Mittwoch, 6. September 2006

Breitspiele

Berlin, Hotel Esplanade, 17. Juli 2006, 10 Uhr 30. Die Veranstaltung zur Preisverleihung „Spiel des Jahres“ kann beginnen. Der Spiele-Jahrgang 2006 sei ein guter, betont ein Jurymitglied. Und da sich nicht alle Spiele für Familien, Spielanfänger und Vielspieler gleichermaßen eignen, gab es in diesem Jahr zwei Sonderpreise: „Caylus“ (bestes komplexes Spiel) und „Schatten über Camelot“ (bestes fantastisches Spiel). Die Preisträger kommen auf die Bühne, nehmen übergroße Pöppel (Spielfiguren) in Empfang und bedanken sich beim Publikum. Dann werden kurz und knapp die fünf nominierten Kinderspiele vorgestellt und der blaue Umschlag geöffnet: „Der Schwarze Pirat“ darf sich ab sofort „Kinderspiel des Jahres“ nennen. Wieder werden die Pöppel in den Händen gehalten und ein paar Dankesworte gesprochen. Die Spannung steigt.

Stefan Duksch, erster Vorstand des Vereins Spiel des Jahres stellt die Nominierten vor: „Seeräuber“, „Aqua Romana“, „Just 4 Fun“, „Thurn und Taxis“ und „Blue Moon City“. Der rote Umschlag offenbart den Sieger: „Thurn und Taxis“. Nachdem die beiden Erfinder des Spiels Karen und Andreas Seyfarth ihre Pöppel in den Händen halten, erklärt Bernd Brunnhofer, dass sie den Namen der Familie Thurn und Taxis einfach so benutzen dürften. Eine höfliche Anfrage habe genügt.

Nur gut, dass ich schon vor ein paar Wochen ein Rezensionsexemplar bekommen und „Thurn und Taxis“ diverse Male gespielt habe. Dazu gesellen sich „Just 4 fun“ und „Hart an der Grenze“. Letzteres hat es aus Brasilien direkt auf die Empfehlungsliste geschafft.

Taktik, Glück
Thurn und Taxis –

– Sieht hübsch aus:
Dezente Farben und der übersichtliche Spielplan erstreckt sich von Lodz bis Mannheim im Norden und von Basel bis Salzburg im Süden. Dazwischen liegen etliche Städte, in denen Poststationen errichtet werden. Außerdem gibt es ein paar Felder für Siegpunktplättchen und -karten und sechs Felder für die aktuellen Stadtkarten. Jeder Spieler kriegt noch 20 Poststationen und das Spiel kann beginnen.

– Hat simple Regeln:
Wer dran ist, muss eine Stadtkarte nehmen, muss eine Karte vor sich auslegen (eine Strecke eröffnen oder erweitern) und kann eine Strecke abrechnen und dafür eventuell Siegpunkte kassieren. Jeweils eine Zusatzaktion pro Zug peppen das Ganze noch auf.

– Mit einigen Finessen:
Eine Strecke muss aus mindestens drei Stadtkarten bestehen, die logischerweise in der richtigen Reihenfolge liegen müssen. Angelegt werden kann nur an den Enden der Strecke. Führt eine Route durch mehrere Länder und wird abgerechnet, hat man die Qual der Wahl: Entweder stellt man seine Posthäuschen in jede Stadt eines Landes oder in eine Stadt jeden Landes ein Häuschen. Für welche Option man sich entscheidet, hängt mal wieder von den zu ergatternden Siegpunkten ab.

– Etlichen Bonusplättchen:
Die gibt es für Strecken, die aus mindestens fünf Städten bestehen und für das Besetzen ganzer beziehungsweise zweier Länder. Wer in jedem Land außerhalb Bayerns ein Städtchen hat, sahnt ebenfalls kräftig ab. Allerdings gilt auch hier: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst und kriegt die meisten Bonuspunkte.

– Und natürlich Postkutschen:
Baut man eine Strecke so lang wie die nächst größere Postkutsche, legt man diese vor sich hin. Bringt Siegpunkte und wer als erster eine Siebener-Kutsche vor sich liegen hat, läutet die letzte Runde ein.

– Wenn da nicht noch die Poststationen wären:
Wer die letzte seiner 20 Stationen baut, beendet ebenfalls das Spiel. Allerdings kommen bis zum Startspieler wie schon bei der Kutsche alle noch mal dran und dann können Siegpunkte gezählt werden. Wie gehabt, es gewinnt, wer die meisten hat.

Fazit:
„Thurn und Taxis“ hat wohl nicht nur der gleichnamigen Gloria Spaß gemacht, sondern ich gebe es zu, auch mir gefällt es ziemlich gut und wenn jemand vorbeikommt und Lust auf eine Runde „Thurn und Taxis“ hat, sage ich bestimmt nicht Nein.
Note: 2

Glück, Taktik
Just 4 Fun

War ebenfalls nominiert, aber eben nur nominiert. Was vielleicht auch am Design des Spiels liegen mag, besonders hübsch ist es nicht. Dafür ist die Spielregel ganz kurz und leicht verständlich. Es gilt das alte Prinzip: Vier Steine der eigenen Farbe in eine Reihe (senkrecht, waagrecht oder diagonal) bringen und so gewinnen. Wenn da nicht die Mitspieler wären, denn bis zu vier Mitspieler versuchen, den anderen den Sieg zu vermasseln. Wo man seine Steine hinsetzt, bestimmen die Handkarten. Die Felder des Spielbretts reichen von 1 bis 36 und die Karten zeigen Zahlenwerte von 1 bis 19. Logischerweise kann man so viele Karten ausspielen, wie man möchte, und die Summe der Kartenwerte gibt an, wo man den Stein platziert. Kurz gesagt, wer „Just 4 Fun“ spielen will, sollte addieren können. Das war es und es macht Spaß, zumindest allen, die abstrakte Spiele mögen, was mit Zahlen anfangen können und vor allem wollen. Dann bleibt es auch nicht bei einer Runde.
Note: 3+

Bluff
Hart an der Grenze

Seltsamer Titel, aber es ist tatsächlich hart an der Grenze. Denn in diesem Spiel wird geschmuggelt, was das Zeug hält. Und damit das auch alles schön stilvoll ist, kriegt jeder der Mitspieler einen stylishen Koffer. Ich bevorzuge den ledernen, andere den Alukoffer mit den hübschen Einschusslöchern, einzig der „Siedler von Catan“-Koffer bleibt meist in der Kiste liegen. Die Regeln sind simpel. Drei Runden lang versuchen die Schmuggler unter den Augen des Sheriffs (die Rolle übernimmt in jeder Runde jeder einmal) über die Grenze zu kriegen.

Der Zug: Jeder hat fünf Karten auf denen Waren abgebildet sind: Legal sind Krüge, Rasseln und Sombreros. Völlig illegal sind natürlich Zigarren, Tequila und Statuen. Alle packen ihre Koffer und da ertönt auch schon die Stimme des Sheriffs: „Was ist denn in den Koffern?“. „Drei Sombreros“, „Zwei Krüge“, „Ich hab vier Rasseln“, sind die eher kleinlauten Antworten. Denn angesagt werden muss die richtige Anzahl der Warenkarten und eine Warenart, ob die überhaupt im Koffer ist, ist völlig egal.

Der Sheriff entscheidet sich, den Koffer mit den vier Rasseln zu kontrollieren. Sofort öffnet der Besitzer seinen Koffer und was ist drin: Vier Rasseln, deshalb wird er für die Falschanschuldigung auch entschädigt. Hätte die Ansage nicht gestimmt, wären natürlich Strafzölle fällig gewesen. Dann beschlagnahmt der Sheriff den Koffer mit den beiden Krügen und was kommt da zum Vorschein? Zwei Flaschen Tequila. Sofort fangen die Augen des Sheriffs an zu leuchten, denn die beiden Flaschen gehen direkt in seinen Besitz über.

Alle Waren, die sich jetzt noch in den Koffern der Spieler befinden, werden dahinter gelegt. Dann heißt es wieder Kartenhand auf Fünf auffüllen, Karten in den Koffer, Unschuldsmiene aufsetzen und bei Bedarf den Sheriff bei ’ner Kontrolle schmieren, damit der nicht in den Koffer schaut. Waren alle einmal Sheriff, ist die erste von drei Runden beendet. Von den geschmuggelten Waren können jetzt drei Karten unter den Koffer geschoben werden, denn am Ende des Spiels können die für die doppelte Kohle verkauft werden. Alle anderen Karten werden sofort verkauft. Wer jetzt am wenigsten Geld hat, bestimmt, wer in der neuen Runde der erste Sheriff wird und weiter geht’s. „Vier Sombreros“, „Ich hab nur eine Rassel“, „Zwei Krüge“ … Skeptische Blicke des Sheriffs …
Nach der dritten Runde werden die Karten unter den Koffern veräußert. Allerdings können von jeder Ware nur eine bestimmte Anzahl für die doppelte Kohle verkauft werden. Wer die meisten Karten der entsprechenden Ware hat, beginnt – und wie das so ist, bleibt für die anderen oft nicht mehr viel übrig. Aber das findet ihr alles selbst sehr schnell raus, wenn ihr euch auf ne Runde „Hart an der Grenze“ einlasst. Es gewinnt der mit der meisten Kohle, versteht sich.
Note: 3+

Thurn und Taxis
Autor: Karen und Andreas Seyfarth
Verlag: Hans im Glück
Spieler: 2–4
Dauer: ca. 1 Stunde
Alter: ab 10
Preis: ca. 25 Euro
Just 4 Fun
Autor: Jürgen P. K. Grunau
Verlag: Kosmos
Spieler: 2–4
Dauer: ca. ½ Stunde
Alter: ab 10
Preis: ca. 25 Euro
Hart an der Grenze
Autor: André Zatz und Sergio Halaban
Verlag: Kosmos
Spieler: 3–6
Dauer: ca. 1 Stunde
Alter: ab 10
Preis: ca. 25 Euro
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