Montag, 2. November 2009

Rolys Silberscheiben des Monats November

Hudson Mohawke: Butter
(warp records)

Aufgewachsen ist Hud Mo mit 90’s UK Dance. Neben diesem sind ihm die aktuellen Entwicklungen des amerikanischen R&B und HipHop sowie das Verhältnis Mensch vs. Maschine beziehungsweise Soul vs. Techno-Ästhetik eine grosse Inspiration, die er auf seine Weise kommentiert. Sind doch gerade aus R&B in den letzten Jahren mehr entscheidendere Impulse für die elektronische Musik gekommen als aus der elektronischen Musik selbst. Die Musikmagazine schrieben nach der Veröffentlichung seiner „Polyfolk Dance EP“ Lobreden wie „He does for hiphop what Aphex Twin did for techno” (Mixmag) oder „The future of hip-hop is safe in Hudson Mohawke’s hands“ (FACT). Vor kurzem hat der 22-jährige Hudson Mohawke aus Glasgow bei Warp einen Plattenvertrag unterschrieben und schon jetzt wird ihm die grösste Zukunft prophezeit. Sein Debut-Album „Butter“ weiss mit einem faszinierenden Hybrid aus R&B, HipHop und Electronica auf Anhieb zu überzeugen. Wie bei Mark Pritchard (Harmonic 313), Flying Lotus oder Prefuse 73 werden auch die Schnittmengen zwischen diversen Genres ausgedehnt. Durch seine manuelle Entperfektionierung von Maschinen/Sequenzertaktungen, sprich per Mausklick verschobenen und gestretchten Beat-Quantisierungen, entsteht eine hoch paradoxe, zugleich roboter- und fehlerhafte Zukunftsmusik.
Flirrende Synthies und abgehackte Melodien werden von abgefahrenen Drumpattern gejagt, doch mit den Gästen Oliver Daysoul und Dam-Funk bekommt die Scheibe den nötigen Impuls sich für eine größere Gruppe als den reinen Beatnerds zu öffnen. Mit schicken 80er Vibes groovt der Fan des Science-Fiction-R&B in ein Funkuniversum, in welches sich der aktuelle HipHop lange nicht mehr getraut hat. Grandissimo!
www.myspace.com/hudsonmo
www.warp.net/records/hudson-mohawke


Wax Tailor: In The Mood For Life
(mole listening pearls)

Wenn Wax Tailor ein Konzert in Frankreich gibt, ist das ausverkauft. Immer! Seine Auftritte haben mittlerweile Kultstatus. Deutschland ist da wohl noch nicht so weit, aber das kommt noch. Mit seinem ersten Album „Tales of Forgotten Melodies“ landete er mit einem Schlag in einer Liga, die es mit Produktionen von DJ Shadow, Portishead oder RJ2D aufnehmen konnte. Der Nachfolger „Hope & Sorrow“ räumte den US Award ab und brachte es zur Nominierung im renommierten Victoires de la Musiques Magazin. Nachdem er im letzten Jahr 200 Konzerte spielte und mit dem Titelsong zu dem Film „Paris“ (So ist Paris) von Cedric Klapish für Aufsehen sorgte, beschreibt sein drittes Album „In The Mood For Life“ eine organische Landschaft mit orchestralen Akzenten. Hier präsentiert er sich wieder als Meister des Samplings und setzt nach einem wundervollen Opening auf ein Klangspektrum aus Soul, Funk, Hip-Hop und 60er Jahre Popmusik. Neben Gitarren, Bass und Flöten haben hier vor allem Streichinstrumente eine viel größere Wertigkeit für den Sound bekommen. Ganz gross sind vor allem das oldschoolige „B Boy On Wax“ mit Speech Defect, das beseelte „No Pity“, das balladeske „Dry Your Eyes“ feat. Sara Genn, das swingende „Leave It“ feat. Dionne Charles sowie alle Songs mit Charlotte Savary.
Mit seiner Mixtur zwischen zarter Melancholie, energiegeladenen Beats und Raps und nicht zuletzt dank der zehn Gastvokalisten hat Wax Tailor ein unglaublich feinfühliges und detailliertes Werk geschaffen. Im Dezember erreicht er auf seiner Welttournee auch wieder Deutschlands zentrale Anlaufstellen. Also macht euch mit der Materie vertraut, es lohnt sich.
www.myspace.com/waxtailor
www.waxtailor.com
www.mole.de


DJ Marky & Friends presents: Makoto
(innerground)

Die Szene der schnellen Breakbeats und tiefen Bässe wird weiterhin munter von Aktivisten befeuert und hat sich gemütlich im Underground eingenistet. Via Groove Attack sind nun neue wunderbare Werke von Logistics (Crash, Bang, Wallop!), Alix Perez (1984) und Sub Focus (Sub Focus) erschienen. Ganz vorne in meiner Gunst liegt eine Compilation von Innerground, die sich DJ Marky und seinen Freunden angenommen hat und von Makoto erstklassig gemixt wurde. Nachdem ich dem guten Mann vor einigen Wochen bereits an der Seite von der überaus sinnlichen Deeizm im Berliner Icon live lauschen durfte, komme ich nun mit diesem Mix erneut erwartungsgemäss in einen faszinierenden Hörgenuss. Seine besondere Fähigkeit, Drum’n’Bass mit Soul- und Funkelementen der 70er zu vermischen, ohne dabei den Druck und die Energie der Musik zu verlieren, erinnert immer daran, dass ein Mensch hinter den Maschinen steht. Mit Beiträgen von Marky im Verbund mit Künstlern wie S.P.Y., Logistics, Random Movement, Calibre, 8Bits, Fabulous, Switch und natürlich Makoto gelingt Japans wohl bestem Verfechter der schnellen gebrochenen Beats auch hier wieder ein stimmungsvolles, perfekt rollendes Set, das durch eine homogene Trackauswahl zu einem einzigen Strom zu verschmelzen scheint. Einzelne Tunes hervorzuheben macht wenig Sinn, da die Selection in sich ein geschlossenes Gesamtkunstwerk ist.
Obwohl: Die Kollaborationen von Marky & S.P.Y. gehen mir mit ihrem eindrucksvollen Bass besonders gut rein. Und diese Miri werde ich mal auch im Auge bzw. im Ohr behalten. Insgesamt sehr empfehlenswert für alle Drum’n’Bass-Liebhaber, die sich wie ich nichts aus Subgenres und dem Festlegen darauf machen. Makoto versteht schon sein Handwerk!
www.myspace.com/djmarkyinnerground
www.myspace.com/humanelements


Mary Anne Hobbs: Wild Angels
(planet mu records)

Die Bikerbraut ist bei BBC Radio 1 die wohl wichtigste und engagierteste Botschafterin und gehört zu den wenigen verbliebenen Radioleuten, die schneller sind als das Internet. Was in ihrer Sendung gespielt wird, ist hinterher ein Thema in Blogs und Foren – und nicht umgekehrt. Ihre beiden zuvor veröffentlichten Compilations „Warrior Dubz“ und „Evangeline“ erhielten ausgezeichnete Kritiken in der britischen Musikpresse. Die 45-Jährige aus Sheffield ist nach eigener Auskunft in der Lage, jedes Motorrad zu fahren, das man ihr vor die Tür stellt, und studiert regelmässig die Fachblätter Motorcycle News, Two Wheels Only und Performance Bikes. Nein, es erwartet euch hier keine klassische Motorradfahrermusik. „Wild Angels“ klingt zwar erstmal wie ein Softporno, aber so bezeichnete Hobbs das Harfen- und Klavierspiel der verstorbenen Alice Coltrane. In diesem Fall allerdings ist damit eher eine Reihe überwiegend junger, meist englischer oder US-amerikanischer Produzenten gemeint, die derzeit die elektronische Musik zwischen Dubstep, Grime, Techno, HipHop und digitalem Soul mit immer neuen, aufregenden Hybriden auf den Kopf stellen. Der immer wieder geniale Mark Pritchard schält in seinem als „?“ betitelten Intro aus einem dissonanten Synthie-Akkord ein klagendes, zeitlupenartiges Melodiefragment. Hudson Mohawke lässt für „Spotted“ scheinbar einen getunten Gameboy über stolpernde Beats dudeln, bevor Mike Slott, Brackles und Gemmy diese Stimmung weiter tragen.
Mit Untold, Tranqill und Architeq zieht wieder die Dunkelheit ein bis Rustie im „Zig-Zag“ die Synthesizer-Sicherungen durchbrennen und am Ende wieder die anfängliche Klangforschung zum Thema wird. So steht „Wild Angels“ deutlich im Zeichen verspielter Synth-Hop Beats und experimenteller Collagen. Schön!
www.myspace.com/maryannehobbs
www.planet-mu.com

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