Mittwoch, 7. Juli 2010

Rolys Silberscheiben des Monats Juli

Subz & Matik: Low Pressure Area
(basswerk)

Basswerk ist eines der führenden Drum’n’Bass Labels in Deutschland. Die labeleigene Partyreihe im Gebäude 9 existiert seit mehr als zehn Jahren und erfreut immer wieder das Kölner Publikum. Bei Basswerk wird Jungle in seiner natürlichsten Form präsentiert, und man zeigt auch immer wieder, dass Drum’n’Bass fliessende Grenzen und damit auch größeres Potential besitzt als ihm meist zugesprochen wird. Zwei Jungs aus dem hohen Norden stehen für einen kräftigen dubbigen Sound mit röhrenverzerrten Drums, satten Subbässen, Ragga- und Jungle-Flavour-Sounds und ein Händchen für gut dosierte melodische Elemente und Basslines. Damit heben sich Subz & Matik wohltuend ab von einer Flut gut ausproduzierter Tracks, die musikalisch einiges vermissen lassen. Die beiden trafen den Musikgeschmack von Labelmanager The Green Man mitten ins Herz, als sie ihm 2002 während seiner TGM Albumtour auf ihrer „Subsonic Pressure” Nacht „Hear Dis” vorspielten. Der Track wurde 2005 ebenso wie zwei Jahre später „Dark Dub“ veröffentlicht, bevor sie 2008 mit „Lighthouse Blues“ den nächsten Top-Tune zur Basswerk Sessions 3 Compilation beisteuerten. Mit vorliegendem Werk „Low Pressure Area“ ist nun ihr erstes Album als Produkt vieler Jahre Arbeit fertig und switcht 13 Tracks lang zwischen relaxten Dub-Sounds, Breaks und Grooves voller Soul, um gegen Ende mit einem Party-Jungle Mash Up voller Energie zu beigeistern. Geht ab – für mich einer der ganz heissen Anwärter für das (deutsche) Drum’n’Bass-Album des Jahres! Danke für den guten Vibe, Jungs … hear dis!
www.myspace.com/subzmatik
www.basswerk.net


Villa Nah: Origin
(keys of life)

Immer wieder erscheinen Alben, denen schnell eine 80er Jahre Ästhetik anzuhören ist, doch in den meisten Fällen klingt es gewollt und nicht gekonnt. Umso freut man sich als Kind der 80er, wenn es gelingt, aus den klassischen Elementen – vorrangig natürlich den Synthies – kombiniert mit modernen Styles etwas Neues zu zaubern, ohne nach billigem Abklatsch zu klingen. In Finnland ist das von Jori Hulkkonen produzierte Duo Villa Nah längst in den Top 10 angekommen, mit ihrem Debutalbum „Origin“ werden Juho Paalosmaa und Tomi Hyyppä wohl auch den Rest des Europas erobern. Ihre Hausaufgaben haben sie schon mal erledigt: Sänger Juho beherrscht die Pose des Schmachtenden, der – verletzlich und wehmütig – der Welt sein Leid klagt, während Partner Tom tief gebeugt über dem Synthie hängt. Der Sound atmet den Geist der frühen OMD, Depeche Mode, Human League, New Order oder Thompson Twins, das Songwriting der beiden Finnen dagegen ist modern und schlicht unglaublich. Zwölf ausnahmslos glänzende Songs, von denen mich besonders der Opener „Time For Tea“ und das meine Kindheit sehr gut versinnbildlichende „Autumn Gone“ unheimlich glücklich machen. Villa Nah retten die synthetische Kälte der 80er Jahre ins Neonlicht des Jahres 2010, in dem die Freunde virtuell, die Krise allgegenwärtig und die Liebe das letzte Rückzugsgebiet für Authentizität und „echte Gefühle“ ist. Für jene, die mit New Wave schon damals nichts anzufangen wussten, sei angeraten, gar nicht erst rein zuhören. Für Fans des Genres ist dieses nahezu originalgetreue Synthie-Pop-Replikat mit den ganz eigenen Nuancen ein absolutes Muss. Extraklasse!
www.myspace.com/villanah
www.villanah.com


Maxence Cyrin: Novö Piano
(kwaidan records)

Vor vier Jahren veröffentlichten F Communications mit „Modern Rhapsodies“ ihr erstes zu 100% akustisch eingespieltes Album. Mit Maxence Cyrin schickte Laurent Garnier ein absolutes Ausnahmetalent an den Start, welcher mit seinen Piano-Solo-Interpretationen von Klassikern wie „Windowlicker“, „Unfinished Sympathy“ oder „L.F.O.“ die Grenzen zwischen Neo-Klassik und Dancefloor verwischte. In Zusammenarbeit mit Marc Collin (Nouvelle Vague) und dessen Label Kwaidan Records setzt der Nachfolger „Novö Piano“ dieses Konzept fort, allerdings liegt der Schwerpunkt auf Indie-Pop / Rock, wobei auch Abstecher in die Elektronik unternommen werden. Der Franzose spielt auf meinem Lieblingsinstrument unvergessene Originale von den Pixies, Justice, My Bloody Valentine, Arcade Fire, Nirvana, Jacno und Beyoncé & Jay-Z nach – ganz gross: „Ivo“ von den Cocteau Twins, Daft Punk’s Smasher „Around The World“ und seine schüchterne Version des ansonsten frenetisch gefeierten „Kids“ von MGMT. „Wer die Original-Stücke kennt, versucht natürlich, sie aus meinen Neuinterpretationen herauszuhören“, so Maxence Cyrin. „Für alle anderen ist es am Ende schlicht und ergreifend Pianomusik – und das finde ich mindestens genauso schön.“ Und so werden mit seinen ausgeklügelten Harmonien, seinen fulminanten Rhythmuswechseln und der filmisch wirkenden Atmosphäre Erinnerungen wach an Debussy, Ravel oder Chopin. Minimalistisch, dramatisch, lyrisch und impressionistisch – der New Wave-Fan mit Klavierausbildung präsentiert ein sehr persönliches und unkonventionelles Werk.
www.myspace.com/maxencecyrin


Kode 9: DJ-Kicks
(!k7)

Nachdem Kode 9 mit seinem kürzlich veröffentlichten Podcast für das britische Fact Magazine das Herz jedes Junglisten höher schlagen liess, hätte ich mich natürlich gefreut, wenn er bei seinem Beitrag zur DJ-Kicks-Serie nach dem gleichen Prinzip verfahren wäre: einfach ein astreines, hektisches Jungle-Set abbrennen und die Leute ordentlich vor den Kopf stossen. Doch der Hyperdub-Chef widmet sich hier lieber ganz der bassverliebten Dancefloor-Gegenwart zwischen UK Funky, Broken Beats, Dubstep, Grime, Dancehall und Kudoro sowie einer kleinen, poppigen „Traum-Sequenz” aus R&B-Tracks, was ja auch nicht verkehrt ist. Nach wie vor steht „DJ-Kicks“ wie kaum eine andere Reihe für konstant hohe Qualität und eine treffsichere Auswahl der Kompilierer. Steve „Kode 9“ Goodman selbst sagt: „Ganz simpel betrachtet ist mein Mix einfach nur ein kleiner Ausschnitt aus meinen DJ-Sets der ersten Hälfte dieses Jahres. Die Tatsache, dass ich nur wenige Dubstep-Tracks rein gepackt habe, sagt in gewisser Weise etwas über meine Beziehung zum Dubstep aus.“ Neben einigen bisher unveröffentlichten Tunes und vielen aktuellen Nummern von Ill Blu, Ikonika, Sticky, Zomby und Ramadanman tauchen auch einige Klassiker von Nubian Mindz, Aardvarck und Maddslinky auf. In der Tradition der DJ-Kicks-Compilation-Reihe findet sich hier mit „You Don’t Wash Dub“ auch ein exklusiver Track von Kode 9. Durch einen unglaublich guten Flow entwickeln sich die 31 Tracks zu einem variablen Mix mit einigen Überraschungen. Eine wegweisende Selection feinster UK-Bass-Musik.
www.myspace.com/kode9
www.kode9-djkicks.com


Skits: Sticksman
(dragon drop)

Hip Hop als eigenständige Kunstform hat es schwer im Vereinigten Königreich. Die starken Einflüsse von House, Electro, Drum’n’Bass oder Dubstep nehmen sich Rap eher als Ergänzungstool. Doch mit nonkonformistischen, originären Beats und ganz eigenen Soundästhetiken braucht sich der in diesem Fall ausgezeichnete europäische Hip Hop definitiv nicht hinter den amerikanischen Blaupausen zu verstecken. Neun lange Jahre ist es her, als Skitz seinen unbestrittenen, strictly britischen Klassiker „Countryman“ unter das staunende Publikum streute. Auch seine Studioexperimente mit dem Bristoler Jungle DJ Die sind mir noch in guter Erinnerung. Auf seinem neuen Doppelalbum „Sticksman“ gesellt sich ein sattes Beatgewitter aus Hip Hop, Dancehall und Ragga neben zahlreiche prominente Features. Mit welcher absurd hohen Qualität dieser britische Vollblutproduzent hier Instanthits im Minutentrack rausballert, ist ziemlich atemberaubend, egal ob grandiose Possetracks, Dancehallhighclass oder moody Hip Hop-Hymnen – Skitz kann einfach alles! Auf 15 erstklassigen Songs laden ausnahmslos Top-MCs zum Feuerspucken ein, ob Rodney P., Kardinal Offishal, Skibbadee, Dynamite MC oder Bristols neue Hoffnung Buggsy, der technisch und stimmlich sehr an Eminem erinnert. Und auch wenn ich Roots Manuva vermisse, freue ich mich über wortgewandte Skills von Harry Shotta, Iron Braydz, Brotherman, Deadly Hunta, Mr. Ti2bs, Taskforce & Juni und Darrison. Ein oldschooliger Dancefloor-Destroyer zwischen massiven Basementfrequenzen und sehr atmosphärischen Augenblicken.
www.myspace.com/daddyskitz
www.grooveattack.com

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