Dienstag, 10. Juni 2008

Rolys Silberscheiben des Monats Juni

Danny Byrd: Supersized
(hospital)

1993 entdeckte er seine Liebe zum gebrochenen Beat. Nach einigen Jahren der Stilsuche und einer klassischen musikalischen Ausbildung war 1998 die Zeit reif für sein erstes Release auf Picasso Records. Das Label gibt es mittlerweile nicht mehr, aber Danny Byrd hat sich mit seinem einzigartigen vocallastigen, treibenden Drum’n’Bass durchgesetzt. Kürzlich hat er für Hospital die beliebte Reihe „Weapons of Mass Creation 3“ mit frischen Tracks gemixt, und nach eineinhalb Jahren Arbeit erscheint nun sein Debutalbum. Mit „Shock Out“ beginnt das Werk sogleich mit einem Jungle Smasher der Extraklasse – der Tune hat alles, was Drum’n’Bass braucht! Zusammen mit den Brookes Brothers liefert er die Hymne „Gold Rush“, während „Weird Science“ die Fans von Captain Future und Daft Punk ansprechen wird. Über den Breaks wird gezupft und gestrichen, wenn T-Lace in „From Bath With Love“ Dannys Heimatstadt besingt. Und das Bath bei Bristol liegt, kommt im Titeltrack voll zur Geltung. ReDD bringt bei „Joy And Pain“ den nötigen 80er Disco-Funk-Flavor, bevor’s mit „Red Mist“ und IK am Mic nach vorne groovt. „Feet Won’t Touch The Ground“ ist ein epischer Stepper, MC Foxy & Adrok zelebrieren den „Planet Music V.I.P.“ und mit „Soul Function“ schuf Danny Byrd ein würdiges Outro. Sein Trademark-Sound ist gekennzeichnet durch funky Riffs & Samples, positive Vibes, verspielte Vocals, pushende Drums und natürlich drückende Subbässe. Original Fast Soul. Top!
www.myspace.com/dannybyrduk
www.hospitalrecords.com


Midfield General: General Disarray
(skint)

Eigentlich kam Damian Harris Ende der 80er zum Studieren nach Brighton. Schnell lernte die lebendige Clubszene der Stadt kennen, arbeitete in einem Plattenladen und half seinem Kumpel Norman Cook (der sich später Fatboy Slim nennen wird) bei einer House-Produktion. Sein Label Skint Records steht seit Fatboy Slims erster Single „Santa Cruz“ und Alben von Bentley Rhythm Ace, den Lo Fidelity Allstars und eben Fatboy Slims Hammer „You’ve Come A Long Way Baby“ für englischen Big Beat der Extraklasse und Häuser zu rocken, ist nach wie vor die Vorgabe. Nach achtjähriger Pause meldet er sich nach seinem glänzenden Debütalbum „Generalisation“ mit seinem Nachfolger zurück. Auf „General Disarray“ zeigt uns Midfield General, woraus Big Beat 2008 gestrickt ist und lässt Breakbeats, Techno, Hip Hop, Soul, Pop, Drum & Bass und ein wenig House gegeneinander antreten. Nach dem „Self Referencing Intro“ ist bei „Disco Sirens“ (feat. Vila) sexy Funkyness angesagt, bevor’s mit „137 Piano“ schön kuschelig groovt. „Bass Mechanic (feat. MC Ade) wummert und zwitschert 4-to-the-floor, „Loving Laughter“ (feat. Pat Stalworth) und „Dennis and My Sister“ kommen entspannt, „Seed Distribution“ (feat. Noel Fielding) befriedigt meinen Vocoder-Fetischismus, während „On The Road“ (feat. Robots In Disguise) die Elektropop-Herzen höher schlagen lässt. Dass Midfield General in Paris viel Zeit mit Justice und Ed Banger verbracht hat, hört man deutlich. Es kickt noch mehr!
www.myspace.com/midfieldgeneral
www.skint.net


Pit Baumgartner: Tales Of Trust
(phazzadelic)

Das ist also kein DePhazz-Album – der Aufkleber als amüsanter Eye-Catcher auf dem Frontcover verkündet es in Großbuchstaben. Für Produzent Pit Baumgartner, Mastermind der seit über zehn Jahren erfolgreichen Lounge-Institution, schien es umso wichtiger, auch die musikalischen Projekte außerhalb des dortigen Konzepts zu pflegen. „Das DePhazz-Songwriting war immer für die Bühne konzipiert und verlor mit der Dauer an Charme.“ So bringt Pit nicht nur eigene CDs auf den Markt, sondern vertont auch Dokumentarfilme und Hörbücher, erstellt Lounge-Radio-Programme für einen Sender in Istanbul und remixt sich durch die internationale Pop-Landschaft (u.a. Ella Fitzgerald, a-ha, Juli). Nach seinem Solo-Debüt „Fräuleinwunder“ produzierte der Heidelberger Klangmaler mit illustren Gästen das neue Opus im Alleingang. Den visuellen Rahmen zu „Tales of Trust” liefert der in Berlin lebende britische Maler Christopher Winter. Die Freude am Hörspiel und an der Ton-Collage hört man jedem der wohltemperierten Musikstücke an. Überschneidungen mit den letzten DePhazz-Alben sind offensichtlich und zeichnen sowohl den Bossa „Easy Goodbye“ als auch den Song „Phantomgesicht“ aus, der auf die Titelmusik zur Krimi-Serie „Der Kommissar“ verweist. Doch erst einmal steht für den Halb-Österreicher die Fußball-EM an. Mit dem kaiserlichen Dance-Track „Sissi 2008“ schrieb er das Lied zur eigentlichen „Todesgruppe“, Gruppe B mit Österreich. Sympathisch!
www.myspace.com/pitbaumgartner
www.myspace.com/phazzadelic
www.pit-baumgartner.de
www.phazzadelic.com
www.christopher-winter.com


Sapporo: Sapporo meets Janosch
(phazzadelic)

Die beiden Freunde Haluk Peters (Gründer und Labelchef von Mole Listening Pearls, 1996-1999) und Pit Baumgartner (Mastermind und Produzent von De-Phazz) begannen zusammen vor vielen Jahren eine Musikrichtung zu gestalten, die man Jahre später mit „Lounge“ umschrieben hat. 2001 starteten sie Phazz-a-delic, wobei sich „new format recordings“ auf ein inhaltliches Kriterium für die Produktionen beziehen, die nicht in Formatierungen stagnieren sollen, und die zentrale Message hier die Musik ist, die den Zuhörern oft die jeweils persönlichen Emotionen und Geschichten des Lebens übermittelt. „Sapporo meets Janosch“ ist kein Werk, welches nebenbei gehört werden sollte. Dieses Gemeinschaftsprojekt vereint eine Musik-Produktion mit dem seit 1971 vergriffenen und nicht neu aufgelegten Illustrationsband Janoschs „Flieg Vogel flieg!“ in Form eines aufwendigen Digi-Books. Knopf und Zwiebel begleiten im aufwändig gestalteten Artwork die Zeitreise zurück in die Kindheit. In siebzehn fragmentarischen Tracks reflektiert der Jazz-Gitarrist und Soundtüftler Christian Eckert seinen Kontakt zur 68er Sponti-/APO-Szene (z.B. Daniel Cohn-Bendit, Joschka Fischer) in Form einer psychedelischen Jazz/Polit/Dada-Musik-Collage zwischen driftender Träumerei und kratziger Wachheit. Die Freiheit des Jazz trifft sich hier mit der freien Fantasiewelt von Kindern und mutiert zu einer Mischung aus „Der Weltensegler“, KLF’s „Chill Out“ und Rainald Goetz’ „Katarakt“. Ein bebildertes, anspruchsvolles Klang-Dokument für das Kind im Erwachsenen. Liebevoll und sehr interessant!
www.myspace.com/phazzadelic
www.phazzadelic.com
www.janosch-medien.de


Clueso: So sehr dabei
(four music)

Sein letztes Album „Weit weg“ fängt noch heute so viele Herzen, und nach der Top-Single „Keinen Zentimeter“ (Platz 2 beim Bundesvision Song Contest 2008), auf der der musikalische Wortpoet bildhaft von dem ersten Moment des Verliebtseins singt, gibt’s auch mit dem neuen Album wieder Leidenschaft und Perfektion aus dem Erfurter Zughafen. Sich in Cluesos Texten nicht wiederzufinden, ist nahezu unmöglich. „Geisterstadt“, die Hommage an Görlitz, drückt stellvertretend das Lebensgefühl einer Region aus, die nicht nur vom materiellen Verfall bedroht ist. Zukunftsangst ist auch das zentrale Thema in „Utopie“. Clueso zeigt ferne und nahe liegende Zusammenhänge auf, beschreibt Wege und verweigert dabei einfache Lösungen ebenso wie er sie ganz nebenbei hinwirft. So werden hier aus Tracks auch Songs, die sich dem klassischen Paradigma moderner Popmusik widersetzen. Ein Reggaerhythmus wird vom Offbeat befreit, gerade gerückt und Dur wird zu Moll („So sein wie Du“). Mein Lieblingssong „Gewinner“ kommt fast ohne Bassschläge aus und handelt vom Verlieren. Das Bekenntnis, nicht zu wissen, was passiert, strahlt in „Schreibe dir“ eine meditative Ruhe aus. Der Schwerpunkt in Cluesos Musik liegt auf dem Transport von Gefühlen. Stilprägend ist dabei die Wahl der Mittel, das Zusammenspiel von Musik und Texten, nicht vordergründig die Technik. Nicht nur deshalb wahrscheinlich das bisher beste Musikalbum dieses Jahres, denn „So sehr dabei“ lässt am Ende fast keinen Zentimeter zwischen sich und seinen Hörern.
www.myspace.com/clueso2
www.clueso.de
www.zughafen.de
www.fourmusic.com
www.fourmusic.com

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