Mittwoch, 5. Mai 2010

Der süße Hasch-Ersatz

Kurzer Abriss über Cannabinoid-Analoga in Theobroma cacao

Lange Zeit wurde von Wissenschaftlern vermutet, dass Cannabinoide und deren Analoga ausschließlich im Hanf vorzufinden seien. Dem ist jedoch bei weitem nicht so. Tomaso et al. berichteten 1996 über das Vorkommen von Anandamid, genauer: von Arachidonylethanolamid in der Schokolade bzw. der Kakaobohne. Die Kakaobohne ist die Frucht des Theobroma cacao, Arachidonylethanolamid ist ein Ethanolamid der Arachidonsäure, einer vierfach ungesättigten Fettsäure. Das Anandamid ist neben bislang drei weiteren Cannabionoidanalogen Bestandteil unseres endogenen Chemiehaushaltes. Das heißt, dass jeder Mensch THC-ähnliche Wirkstoffe im Körper trägt.

1988 wurde von den Wissenschaftlern Devane, Howlett, Melvin und Johnson (Medizinische Fakultät; Saint Louis Universität Missouri/USA) der erste Cannabinoid-Rezeptor (CB1) und 1990 der zweite (CB2) im Körper des Menschen und einiger Säugetiere entdeckt. Diese Rezeptoren, welche sowohl im Gehirn als auch im Körper anzutreffen sind, haben keine andere Aufgabe, als ankommende Cannabinoide andocken zu lassen und diese sozusagen zur Wirkungsentfaltung zu befähigen. CB1-Rezeptoren finden sich hauptsächlich im Gehirn, auf den Immunzellen, im peripheren Nervensystem und im Urogenitaltrakt aber auch im Magen-Darm-Bereich, im Hoden, in Blutgefäßen, im Herzen und in der Milz. CB2-Rezeptoren wurden auf den Immunzellen weißer Blutkörperchen und der Milz gefunden (…). Die Entdeckung der Cannabinoid-Rezeptoren war eine Revolution, gerade für die Hanfraucher-Gemeinde, war ja jetzt bewiesen, daß physiologische Empfangstationen für die geliebten Substanzen jedem Menschen von Natur aus und Zeit Lebens innewohnen. Was für ein Triumph. Doch kam es noch dicker. Mit der Erkenntnis, daß diese spezifischen Rezeptoren im menschlichen Organismus vorhanden sind, entwickelte sich schlußfolgernd die Idee von körpereigenen Cannabinoid-Analogen. Warum sonst sollte es die CBx-Rezeptoren geben? (…). 2002 jedenfalls, stellten Wilson et al zusätzlich die These und Vermutung auf, es könne einen CB3-Rezeptor geben (…). [1992] fanden Professor Dr. Raphael Mechoulam (Hebrew University, Medical Faculty, Department of Natural Products, Jerusalem, Israel) und sein Team (…) [bereits] heraus, daß Mensch und Tier über ein endogenes Cannabinoidsystem verfügen. Nun konnte die wissenschaftliche Welt sich der Bedeutung der entdeckten Cannabinoid-Rezeptoren sicher sein.
Diesen körpereigenen Cannabis-Stoff nannte die Forscher-Formation Anandamid (20:4, n-6) (1).
Wissenschaftliches Synonym: Arachidonylethanolamid. Ananda kommt aus dem Sanskrit (eine alt-indische Sprache) und bedeutet so viel wie Glückseligkeit. Anandamid bezeichnet also das ‚Amid der Glückseligkeit’. Arachidonylethanolamid ist, wie der Name schon sagt, ein Derivat der Arachidonsäure, einer Fettsäure innerhalb der Zellmembranen und besetzt in der Hauptsache CB1-Rezeptoren (…).
Bereits 1993 wurden zwei weitere Anandamide, die Endocannabinoide Homo-Gamma-Linolenylethanolamid (Anandamid (20:3, n-6)) und Docosatetraenylethanolamid (Anandamid (22:4, n-6)) entdeckt.
1995 konnte die israelische Forschergruppe um Dr. Mechoulam ein viertes Endocannabinoid, das 2-Arachidonylglycerol (2-AG), nachweisen. (2)
AG stimuliert neben den CB1-Rezeptoren auch die Rezeptoren der CB2-Gruppe (…). Außerhalb des menschlichen oder tierischen Körpers wurden Anandamide interessanterweise in der Bohne der Kakaopflanze (Theobroma cacao) entdeckt. Unter Umständen können diese auch im aus Vitis vinifera gewonnen Rotwein nachgewiesen werden (…).(2)

Die Österreichische Apothekerzeitung ergänzt: „Interessanterweise unterscheidet sich, trotz der sehr ähnlichen pharmakologischen Profile, die chemische Struktur von Anandamid stark von der des THC. Unterschiede gibt es in der Pharmakokinetik beider Stoffe: Anandamid wird viel schneller abgebaut: nach ca. 30 min ist kein Effekt mehr zu messen, wohingegen THC nach Stunden noch wirksam sein kann.
Die Analyse von Kakaopulver- und Schokoladenproben verschiedener Hersteller ergab jedoch nur einen sehr geringen Anandamid-Gehalt. Die Wissenschaftler stellten in ihrer Veröffentlichung daher gleich selbst in Frage, ob es bei den gefundenen Anandamid-Konzentrationen überhaupt zu Auswirkungen kommen kann.“(3)

Schokolade resp. die Kakaobohne enthält aber nicht nur den THC-analogen Wirkstoff. Weitere psychotrope Komponenten sind das Koffein-ähnliche Theobromin und das 2-Phenylethylamin, das stimmungsaufhellende Wirkungen zu induzieren vermag. Bezogen auf Cannabinoid-Rezeptoren-Agonisten enthält Kakao aber noch zwei andere interessante Substanzen. Die Internetseiten www.inform24.de merken an: „Es konnten (…) zwei Stoffe, die den Abbau von Anandamid verhindern, in Schokolade gefunden werden (…).“(4)

Doch wie ist das mit der Wirksamkeit der cannabinoidanalogen Inhaltsstoffe? Das GEO-Magazin postuliert 2003: „Ein Kind müsste bis zu 12.000 Tafeln verputzen, um überhaupt eine Rauschwirkung zu spüren.“(5)
Das lassen wir mal so stehen. Denn echte Forschungen fehlen hier bislang.(5)

Interessant ist zum Abschluss die Tatsache, dass echte Schokolade – fernab von allen lila Kühen, Sarottimohren und sportlichen Rittern – zahnschützend wirkt. Der Inhaltsstoff Glycin hat tatsächlich protektive Effekte auf Zahnschmelz und die Zähne selber.(6)
Christian Rätsch erzählte mir, dass in manchen Ethnien anstatt des Zähneputzens abends vor dem Schlafengehen ein Stück Schokolade gegessen wird. Damit sie auch morgen noch …

(1) Die Zahlenkombination in Klammern ist eine von Dr. Mechoulam 1994 eingeführte nomenklatorische Definition, nach welcher die erste Zahl für die Quantität der Kohlenstoffatome und die zweite für die der Doppelbindungen steht.

(2) Berger, Markus 2003a & 2003b

(3) Apotheker.or.at

(4) inform24.de

(5) geo.de

(6) Bauer 2004

Bibliografie:
Ameri, A. (1999), The effects of cannabinoids on the brain, Prog. Neurobiol. 58: 315­-348
Bauer, Wolfgang (2004), Xocoatl: Zaubertrank, Heilmittel, Seelentröster, Vortrag auf der Entheovision 2, am 22. August
Berger, Markus (2003a), Amide der Glückseligkeit, Grass Times 3/03: 104-105
Berger, Markus (2003b), Amide der gelukzaligheid, Soft Secrets 3/03: 26
Ginter, A. (1997), Interview mit Professor Mechoulam, in: Hanf! 5/97: 25
Ott, Jonathan (1985), Cacahuatl Eater: Ruminations of an Unabashed Chocolate Addict, Kennewick: Natural Products Co.
Rätsch, Christian (1998), Enzyklopädie der psychoaktiven Pflanzen, Aarau: AT Verlag
Tomaso, di E.; Beltramo, M; Piomelli, D. (1996), Brain cannabinoids in chocolate, Nature 383, 22.Aug.

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