Donnerstag, 15. März 2007

Feuer auf Sabine Bätzing

Zwischen Fürsorge und Sicherheitsdiktatur

Drogenbeauftragte fordert ein generelles Rauchverbot in Autos
und die Bundesregierung prüft offenbar, das Rauchen in Fahrzeugen gänzlich zu untersagen. Die Antiraucherkampagne der
Bundesdrogenbeauftragten Sabine Bätzing entfernt sich immer mehr vom Aspekt der Fürsorge
in Richtung einer Sicherheitsdiktatur unter dem Vorwand der Volksgesundheit zu dienen.
Rauchverbot in Autos
Nach den Worten ihrer Drogenbeauftragten, Sabine Bätzing (SPD), ist in der Bundesregierung ein Rauchverbot in Autos im Gespräch. „Wir prüfen gerade, ob und wie es möglich ist, Rauchen beim Autofahren zu verbieten“, sagte Bätzing Mitte Februar gegenüber Pressevertretern. Sie halte ein Verbot „für dringend erforderlich“. Bätzing räumte zwar ein, dass ein Rauchverbot im Auto einen Eingriff in die Privatsphäre des Einzelnen bedeuten würde. „Aber wir müssen uns ernsthaft fragen, ob Verkehrssicherheit und Gesundheitsschutz nicht höher zu bewerten sind. (…) Im Inneren des Fahrzeuges ist die Gesundheitsgefahr durch den Qualm schließlich um ein Vielfaches höher als in anderen Bereichen.“ Die Prüfung werde innerhalb der Regierung jetzt weiter vorangetrieben. Focus-Online-Redakteur Martin Vogt kommentierte die Ambitionen der Drogenbeauftragten treffend mit den Worten: „Wer ein Rauchverbot im eigenen Auto fordert, will ganz offenbar eine andere Gesellschaft: Die Diktatur von Gesundheit und Sicherheit. Ein beklemmendes und unmenschliches Szenario.“
Fremdgefährung beim Autofahren
Generell gilt: Wer alleine im Auto fährt, schädigt andere durch Auspuffgase, ob der Fahrer dabei raucht oder nicht, ändert nichts an der Schädigung Dritter. Ein generelles Rauchverbot in Autos mindert die Fremdgefährdung nicht. Entscheidend für den Grad der Fremdgefährung ist das Maß des Ausstosses von Kohlendioxyd (CO2), wobei dieser maßgeblich vom Gesamtgewicht des Autos abhängig ist. Um die Fremdgefährdung durch den Straßenverkehr zu mindern, plant EU-Kommissar Verheugen als verbindliches Ziel, den durchschnittlichen CO2-Ausstoß von Autos auf 120 respektive 130 Gramm pro Kilometer zu reduzieren. In der Debatte um den CO2-Ausstoß von Autos rücken die Dienstwagen der Bundesminister immer stärker in die Kritik. Die Deutsche Umwelthilfe hat eine Rangliste der klimaschädlichsten Minister-Limousinen veröffentlicht. Die schlechtesten Werte beim Schadstoffausstoß erreicht demnach der Dienstwagen (Mercedes-Benz S500; 388 PS) von
Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) mit 286 Gramm CO2 pro Kilometer bei einem Verbrauch von durchschnittlich 15,7 Liter Superbenzin pro 100 Kilometer. In Sachen Umweltbelastung und Fremdgefährung nimmt ausgerechnet die Gesundheitsministerin die Spitzenposition ein.
Fremdgefährung beim Fliegen
Für einen Startvorgang eines Jumbo-Jets wird soviel Treibstoff benötigt wie ein durchschnittliches Auto derzeit für etwa 10.000 Kilometer verbraucht respektive in Zukunft für etwa 20.000 Kilometer.
Zudem haben die Kondensstreifen von Flugzeugen in der Atmosphäre starke Auswirkungen auf die Temperaturen am Boden. Das haben David Travis und Kollegen von der Universität von Wisconsin in Whitewater (USA) nach dem dreitägigen Flugverbot in Folge der Anschläge am 11. September 2001 in den USA gemessen. Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 bewegten sich außer einigen Militärmaschinen praktisch keine Flugzeuge über den USA. Zwischen Ohio und Virginia etwa, wo sonst täglich allein 700 bis 800 Flugzeuge unterwegs sind, flogen am 12. September nur neun Militärjets. Erstmals seit Jahrzehnten war der Himmel frei von Kondensstreifen. Messungen der
täglichen Temperaturspannen, also den Differenzen zwischen der höchsten Tages- und der tiefsten Nachttemperaturen, zeigten, dass diese um 1,1 bis 1,8 Grad Celsius über dem Durchschnittswert lagen. Ein Grund dafür war das Wegbleiben von Federwolken (Zirruswolken), deren Bildung durch Kondensstreifen gefördert wird. Federwolken mindern Tagsüber die Sonneneinstrahlung und während der Nacht die Abkühlung. Für das Ökosystem, dass auf bestimmte Temperaturdifferenzen zwischen Tag und Nacht eingestellt ist, ist der Flugverkehr schädlich. Dennoch engagieren sich viele Politiker für die Expansion des Flugverkehrs respektive für die Unterstützung des in Schwierigkeiten geratenen Flugzeugbauers Airbus. Mit diesem Engagement schädigen sie weit mehr die Umwelt als jeder Raucher am Steuer.
Krieg, Ostfront und Antiraucherkampagnen
Am 22. April 1939 wurde Dr. Leonardo Conti von Adolf Hitler zum Reichsgesundheitsführer ernannt. Conti reorganisierte die nationalsozialistische Drogenpolitik neu. Am 12. Juli 1939 rief er bei einer Tagung im Berliner Ärztehaus die neue „Reichsstelle gegen die Alkohol- und Tabakgefahren“ ins Leben. Conti unterstrich bei seiner Eröffnungsrede vor der Reichsstelle die „Schädlichkeit der Genußgifte“ Alkohol und Tabak. Er verneinte das „Recht auf den eigenen Körper“ und betonte stattdessen für den Einzelnen, die „Pflicht, soviel es an ihm liegt, alles zu tun, gesund zu sein und zu bleiben.“ Darüberhinaus forderte er ein Rauchverbot für Jugendliche. Am 26. Mai 1939 setzte Conti eine „freiwillige Selbstbeschränkung“ für die Werbewirtschaft betreff Alkohl und Tabak durch, wobei er auch die Tabakautomaten ins Visier nahm. Anfang Januar 1941, nachdem bereits Tabakwerbung in den Textteilen von Zeitungen und Zeitschriften und die Filmreklame verboten worden waren, wurde die Tabakwerbung in Verkehrsmitteln stark eingeschränkt und in der Folge ganz verboten. In der Hitlerjugend wurde die Abgabe von Tabak an Jugendliche unter 18 Jahren untersagt.
Kurz vor dem 2. Weltkrieg wurde die Antiraucherkampagne ins Leben gerufen und je weiter die
Ostfront gen Osten rückte, umso stärker wurde sie intensiviert. Gegen Kriegsende hatte man andere Sorgen und man hörte kaum noch was von der Antiraucherkampagne. Die Kampagne war jedoch gut geeignet, um die Aufmerksamkeit der Leute vom Kriegsgeschehen abzulenken und das Interesse auf die Volksgesundheit zu konzentrieren. Nach dem Krieg war Rauchen wieder „normal“ und gesellschaftlich akzeptiert. Dies galt bis zur Regierungszeit von Dr. Helmut Kohl (CDU), der mehrfach versicherte, es heiße nicht „Germans to the front“. Als Rot-Grün Ende der 90er Jahre die Regierungsgeschäfte übernahmen, hieß es auf einmal weider „Germans to the front“ und gleichzeitig wurden wieder Antiraucherkampagnen gestartet. Derzeit verläuft die Ostfront am Hindukusch und die Kampagne wird mit einer zuvor noch nicht gekannten Vehemenz geführt. Da drängt sich die Frage auf, ob die Bundesdrogenbeauftragte Sabine Bätzing sich hat instrumentalisieren lassen, um mit der Kampagne die Aufmerksamkeit der Leute vom Kriegsgeschehen abzulenken und auf die Aspekte der Volksgesundheit zu bündeln. Neu in der Geschichte wäre diese Phänomen nicht.
Quellen: har/AFP: Gesundheitsministerin Schmidt fährt den umweltschädlichsten Dienstwagen, in:
Spiegel-Online, 13. Februar 2007; Hans-Arthur Marsiske: US-Studie : Kondensstreifen beeinflussen
das Wetter, in: Spiegel-Online, 8. August 2002; Martin Vogt: Gesundheits- und Sicherheitsdiktatur, in:
Focus-Online, 18. Februar 2007; Tilmann Holzer, Die Geburt der Drogenpolitik aus dem Geist der
Rassenhygiene, Mannheim 2007, S. 275 ff.

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