Dienstag, 18. September 2007

Hitze, Hasch und hohe Berge

Zu Besuch bei marokkanischen Hanfbauern

Chefchaouen gilt als das Tor zum Rif, die kleine, verwinkelte „blaue“ Stadt ist die ideale Basis, um ein wenig mehr über das Agrarprodukt Nummer eins des nordafrikanischen Königreiches zu erfahren.

Haschisch ist schon in Chaouen, wie es die Einheimischen nennen, an jeder Ecke präsent. In den Cafes hängt der typische Coffeeshop Geruch, die Polizei beschränkt sich aufs Wegsehen, so lange man sich an die wichtigste Regel hält: Joint runter sobald ein Polizist in Sichtweite kommt.. Das passiert im Regelfall schnell. Ein Gramm des besten Haschischs kostet ungefähr 1,50- 2 € pro Gramm. Vorausgesetzt man fällt nicht auf einen de zahlreichen Strassendealer rein, vor denen man sich, wie überall auf der Welt, hüten und lieber warten sollte, bis eine halbwegs vertrauenswürdige Person Rauchware anbietet. Hotelpotiers von Low Budget Schlafstätten haben sich bei meinen bisherigen Aufenhalten oft als kompetente Ansprechpersonen hierfür erwiesen.
In der direkten Umgebung von Chaouen wird kaum cannabis kultiviert, man muss schon eine Weile mit dem Taxi über unwegsame Bergstraßen schaukeln, um des Pudels Kern zu entdecken. Bis vor wenigen Jahren reichten die Hanfplantagen bis an die Hautverkehrsstraßen, seit der Anbau jedoch im Jahre 2004 offiziell verboten wurde sind offen einsehbare Felder jedoch selten geworden. Nichtsdestotrotz bemerkte schon mein dreijähriger Sohn, dass es „hier überall nach dem Tabak riecht, den der Papa abends raucht“. Zum Glück war unser Taxifahrer des Deutschen nicht mächtig.
Auch im Rif geht die Polizei hier und da gegen Hanfbauern vor, um statische Erfolge aufweisen zu können. Was jedoch nichts daran ändert, dass die Fläche, auf der Cannabis kultiviert wird, im Rif Gebirge von Jahr zu Jahr wächst.
Nur mit Hilfe meiner ortsansässigen Freunde war es mir möglich , ohne größere Umstände ein
kommerzielles Hanffeld zu besichtigen. Denn Europäer, die am Hanfanbau interessiert sind, stellen natürlich potentielle Kunden für einen Bauern dar. Was dann oft zu Missverständnissen führt, wenn man wirklich nur zum Schauen kommt. Und Fotoapparate sind prinzipiell nicht gerne gesehen. Bei Myfriend, unserem Fahrer, und Ahmed, meinem Freund aus Choauen, war ich diesbezüglich sicher. Ahmed ist Sohn einer alteigessehen Hanfbauernfamilie im Rif und erklärte sich sofort bereit, mir eine der Hanfplantagen aus seinem Familienbesitz zu präsentieren.
Los geht die Fahrt in Downtown Chefchaouen, nach ungefähr 45 Minuten Fahrt mit atemberaubenden Ausblick bleibt Myfriend mitten an der Straße stehen, zuerst denke ich an eine Rauch- oder Pinkelpause- weit und breit nur Pinien. Von wegen- Ahmed steigt aus und läuft Richtung Wald, ich hinterher. Nach ungefähr 50 Metern durch den Pinienwald erwarten uns schon zwei von Ahmed’s Brüdern sowie das erste Hanffeld. Die Pflanzen sind klein und sehen allesamt dürftig aus. „Marokkanisches Saatgut“ klärt mich mein Freund auf, „außerdem viel zu wenig Wasser.“ Ein bisschen weiter stehe noch ein wenig mehr. Aha, das ist also das Tarnfeld in Straßennähe. Nicht dumm. Kommt wirklich mal ein Polizeitrupp in diese gottverlassene Gegend stolpern sie als erstes über diese bescheidene Pflanzung, brennen sie nieder und lassen den Rest in Ruhe.
Nach 30 weiteren Minuten Fußmarsch eröffnet sich ein herrlicher Ausblick Das eigentliche Kleinod der Familie, zwischen zwei Bergkämmen gelegen. Eine Hanfplantage mit bis zu drei Meter hohen Pflanzen, aus holländischen Saatgut wie mir Ahmed stolz verkündet. Freunde hatten vor zwei Jahren Samen mitgebracht und im Jahr darauf hat Ahmed aus 10 Samen einen ganzen Sack gemacht. Der diente dann als Grundlage für das Hanffeld, das dieses Jahr beste Erträge verspricht.
Hierbei handelt es sich nicht um ein rechteckiges Feld sondern um ein eine Art Riesengarten, an dem alle sonnigen Stellen zwischen den Feigenbäumen entweder für Hanf oder Gemüse genutzt werden. Sensimillia ist nicht gefragt, da aus den Pflanzen zum Großteil Haschisch gemacht wird,
im Gegenteil: Saatgut ist begehrt und viele gute Samen gehören hier ebenso wie hohe Erträge zu einer zufriedenstellenden Ernte. Einen kleinen Teil verarbeiten die Bauern zu Kif. Kif ist eine Mischung aus Blüten, Blattspitzen und sehr starken marokkanischen Tabak – für Besucher sehr gewöhnungsbedürftig, vor allem aufgrund des Tabaks. Kif wird von den Einheimischen in einer langen Pfeife (Sebsi) geraucht und stellt die eigentlich tradionelle Form des Hanf Genusses in Nordmarokko dar. Die Haschproduktion hielt erst mit den Beatniks der 1950er und den Hippies der 1960er Jahre Einzug. Reines Weed findet man gar nicht, es sei denn man kauft einem Bauern ein paar trockene Pflanzen ab und bearbeitet sie selber ;-).
Die Lage des Feldes zwischen den beiden Bergkämmen garantiert ausreichend Wasser im über dem Feld gelegen Reservoir, auch im trockenen, heißen Sommer. Trotzdem müssen Ahmed und seine Brüder die Pflanzen täglich mit einem vorsintfluchtlichen Sprenkler bewässern, den Rest besorgt die Sonne. Gedüngt wird mit den Exkrementen der familieneigenen Ziegen, auch die Weiterverarbeitung wird im engsten Kreis betrieben: vom Ernten übers Presse und Verpacken bis hin zum Verkauf, jeder in der Großfamilie trägt seinen Teil zum wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens bei. Viele Kif Bauern verwenden zur Ertragssteigerung weißen Phosphor, was jedoch die Böden auslaugt. Auch Ahmed war früher ein Freund von Kunstdünger, doch nachdem seine Böden immer schlechter wurden hat er, auf Anraten eines spanischen Freundes, umgestellt: kein Kunstdünger, dafür so oft wie möglich das Saatgut wechseln. So schont er seinen wertvollen Boden und hat trotzdem gute Erträge.
Die Pflanzen standen bei unserem Besuch gerade in voller Blütenpracht, geerntet wird im Rif Gebirge zwischen September und Oktober. Danach werden die Pflanzen bis in den Dezember hinein getrocknet, weil zu dieser Zeit die besten Temperaturen zur Haschproduktion herrschen. Vorher ist es hierfür einfach zu heiß, die Kristalle würden verkleben anstatt durch die Siebe zu rutschen. Und irgendwie findet das so gewonnene Naturprodukt dann den Weg nach Europa, leider zum fünffachen des ursprünglichen Preises. Oft gestreckt und von fragwürdigen Menschen verschifft.
Das Haschisch aus dem marokkanischen Rif Gebirge ist das beste Beispiel, wie erst durch die Kriminalisierung der Hanfpflanze gefährliche Strukturen geschaffenen werden. Korruption regiert den Alltag, natürlich lässt sich die Polizei das Wegschauen bezahlen, Menschen- und Haschischschmuggel laufen parallel, Geld verschwindet in finsterste Kanäle. Internationale Programme zur Eindämmung des Hanfanbaus laufen komplett ins Leere weil an den Bedürfnissen der Bevölkerung vorbei. Verbot und Strafe für den Hanfanbau sind in einem Land, in die Pflanze seit Jahrhunderten genutzt wird, nicht durchsetzbar schadet den dort über viele Generationen gewachsenen gesellschaftlichen Strukturen in hohem Maße. Könnte Marokko die Hanfpflanze wie ein normales Agrarprodukt handeln, würde das der organisierten Kriminalität sowie fundamentalistischen Tendenzen den Nährboden rauben. Und aus einer ganzen Region Krimineller auf einen Schlag angesehene Devisenbringer machen.

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