Mittwoch, 18. Juli 2007

Feuer auf Sabine Bätzing

Alkohol ist gefährlicher als Cannabis, Frau Bätzing!

Der Alkoholkonsum von Jugendlichen lag anfangs des Jahres 2007 deutlich höher als im Jahr 2004 vor Einführung der Sondersteuer auf spirituosenhaltige Alcopops. Die Sondersteuer und das Verbot der Abgabe an Jugendliche haben das erwünschte Ziel – die Minderung des Alkoholkonsums bei Jugendlichen – verfehlt, offenbar wirkten die Maßnahmen sogar kontraproduktiv, da der Konsum von Alkoholika in der anvisierten Zielgruppe gemäß Untersuchungen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzGA) signifikant angestiegen ist.

Die Daten der Untersuchungen stammen aus Studien der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzGA), so aus der „Drogenaffinitätsstudie 2004“, die vor der Einführung der Sondersteuer auf Alcopops durchhgeführt wurde, der Studie „Entwicklung des Alkoholkonsums bei Jugendlichen“ aus dem Jahr 2005 nach Einführung der Sondersteuer und der Studie „Förderung des Nichtrauchens 2007“. Befragt wurden Jugendliche, die mit einem Alter von 12- bis 17 Jahren die Volljährigkeit noch nicht erreicht hatten. Die Durchführung der letzten Interviews fand im Januar und Februar 2007 statt.

Ziel der Untersuchung war die Überprüfung der Auswirkungen des „Gesetzes zur Verbesserung des Schutzes junger Menschen vor den Gefahren des Alkohol- und Tabakkonsums“ auf das Alkoholkonsumverhalten der Jugendlichen. Artikel 1 des Gesetzes regelt die Erhebung einer Sondersteuer auf spirituosenhaltige Alcopops (Alkopopsteuergesetz – AlkopopStG). Die Sondersteuer wird ausschließlich auf Alcopops erhoben, die unter Verwendung von Branntwein oder branntweinhaltigen Erzeugnissen hergestellt worden sind. Das Gesetz strebt den Konsumrückgang von Alcopops durch höhere Preise an. Artikel 2 des Gesetzes beinhaltet eine Kennzeichnungspflicht, dass diese Produkte nicht an unter 18-Jährige verkauft werden dürfen.

Kurz nach der Einführung des neuen Gesetzes nahm der Gesamtalkoholkonsum bei Jugendlichen im Jahr 2005 um etwa 23% ab, stieg dann aber in den folgenden zwei Jahren wieder massiv an (+48%) und lag im Frühjahr 2007 somit deutlich höher als im Jahr 2004. Der Anteil der Jugendlichen, die mindestens einmal im Monat Spirituosen konsumieren, hat sich von 2004 bis 2007 insgesamt von 16% auf 21% erhöht. Diese Gesamtveränderung ist auf einen starken Zuwachs des monatlichen Spirituosenkonsums bei Jugendlichen im Alter von 16 und 17 Jahren seit 2005 zurückzuführen. Lag der Anteil der männlichen Jugendlichen dieses Alters, die mindestens einmal im Monat Spirituosen trinken, im Jahr 2004 bei 37% und 2005 bei 38%, so hat er 2007 einen Wert von 50% erreicht. Bei den weiblichen Jugendlichen im Alter von 16 und 17 Jahren steigt der Anteil monatlicher Spirituosenkonsumentinnen um zehn Prozentpunkte von 24% auf 34%. Statt Alcopops trinken die Jugendlichen heute mehr Spirituosen.

Die Zahlen der Jugendlichen, die in Hamburg wegen Alkoholmissbrauchs als Notfall ins Krankenhaus eingeliefert wurden, stieg in den vergangenen zwei Jahren dramatisch an: 2004 waren es 69 Jugendliche, 2005 schon 107 und 2006 wurden nach Expertenschätzungen 120 Hamburger Jugendliche als sogenannte Alkoholleichen ins Krankenhaus eingeliefert. Bundesweit hat sich die Zahl von 2000 bis 2005 mehr als verdoppelt – von 9.500 auf 19.400.

Alkohol gefährlicher als Cannabis

Insgesamt begeben sich jährlich gemäß Sabine Bätzing etwa 18.000 Personen wegen Cannabis zu einer Beratung, wobei nur etwa 15% diese freiwillig aufsuchen und alle anderen auf Druck von Justiz, Polizei, Schule oder Elternhaus (Evaluierung Landschaftsverband Westfalen-Lippe Januar bis Juni 2006). De facto begeben sich in Deutschland somit etwa 2.700 Personen aufgrund eines originären Cannabisproblems aus freien Stücken in eine Beratung. Demgegenüber mussten über 19.000 Jugendliche im Jahr 2005 wegen übermäßigen Alkoholkonsums in Krankenhäuser eingeliefert werden. Alkoholkonsum führt somit weitaus schneller zu ernsthaften Problemen als der Cannabiskonsum.

Die gefährlichen Entgleisungen im Rausch seien auch auf mangelnde Erfahrung mit Alkohol und Haschisch zurückzuführen, behauptet ein Bielefelder Gesundheitsexperte. Er fordert deshalb ein kontrolliertes Heranführen von Jugendlichen an weiche Drogen.

Im Kampf gegen den Missbrauch von Drogen könnte nach Ansicht des Bielefelder WissenschaftlersKlaus Hurrelmann ein kontrolliertes Heranführen von Jugendlichen an Alkohol oder auch Cannabis erfolgreich sein. Auf einem Fachkongress in Karlsruhe im Juni dieses Jahres und im Beisein von Königin Silvia von Schweden sagte der Gesundheitswissenschaftler und Jugendforscher, die gefährlichen Entgleisungen im Rausch seien unter anderem auf die mangelnde persönliche Erfahrung mit Drogen wie dem Alkohol zurückzuführen. Eine erste Erfahrung des Rauschzustandes zum Beispiel im Beisein der Eltern wie in früheren Zeiten gebe es nicht mehr. „Deshalb sind schrittweise Anleitungen nötig, die festlegen, wie, wann, unter welchen Umständen und in welcher Dosierung eine psychoaktive Substanz konsumiert werden kann“, sagte Hurrelmann. „Besser ein Regel geleitetes Training zum Rauschtrinken mit vorhersehbaren Ergebnissen als ein zwar spontanes, aber jenseits der persönlichen Kompetenzen liegendes Koma-Saufen“, betonte der Professor. In gleicher Weise sollten Jugendliche auch den Umgang mit Cannabis trainieren, was jedoch aufgrund der Gesetzeslage derzeit in Deutschland nicht möglich sei. Hurrelmann griff somit die schon seit Jahrzehnten von Werner Pieper (Verleger Die Grüne Kraft, Werner Pieper’s MedienXperimente) postulierte Forderung von „Rauschkunde“ in Familie und Schule auf. Hierzu hat Pieper eigens eine eigene Schriftenreihe namens „Rauschkunde“ herausgegeben.

Bätzings erster Schritt zur Drogenmündigkeit

Aufgrund der Erfahrung, dass trotz der Einführung des „Gesetzes zur Verbesserung des Schutzes junger Menschen vor den Gefahren des Alkohol- und Tabakkonsums“ der Alkoholkonsum bei Jugendlichen massiv angestiegen ist, plädiert die Drogenbeauftragte in Sachen Alkohol nun nicht mehr für neue Gesetze, sondern für das Erlernen eines vernünftigen Umgangs mit dieser Droge. Das heißt durch Erlernen von Kompetenz Mündigkeit erlangen. Auch bei Cannabis haben die Gesetze nicht geholfen, den Konsum einzudämmen. Auch hier wäre die logische Konsequenz, auf Drogenmündigkeit respektive auf kompetente Drogenautonomie des Individuums zu setzen. Doch bei Cannabis bleibt die Drogenbeauftragte stur und spricht sich gegen jede Art von Liberalisierung aus, obwohl die gesundheitlichen Risiken beim Konsum von Cannabis weit geringer sind als beim Konsum von Alkohol. Bei Cannabis denkt Bätzing immer noch in rein fundamentalistischen Kategorien, beim Alkohol sind jedoch schon erste Anzeichen von Logik und Vernunft durch Hinweise in Richtung Drogenmündigkeit bemerkbar.

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