte es gar nicht so weit kommen. Fest steht: die Zielgruppe wird durch die derzeitige Drogenpolitik mit Sicherheit nicht erreicht (siehe Seite 2) und hat daher keine Zukunft. Denn ohne den Dialog mit den UserInnen wird es bei leeren Worten und Lippenbekenntnissen bleiben.

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