Mittwoch, 9. Juni 2010

Rolys Silberscheiben des Monats Juni

Marsmobil: (Why Don’t You Take) The Other Side?
(compost records)

Marsmobil ist ein Projekt des Münchner Multiinstrumentalisten Roberto Di Gioia (Ex-Passport) mit Peter Kruder (Peace Orchestra, Voom Voom) und Christian Prommer (Fauna Flash, Trüby Trio, Voom Voom). Inspiriert von der analogen Klangästhetik der 60er und 70er Jahre vereinten sie bereits auf ihrem letzten Album „Minx“ Vergangenheit und Zukunft, und so hörte man darauf eine Mischung aus Space-Pop und Burt Bacharach-artige Orchestrierungen, die musikalisch laszive Kraft von Air, das Family-Feeling der 70er Band America und etwas von Talk Talk’s Zerbrechlichkeit. Nachdem Ende letzten Jahres die „The Other Side EP“ erste Einblicke in die neuen Produktionen lieferte, erscheint nun mit „(Why Don‘t You Take) The Other Side“ ein ausgereiftes Pop-Album, das sich irgendwo zwischen Pink Floyd, Jazz, Indie-Rock und Soul bewegt. Die Frage des Titels, die das ganze Projekt prägt, wird gleich im einleitenden Song „Patience“ aufgeworfen. Mit derselben Hingabe wie seine Kooperationen mit The Notwist, Console, DJ Hell, Udo Lindenberg und Charlie Watts von den Rolling Stones kreierte Roberto das Marsmobil. Beinahe jedes einzelne Instrument auf dem Album, von der Antonelli Kinderorgel (als 5-jähriger Bengel begann er darauf zu spielen), über das Mellotron, Schlagzeug, Bass, Klavier, Orgel, akustische und elektrische Gitarren, Sitar, Percussions, Glockenspiel, Marimba, bis zum Cello und sogar die Blues Harfe, wurde von Roberto Di Gioia selbst eingespielt. Und irgendwie erinnert mich der Vibe hier des öfteren an meine früheste Kindheit, in der meine Schwester die Beatles rauf- und runterhörte. Wunderschöner Psychedelic Rock und grosse Popsongs.
www.myspace.com/marsmobil
www.marsmobil.net


Camino Blue Recordings & Scientific present: Terra Mission
(camino blue)

Bereits 1995 veröffentlichte das Produzenten- und DJ-Duo P.B.K. auf Bassface Saschas Label Smokin’ Drum ihr erstes Vinyl. Mit ihrem eigenen Label Camino Blue Recordings stehen die beiden Paderborner Patrick und Niko seit 2004 für qualitativen, deepen und atmosphärischen Drum’n’Bass, um einen Gegenpol zu meist seelenloser Härte zu bilden. Im Jahre 2007 zogen sie mit ihrer zweiten Compilation „Ten Short Stories“ auch mich in ihren Bann, im letzten Jahr gründeten sie ein Schwesterlabel mit dem Namen Drone Audio, und nun befinden sie sich gemeinsam mit vielen aufstrebenden, internationalen Produzenten auf „Terra Mission“.
Nach dem Breakbeat-Gewitter „Storm“ des polnischen Duos Sonic Saturation liefern uns Modemellow und P.B.K. feine Harmonien, bevor der wohl aktivste russische Künstler Andrey Burtaev, besser bekannt als Electrosoul System (subtitles, grid, good looking, hospital), mit „Sputnik“ einen voluminösen Flugkörper ins All jagt. Mit an Bord „across the space“ sind auch Mendelayev & Cutworks, KMC mit Elektro-Schocks und der in Holland lebende Belgier Mav von Scientific mit einem lieblichen Strand-Hit. Nach seinem schicken Album „Life In Cycles“ freue ich mich auch wieder über einen groovigen Track von Physics und dass meine geliebten Future Engineers mit ihrem Mix von ICR’s „Two Steps Backwards“ für ein entzückendes Finale sorgen. Als Zugabe gibt’s auf einer weiteren CD noch einen chilligen Live Mix von P.B.K. feat. Wiosna. Gute Arbeit, Jungs.
www.myspace.com/caminoblue
www.caminoblue.com


Jazzman Gerald Presents: Let’s Boogaloo Vol.5
(record kicks)

Seit über 15 Jahren betreibt er Jazzman Records von London aus als Online Store, welcher sich durch eine exzellente Auswahl an gesuchten und gänzlich unbekannten Vinylraritäten einen Namen gemacht hat. Es war daher nur konsequent, dass Gerald Short vor knapp zehn Jahren das eigene Reissue Label gründete. Jazzman Records kann mit seinen Sidekicks Funk 45 und Soul 7 auf mittlerweile weit über 100 Veröffentlichungen zurückblicken. Eine Reihe, welche die Herzen aller Beat Digger höher schlagen lässt und deren Besitz als Original jeden an den Rand des finanziellen Ruins treiben würde. Auch das italienische Label Recordkicks hat sich wie Jazzman Records zu einer festen Grösse in der Szene entwickeln können. Für die fünfte Folge aus der Compilation-Reihe „Let’s Boogaloo” gehen beide nun erstmalig eine Zusammenarbeit ein. Jazzman Gerald präsentiert uns hier 17 glänzende Diamanten zwischen Deep Funk, Rare Soul, Juke Box Jams, Titty-Shakers und jazzigen 45s.
Schon das Intro vom All Nations Quartet bringt mich mit den Breakbeats und dem Lo-fi Gospelfunk zum Kopfnicken. Floyd Lawson & The Hearts of Stone erhöhen mit ihrer 1975er Version von „K Gee“ das Tempo, Mountain Mocha Kilimanjaro orgeln mit „Yellow Soul Force“ japanischen Rare Groove dazu und Billy Larkin bringt in „Funky Fire“ den Blues. Die Portion Soul gibt’s von Patrinell Staten, Royale VII und Ricardo Marrero. Jazzman Gerald ist neben Pete Rock, Shadow, Keb Darge, Florian Keller und Kenny Dope einer der derbsten Digger weltweit. Freunde des gepflegten Funks gehen hier definitiv ab – so groovy!
www.myspace.com/jazzmangerald
www.recordkicks.com


Die Firma: Das sechste Kapitel
(lacosamia)

Ihrem selbstgewählten Credo „Lyrics über Beats repräsentieren Gut und Böse“ bleibt die 1996 in Köln-Porz gegründete Combe immer treu, so zieht sich das Thema des musikalischen Dualismus (Yin und Yang) durch alle Alben der Band. Musikalisch begeistern mich die Jungs seit ihrem ersten Album 1998 mit ihrem Antagonismus aus straighten HipHop-Beats und Orchestralität. In Zeiten von mp3s und herunterkomprimierten Klangerzeugnissen wirkt „Das sechste Kapitel“ als aufwändig ausproduziertes Album wie eine Befreiung. Eine akustische Soundschatzkiste, in der allein 20 Mann an der ersten Geige der Seele Flügel wachsen lassen. Mit der ersten Single „Jetzt“ setzen die drei Kölner genau dort an, wo sich das von Gangstern und Streetrappern dominierte HipHop-Deutschland derzeit nicht hintraut – bei der Fröhlichkeit, Leichtigkeit und Ehrlichkeit. Mit Hilfe eines Arrangeurs und eines 50-Mann-starken Sinfonie-Orchesters hat Die Firma auf dem ganzen Album einmal mehr aus dem Vollen geschöpft und so der Grösse ihrer Songs aus instrumenteller Sicht zum ersten Mal in vollem Umfang Tribut gezollt. Fühl’ die „Stille“, „Keiner weiß was kommt“, setz’ die „Sonnenbrille“ auf – die Firma liefert erneut die Zeilen, die aus der depressiven HipHop-Lethargie wieder eine Bewegung machen können und die Menschen zusammenbringen anstatt zu entzweien. Songs wie „Traum“, „Spruchreif“, „Schwarzer Regen“, „Ich seh Dich gehen“ und „Schlaf“ geben mir am meisten, während mich das snaplastige „First Class“ und der bouncende „Elefant“ zum Schmunzeln bringen. Ja, und der gute Curse ist auch dabei. (Im) HipHop gibt (es) endlich wieder Hoffnung.
www.myspace.com/diefirma1
www.diefirma.de


Various Artists: Sky High 2
(transmitter)

Nachdem ich euch im letzten Monat die Flashbacks-CD „If I Had My Way – Blue & Lonely” näher gebracht habe, möchte ich euch nun weitere 25 jazzige Reefer-Songs aus den Jahren zwischen 1925 und 1945 ans Herz legen, die direkten Bezug auf Marihuanagenuss nehmen. Erneut hat DJ Double-R swingende Hanfklassiker aus den USA für die Nachwelt kompiliert, Künstler wie The Cats & The Fiddle, The Meltone Boys, Nat King Cole Trio, Richard Jones & his Jazz Wizards, Mezz Mezzrow and his Swing Band, Cab Calloway, Slim & Slam, Louis Armstrong & Orchestra machen aus dem heimischen Wohnzimmer einen berauschenden Jazz-Keller und sorgen für gute Laune, während zwischendurch natürlich auch der Schmerz des Blues durchblitzt. Die ausführlichen Liner Notes erzählen wieder interessante Hintergrundgeschichten zum Leben der Musiker und Kiffer dieser Zeit. „Oft reisten Musiker als Lockvögel für Wunderheiler in sogenannten Medicine Shows, ein Job, den selbst Little Richard in den 50ern noch ausübte (…) Die Bluesmusiker und Strassensänger aus Memphis und New Orleans betrachteten die Medicine-Tours als eine Art bezahlten Urlaub vom harten Stadtleben, andere Kollegen waren froh, der Monotonie des Baumwollpflückens entkommen zu können.“ Man erfährt Wissenswertes und nette Anekdoten von HopHeads’ Klangpreziosen, vom Jive Smokin’ („Jive hiess sowohl eine Insidersprache der Kiffer, wie auch das Gras, das man rauchte, die Musik, die man hörte, der Tanz, den man tanzte.“) und gebusteten und verfolgten Jazzkiffern. Ein zeitgeschichtliches Dokument, was man gehört haben sollte – frei nach Cleo Brown: „The stuff is here …“
www.gruenekraft.com
www.syntropia.de

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