Freitag, 6. Juli 2007

Rolys Silberscheiben des Monats Juni

Rezensionen: Roland Grieshammer

>> Avantgarde Pop
Björk: Volta (one little indian)

Willkommen im isländischem Experimentalklanglabor, Außenstelle London. Ihre letzten beiden Alben „Medúlla“ und „Drawing Restraint 9“ waren ja etwas kopflastig, doch die immer polarisierende, gute Frau, die von Wikipedia als Exzentrikerin betitelt wird, vermag ihre Anhänger auch mit ihrem sechsten Studio-Album wieder zu überraschen. Die Musik kommt auch auf „Volta“ zum Teil sehr schräg daher und das Spektrum ihrer Stimme wird nicht selten bis an die Grenze ausgelotet. Aber auch Frau Gudmundsdóttir hat ihre Hörner scheinbar etwas abgestossen und entsprechend ist das ganze Album runder und rhythmischer als viele seiner Vorgänger. Als Opener präsentiert uns die 42jährige gleich den von Timbaland produzierten Polit-Song „Earth Intruders“, der von einer menschlichen Tsunami-Welle phantasiert, die das Weiße Haus hinwegspült. Die neue Single überrascht durch verschiedene akkustische Wendungen und lädt am Ende mit irgendwelchen Schiffs- und Nebelhörner zum Entspannen im skandinavischen Fischerhafen ein. Der Song „Wanderlust“ ist dagegen richtig melodiös, wobei Björk natürlich mit Disharmonien in ihrer Stimme spielt – die herrlichen Waldhörner im Hintergrund tun ihr übriges! Die volle Ladung Blasinstrumente gibt’s dann, wenn mehrere Björkstimmen im Duett mit Antony Hegarty bei „The Dull Flame of Desire“ ganz in den Vordergrund treten und damit eine dichte, elegisch getragene Ballade mit einem subtilen Beat des Perkussionisten Brian Chippendale zum Allerbesten geben! Der derbe Breakbeat-Stomper „Innocence“ klingt sofort nach Timbaland, greift auf Elemente aus dem Synthiepop zurück und kommt teilweise sehr druckvoll, fast schon martialisch. Im hausmusikalischen Trance-Geplucker „I See Who You Are” hat Björk ein zehnköpfiges Blasorchester organisiert, das bei „Vertebrae By Vertebrae“ gleich da bleibt und einen typischen Björk Song unterstützt: Sie schnauft, zischt, stöhnt und schreit. Körper- und Stimmeinsatz bis zur Ekstase. Von einer fast apathischen Gelassenheit ist das geheimnisvolle, von Bläsern getragene „Pneumonia“, bei dem sehr ruhige Stimmen und im Hintergrund plätschernder Regen das Bild bestimmen. Auf „Hope“ trommelt der malische Perkussionist Toumani Diabaté mit, textlich stellt Björk im Zusammenhang mit einem Selbstmordattentäter die Frage nach dem Bösen. Abgefahren, elektronisch und tanzwütig gibt sich dagegen das feministische „Declare Independance“, mit dem Björk in beeindruckender Weise an ihre Punkzeit mit den Sugarcubes anknüpft. Gemeinsam geschrieben und produziert mit Mark Bell (LFO) skandiert Björk „Don’t let them do that to you / make your own flag“ streng auf einen kaputten Rhythmus ihren Geschlechtsgenossinnen entgegen. Zum Schluss erklingt mit „My Juvenlie“ wieder die chinesische Pipa von Min Xiao-Fen und das zweite Duett mit Antony. Mit der Hilfe von Beat-Meister Timbaland sowie Langzeitkollaborateur Mark Bell findet Björk ansatzweise zurück in mehr oder weniger begreifbare Sphären aus Electronica, Avantgarde und Popmusik und gestaltet das Verhältnis zwischen zugänglich und verschroben annähernd ausgeglichen. Als normal ist aber auch ein Werk wie „Volta“ nicht zu bezeichnen. Und so bin ich begeistert und wieder frisch verliebt!

www.bjork.com/unity
www.myspace.com/bjork

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>> Soul / Boogie
Various: Maiden Voyage (compost records)

Nachdem das Münchener Label kürzlich bereits mit „Compost Black Label Series Vol.2“ die Vielseitigkeit von House untermauert und darüber hinaus mit Ben Mono’s „Hit The Bit“ ein unglaubliches Werk, das mit seinem düsteren Electro Vibe irgendwo zwischen Cybotron und Prince liegt, veröffentlicht hat, erscheint nun „a journey into the world of soul and boogie“. Als Herbie Hancock 1965 mit „Maiden Voyage“ einen Jazz-Meilenstein schuf, wusste man noch nicht mal im Ansatz, dass die Disco & Boogie-Ära 10-20 Jahre später die Radios und Clubs dieser Welt beherrschen sollte. Doch Herbie Hancock war immer so freigeistlich und voller kreativer Power, dass er all diese Phasen/Epochen (HipHop – nicht zu vergessen) nicht nur miterlebte, sondern auch mitgestaltete. Vielleicht haben die Compostler Rainer Trüby, Theo Thoennesen und Roland Appel deshalb ihre (un)-regelmäßige Clubnight im Atomic Café zu München und nun erste Compilation danach benannt ?! Jedoch sind die drei Compiler nicht umsonst bekannt für ihre exquisite Plattensammlung und DJ-Kunst. Man wollte unter dem Schirm von tiefgehendem Boogie die Elemente Funk, Soul und Jazz vereinigen. Nohelani Cypriano’s „Lihue“ ist sogleich ein ganz starker hawaiianischer Auftakt von 1977, und der grandiose König des Jazz Funk Roy Ayers führt diesen warmen, beschwingten Vibe mit seinem 80er „Love Fantasy“-Release „(Sometimes) Believe in Yourself“ weiter. Toto’s „Georgy Porgy“ in der Disco Version mit Cheryl Lynn und der Rare Groove Klassiker „The Way We Live“ von Raw Soul Express liegen ebenso angenehm in den Ohren wie High Energy’s 78er Motown-Hymne „Lovin’ Fever“, Norman Connors’ Modern Soul Kollaboration „She’s Gone“ mit Beau Williams und Xavier’s supersüsser Mover „Love Is On The One“. Der vielleicht beste Song von Diana Ross als Solo-Künstlerin ist mit dem Boogie-Meilenstein „Tenderness“ vertreten, und Cameo’s unsterbliche Jazz-Ballade „Love You Anyway“ aus dem Jahre 1984 vom legendären „She’s Strange“-Album sorgt auch heute noch für Wohlbefinden. Hubert Laws und seine Schwester Debra kommen mit „Land Of Passion“ und „Very Special“ im familiären Doppelpack, und schliesslich geht dieser essentielle Sampler ins grosse Finale: James Mason’s spaciges, soulgetränktes „I Want Your Love“ ist eine echte Rarität – elf Minuten Boogie in Zeitlupe und absolut zeitlos! Und nach Alicia Myers’ grossartigem Paradise Garage Hit „I Want To Thank You“ bleibt mir nichts anderes übrig als „Maiden Voyage“ nochmals von vorne zu hören. Diese Compilation ist die längst überfällige, relaxte Balance zu den brennenden Salsoul-Reanimationen und „Kings of Disco“ Tanzflächenfüller. Soulful Boogie Stuff der Marke „Insider“ und „Liebhaber“!

www.compost-records.com

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>> Drum&Bass / Electronica
Klute: The Emperor’s New Clothes (commercial suicide)

In den 80ern noch Drummer der legendären Punk Band The Stupids, fand der Londoner Tom Withers über Rave, Detroit und Breakbeat zu seiner Liebe Drum’n’Bass. Dieser Background schimmert auch in seinen Produktionen immer wieder durch: technisch versiert, überaus tanzbar und unglaublich vielseitig. Düstere Basslines, verspielte Dancefloor-Kracher, abstrakt technoide Beats – Klute beherrscht sie alle. Als ein Fixpunkt in der Drum’n’Bass-Landschaft, nie ganz im Zentrum des Geschehens, aber dennoch dieses fokussierend ist er einer der wenigen in diesem Genre, die immer noch kompositorisch forschen, suchen und schließlich finden, um beharrlich der musikalischen Schablone zu trotzen. Von Release zu Release werden Hörgewohnheiten in Frage gestellt und die Grenzen des Genres immer weiter ausgelotet, um diese letztendlich regelmäßig ad absurdum zu führen, jedoch immer mit einem Augenzwinkern. So kann schon behauptet werden, dass Alben von Klute für die kleine Drum’n’Bass Gemeinde immer noch ein ziemliches Ereignis darstellen. Von kaum einem anderen Künstler verspricht man sich sonst soviel „Neues“. Mit seinem fünften Album „The Emperor’s New Clothes” geht der Pionier erneut auf Grenzerfahrung und selten hat sich ein Album so live eingespielt angefühlt. Heraus sticht „174 bpm“, ein düsterer Halftimetune sondergleichen. Dubstep scheint langsam wieder zu Drum’n’Bass zurückzuwandern – und das ist gut so! Im Vergleich zu seinen bisherigen Alben wirkt alles konzentrierter, etwas dezenter und dadurch nur noch kräftiger. Die Basslines klingen oft, als wären sie gerade zum Rest dazugezupft worden, was der ganzen Sache beinahe ein Rockfeeling gibt. Insgesamt dominieren getragene Stimmungen – treibend, atmosphärisch, melancholisch. Wer sonst produziert etwas, was man sowohl zu Hause als auch im Club spielen kann? Stur monotone Tracks wie „Freedom Come“, die Kooperation mit Calibre, sind eher schwächere Tunes. Doch mit „Never Never“, „The Struggle“, „Our Leader“,„Property Is Theft“, “Hell Hath No Fury” und “Revolution” zeigt sich Fulltime-Klute von seiner ganz starken Seite. Außerdem verbreiten Tracks wie „Shirtless“ zwischendurch auch mal eine ziemlich paranoide Stimmung. Die CD-Version beinhaltet noch bereits auf Vinyl erschienene Stücke und eine zweite CD mit – wie beim vorletzten Album – erstklassigen elektronischen Spielereien im Klute-Style: „I think there’s a stigma about Drum’n’Bass to people outside the scene. You see, I’m not interested in any ‘scene’ that dictates a boundary. Liquid Funk, Drum Funk, Tech Step, to me anyone sound all night long is dull.“ So sieht’s aus – grossartig!

www.commercialsuicide.org
www.myspace.com/commercialsuiciderecords

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>> Drum&Bass
Various: Weapons Of Mass Creation 3 (hospital)

In der Geschichte der unzähligen Compilations gab und gibt es wohl keine einzige, die einem Musikliebhaber durchgehend gefällt. Aus der erfolgreichen Serie „Weapons Of Mass Creation“ erscheint nun der mittlerweile dritte Teil auf dem englischen Label Hospital Records, erhältlich auch als Triple Vinyl und – obwohl Labelchef Tony Colman ein Verfechter des schwarzen Goldes ist – als mp3. Diese „War On Vinyl“ Geschichte ist in der Theorie ja eine vorbildliche Sache, in der Praxis jedoch der völlig falsche Ansatz. Für die CD wurden einige der aktuellen Hospital-Tunes ausgewählt, darunter der London Electricity-Remix von Hard-Fi’s „Hard To Beat“, der als Intro gleich mal sehr housig daherkommt. Sonic liefert mit „Electrosound“ ein eben solches Teil, was vor sich hingroovt. Nachdem Apex feat. Ayah mit „Space Between“ eine relaxte Stimmung verbreiten, sorgen Blame und The Pedge mit „Avalon“ für etwas mehr Euphorie. Künstler wie Cyantific sind entweder richtig gut oder das komplette Gegenteil, und „Space Station Crew“ ist bis auf das Break wohl eher letzteres. Diese Sounds, die so klingen, als würde gerade ein Handy kaputt gehen, sind immer wieder stark enervierend. Dagegen ist der Logistics Remix von London Electricitys „The Great Drum&Bass Swindle” ein wahrer Segen! Auch German Support Syncopix überzeugt mit „Collateral“ an der Seite von Tomahawk. Der CLS Tune „Their Names Were Trot And Melon“ sticht offensichtlich heraus und geht mit grandiosen Oldschool Vibes perfekt nach vorne. Da mir dieser Sound persönlich in jeder Hinsicht mehr gibt als das belanglose Gedudel von heute, bin ich auch ein leidenschaftlicher Verfechter dessen und weiss es zu schätzen, wenn A-Sides bei „Crabs In A Bucket“ dieses Oldskool Gewitter im gleichen Gewand von damals auf dem produktionstechnischen Niveau von heute bringt. Hier ist dann die Begrifflichkeit „Drum&Bass“ auch endlich mal wieder angemessen. Keine Ahnung, was L.A.O.S. mir mit „Panda Style“ sagen möchte, aber Danny Byrd groovt typisch, wobei diese pendulum-mässigen Rave-Pop-Elemente mal wieder mehr als überflüssig sind. Den Abschluss besorgen mit Bungle + Index und Blue Mar Ten gute Menschen, vor denen ich den Hut ziehe. Ja, es ist eine klassische Compilation, doch man muss ihr zugute halten, dass sie abwechslungsreich ist und schon allein dadurch für mich das Label Hospital nach langer Zeit wieder aufwertet. Danny Byrd steuert auf der zweiten Disc den traditionell souveränen Mix bei und packt zu den 13 Tracks von CD 1 mit „Crystal Meth“, „Grassroots“ und „Box Fresh“ noch drei exklusive eigene Tracks dazu. Feine Sache, und ich geb’ mir jetzt noch mal CLS und A-Sides …

www.hospitalrecords.com

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>> Afro Punk
The Student Body Presents: Arts & Sciences (rubaiyat / phazz-a-delic)

Miasha Williams und Eric Porter aus Oakland/USA sind schon seit einiger Zeit musikalisch aktiv. Williams konnte sich als Spoken-Word-Artistin und Sängerin einen Namen machen und trat an legendären Orten wie dem CBGB’s oder dem Nu Yorican Poets Café in New York auf, während Musiker und DJ Porter bereits seine musikalischen Visionen aus Dub, HipHop, Ambient, Jazz und Indie-Rock als Opener für Outkast zum Besten gab und als Afrikan Sciences auf dem Bugz In The Attic-Label Bittasweet veröffentlichte. Als Duo gelingt den beiden die musikalische Umsetzung dessen, was James Spooner in seinem Film „Afro Punk“ zeigte – eine schwarze Musik, die Wut und Awareness zeigt, aber ohne die dicke Hose der Gangstarapper auskommt und weniger von einem bestimmten Sound geprägt als vielmehr von der Identität der Musiker beschrieben wird. Als Beispiele für Afro Punk nennt er so unterschiedliche Künstler wie Sun Ra, Spank Rock und die Bad Brains. Das Album des Künstlerpaares The Student Body ist nach dem Sampler „Female Future Transatlantic” die zweite Kooperation der Labels Rubaiyat, Phazzadelic und Moving Records, noch dazu besteht eine Allianz mit dem Fairtrade-Modelabel No Sweat. Auf „Arts & Sciences“ spielen die beiden zum ersten Mal zusammen. Das Resultat ist sehr progressives Material, das anfangs für Verwirrung sorgt, bis man einen Zugang zu dem ganz eigenen Soundkosmos und der sehr eigenen Lyrik findet. Kommt man an diesem Punkt an, ist „Art & Science“ Prodigy, Saul Williams, Radiohead, Bad Brains und auch Ladybug Mecca in einem. Die Musik reicht von wilden, punkigen Tracks wie „Boxes“, wo Punkgitarren auf Sequenzer-Beats treffen, bis zum zurückhaltenden Neun-Minuten-Stück „Drift Wit’It“, bei dem Miasha ihre expliziten Texte – zur Lage (nicht nur) der Schwarzen im gelobten Land called the US of A – über einem atmosphärisch-wohligen Klangteppich aus krummen, doch repetitiven Beats, verhallt gepickter Gitarre und Electro-Brummen ausbreitet. Auch house-clubbige Tracks wie „Hora“ oder „Broccoli” machen viel Spaß und dieses überhaupt nicht einzuordnende Album öffnet gerade durch seine teilweise wilde Mischung aus Spoken Poetry und Electronic neue Horizonte. „The Student Body“ sprechen über das, was sie da auf „Arts & Sciences“ abgeliefert haben sehr euphorisch, jedoch nicht unbedacht. Und das dürfen sie auch, denn die Zusammenarbeit der Heidelberger Labels Rubaiyat, Phazz-a-delic und Moving Records ist nicht nur der Mittelfinger an Kriegstreiberei, Globalisierung oder Ausbeutung – sondern vor allem der Massen frei von Schranken, dass man wirklich Respekt zollen muss. Diese Poesie liegt irgendwo zwischen Wut, Schönheit und Funkyness.

www.rubaiyat
www.myspace.com/rubaiyatmusic

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>> Disco Pop
Hot Chip: DJ Kicks (!K7 records)

Die DJ-Kicks-Serie hat ja schon in so manche DJ-Plattenkiste blicken lassen und ist für mich persönlich die Königin unter den Mix-Compilations. Da die aktuelle Folge von den Abräumern des letzten Jahres zusammen gestellt wurde, sind Interesse und Erwartung besonders groß. Sie waren für den Mercury Prize nominiert und in allen Jahrespolls 2006 ganz oben. Joe Goddard, Alexis Taylor, Owen Clarke, Felix Martin und Al Doyle zählen als Hot Chip zu den erfinderischsten Bands Großbritanniens, und viele Bandmitglieder bedeuten zwangsläufig ein breitgefächertes Repertoire an Styles, Einflüssen und Geschmäckern. Nach ihrem den Nerv treffenden „The Warning“ aus dem Jahre 2006 legen Hot Chip für DJ-Kicks ihren liebsten Platten auf – selbstverständlich „in the mix“. Vergesst den Spannungsbogen – es wird bunt, es wird ruhig, es bounct hier und klickert da. Man merkt sofort, dass die Tracks nicht wirklich harmonieren, sondern vielmehr den enormen Hintergrund der fünf englischen Jungs widerspiegeln. Der Opener von Grovesnor regt mit feinsinnigem und gefühlsechten Pop schon mal den Appetit an und führt direkt zu den HipHop Roots, die uns ständig umgeben. Positive Ks geniales „I Got A Man“ sollte man sich immer wieder ins Gewissen rufen. Nach einer kurzen Noise-Exkursion gehts über Minimal und Dub zu Hot Chips exklusiver Cut „My Piano“, ein nahezu perfekt geschliffener Balearic-Juwel, aus dem nicht nur das Titelinstrument hervorschimmert. Hot Chip ist es gelungen, ihren ganz eigenen, diesen percussionslastigen, warmen und gleichermaßen eingängigen wie komplexen Club-Sound zu kreieren, der auch schon ihre Hits „Over And Over“ und „Boy from School“ auszeichnete und der nun mit „My Piano“ dank eines unglaublichen Hooks eine würdige Forsetzung findet. Poppig-verspielt geht es auf einer kurzen Straße von „Wax Stag“ (superschön!) weiter zu einem meiner absoluten Lieblingsklassiker: New Order mit „Bizarre Love Triangle“ im Extended Remix von Meister Shep Pettibone ! Die Reise geht weiter zurück und hört sich nun wie Soul der typischen Südstaaten an. Zurück in der Gegenwart treffen wir Dominik Eulberg und gewinnen mit dem „Buchdrucker“ an Fahrt. Freue mich über „Film 2“ der Grauzone und den kurzen Besuch von Wookie, der im „Doppelwhipper“ (Live) von Gabriel Ananda mündet. Nach der Ära von John Lennon und wirrem Spulsound – „Just Fucking“ in Roman Flügel’s 23 Positions In A One-Night Stand Remix 😀 – erreicht uns noch das Disco Fever von Joe Jackson: Steppin’ Out. Und am Ende steht fest: „The Band was jumping, the people too”. Ray Charles hätte es nicht besser sagen können. Für den Umgang mit reichlich zersplittertem kulturellem Strandgut haben Hot Chip nachgewiesenermaßen ein Händchen. Das hier ist der Soundtrack zur besten Houseparty, auf der du nie gewesen bist!

www.hotchip.co.uk
www.dj-kicks.com/hotchip/
www.k7.com

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>> House
DJ Dixon: Body Language Vol. 4 (get physical)

Im Post-Mauerfall-Berlin verhinderten Offenbarungen auf den Tanzfluren solcher Clubs wie dem Tresor oder E-Werk, dass der damalige Jüngling weiter für eine Leichtathletik-Goldmedaille sprintete. Stattdessen nahm er die nötigen Lehrjahre vor und hinter den Plattenspielern und die erste wichtige Station in seinem DJ-Leben hiess WMF, wo er sich zusammen mit Mitja Prinz eine Mammut-Residenz teilte und kurz darauf über das Sonar Kollektiv um Jazzanova stolperte. Sein Wahoo-Projekt mit Georg Levin setzt neue Maßstäbe in Sachen Soulboy-Unterhaltung und das Label Innervisions, das er zusammen mit den Jungs von Âme betreibt, ist der schönste Housemusik-Designklassiker der Neuzeit. Mit seiner „Inner City“-Reihe im Weekend Club brachte er die Housemusik zurück nach Berlin und wieder auf die internationale Club-Landkarte. Nun steigt DJ Dixon mit seiner ersten regulären Mix-CD seit „Off Limits“ in die Fußstapfen von M.A.N.D.Y., DJ T und Jesse Rose und zimmert ein Paradebeispiel dessen, was ihn als DJ auszeichnet. Die etablierte Compilation-Reihe „Body Language“ in der vierten Auflage wird von DJ Dixon großartig gemixt, die smoothen Tracks perlen aus den Boxen, fesseln einen die gesamt Laufzeit über und laden trotzdem zum entspannten Nixtun ein. Das wohl durchdachte Tracklisting beginnt mit dem entspannten Timo Maas Album Track „Slip In Electro Kid“ im Dixon-Edit, der sich prima mit den Chromatics verträgt. Die spielen hier exklusiv ihr wunderbares „In The City“ vor, das schmachtender und balearischer nicht sein könnte. Auf das Konto von Owusu & Hannibal geht eines der tollsten Alben des vergangenen Jahres und „Whats It About“ ist der letzte Sleaze-Kracher, bevor das französische Doppel Eric Rug und Chateau Flight den Mix uptempo nehmen. Dann erscheint der Henrik-Schwarz-Remix von Marie Boines „Filer Til Voui“ mit Tränen des Glücks, die in Thom Yorkes „Eraser“ eine männliche Entsprechung erfährt, die dieses Gefühl wohlfühlender Unendlichkeit fortführt. Ein Doppelhöhepunkt! Stefan Goldmann schließt da mit der anzüglichen „Woman On Toilet“ an und leitet zu Larry Heards grandioser Acid-House-Reminiszenz „The Sun Can’t Compare“. Es folgt die dezent pumpende Hendrik Schwarz/Âme/Dixon Innervisions-Kollabo „Where We At Pt.2“. Und mit Karizma, Télépopmusik, der bezaubernden Tracy Horn im Buttrich-Rework und der wahnwitzigen Smith’n’Hack Bearbeitung von Herbert’s „Moving Like A Train“ könnte die Chose kaum besser enden. Mit einer Club-Nacht hat das hier recht wenig zu tun. Das enttäuscht aber nur bei falschen Erwartungen, denn zum entspannten Sofasitzen ist „Body Language Vol. 4“ der perfekte Soundtrack. Nach Anhören dieses Mixes dürfte man verstehen, warum sein „Innervisions-Sound“ gerade die Welt erobert und nicht auf Ibiza endet.

www.physical-music.com
www.myspace.com/justdixon

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>> House
Tiefschwarz: Black Musik (souvenir)

Die zwei Brüder sind gemeinsam stilprägender Motor elektronischer Tanzmusik. Ihre langjährigen Erfahrungen als Clubbetreiber (Ali) und Schlagzeuger (Basti) halfen ihnen bei ihrer DJ- und Produzentenkarriere, die 1996 mit der Zusammenarbeit mit dem Produzenten Peter Hoff Fahrt aufnahm. Unzählige Single- und Remixveröffentlichungen folgten, unter anderem auf MAW-Records, Wave, Classic, Playhouse, Dessous, Gigolo, Strictly Rhythm, Sonar Kollektive, Get Physical, Mute und vielen anderen. 2000 erschien ihr erstes, hochgelobtes Album „RAL 9005“ auf Four Music, als DJs wird die Welt ihr Zuhause. Sie sind Fans, getrieben von ihrer Leidenschaft für Musik und suchen und erfinden sich immer wieder neu, um DJ-Sets und Tracks zu erschaffen, die ihnen am Herzen liegen. Seit 2002 arbeiten Ali und Basti Schwarz eng mit dem Musikproduzenten Jochen Schmalbach zusammen, mit dem sie den heute für sie typischen Sound entwickelten – ob auf Remixes für The Rapture, Cassius, Osunlade, Trüby Trio, Kelis, DJ Hell, Alter Ego, Phonique, Unit 4 und Spektrum oder auf ihrem 2005 auf Fine/Classic veröffentlichten Album „Eat Books“. Im letzten Jahr produzierten sie u.a. Remixes für Booka Shade „Darko“, Depeche Mode „John The Revelator“, Madonna „Get Together“ und Roxy Music „Rain Rain Rain“ und veröffentlichten zwei Mix-Alben (Fabric + Time Warp). Seit 2007 setzen sie ihre erfolgreiche Arbeit mit ihrem neugegründeten Label Souvenir fort und feiern nun ihr zehnjähriges Bestehen mit ihrer vierten Mix-CD und Remixen zu fünf eigenen Tracks und ihrer neuen Single „Troubled Man”. Um dieses Jubiläum ihres gemeinsamen Projektes angemessen zu feiern, steht das aktuelles Best Of-Album ganz unter dem Motto „Black Musik”. Auf Disc 1 bieten Tiefschwarz einen eklektischen, breitgefächerten DJ-Mix ihrer Lieblingslieder aus Vergangenheit und Gegenwart und entwickeln den ruhigen, konzentrierten Stil weiter, den man von ihren früheren Mixalben kennt. Favoriten sind für mich James Figurine’s „Apologies“ (DJ Koze Remix), Tuff Little Unit’s „Join Your Future“ (warp), Cortney Tidwell’s „Stars EP“ (Ewan Pearson Mix), Marianne Faithfull’s „Broken English”, Brooks’ „Tell Somebody” (kompakt), Recloose’s „Can I Take It“ (Carl Craig Remix) und Ron Trent’s „Altered States” (Terrace Mix). „Black Music“ versucht ähnlich wie M.A.N.D.Y.s „At The Controls“, den aktuellen Clubsound aufzubrechen, geht dabei aber nicht den Weg über die Musik der siebziger Jahre, sondern meditiert über die elektronischen Sounds. Unter den Remixen auf Disc 2 fallen besonders die von Shonky, Samim und Radio Slave auf, die an der Seite neuer Versionen von Tiefschwarz-Nummern von Kiki & Silversurfer, Turntablerocker und Ruede Hagelstein erscheinen. Vinyl-Auskopplungen der Compilation folgen im Mai und im Juni.

www.tiefschwarz.net
www.souvenir-music.com
www.wordandsound.de
www.myspace.com/tiefschwarz

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