Mittwoch, 7. Juli 2010

Rolys Silberscheiben des Monats Juli

Richy Pitch: Ye Fre Mi Richy Pitch
(bbe records)

Schon seit Mitte der 90er Jahre geniesst Richy Pitch in Londoner Hip-Hop-Kreisen den Ruf einer Szenegrösse. Schliesslich steckt er nicht nur hinter den legendären „Scratch“-Nights in Clubs wie Cross Bar und Scala, sondern spielte auch regelmässig an der Seite von US-Ikonen wie Talib Kweli oder Pharcyde. Ausserdem bastelte er Remixe für die freigeistigen HipHop-Ikonen von Outkast und die Jazzfunk-Legende Roy Ayers. Für zwei Jahre zog der umtriebige Produzent nach Ghana und stellte sich dort der Aufgabe ein Album aufzunehmen, welche die zahlreichen musikalischen Eindrücke widerspiegeln soll, die er in seiner westafrikanischen Wahlheimat sammelte. In den 70ern war es High Life Musik, die sich von Ghana aus verbreitete, heute sind es Musiker wie Reggie Rockstone, die aus Highlife Hip Life gebastelt haben. In Ghanas Hauptstadt Accra nahm Richy mit einheimischen Stars und Talenten Musik auf, die die klassischen Elemente ghanaischer Musik mit seinen eigenen Ideen verschmelzen lässt. Zusammen mit Hiplife-Altmeister Reggie Rockstone, MOBO und MTV Africa-Award-Gewinner Samini und zahlreichen MCs wie Wanlov the Kubolor, M3NSA oder M.anifest kombiniert Richy Pitch auf 15 fröhlichen Tracks polyrhythmische Afrobeats und tradtionelle Percussion mit Dancehall, HipHop und Breakbeats. So sprüht sein vielfältiges Album „Ye Fre Mi Richy Pitch“ („Man nennt mich Richy Pitch“ auf Twi) vor Dynamik und Lebensfreude und sorgt für verdammt gute Laune. Nichts für Worldmusic-Dogmatiker, aber für mich einer der sonnigsten Soundtracks zur Fussall-WM.
www.myspace.com/richypitch
www.bbemusic.com


Various: Feel The Streets – The Real Masters Of Hip Hop
(sonymusic)

Mit Samplern ist das ja immer so eine Sache. Im Hip Hop ist die Gefahr recht gross, das Genre mit poppigen Black Music Tracks und miserablem R&B zu verwässern und die Geschichte dann auch noch ganz unverschämt als „real“ zu deklarieren. So war ich bei dem Titel „Feel The Streets – The Real Masters of Hip Hop“ doch mehr als skeptisch. Aber ein kurzer Blick auf die Tracklist dieser Doppel-CD beruhigt mich weitgehend. Der erste Silberling überzeugt mit Klassikern von Gang Starr, Mobb Deep, Nas, Jay-Z und Xzibit. Schön, dass auch die Fugees, M.O.P., Biz Markie, De La Soul, Snoop Dogg, A Tribe Called Quest und vor allem KRS-One mit seiner Supernummer „Step Into A World“ mit am Start sind. Auch die Latino-Fraktion ist mit Camp Lo, Delinquent Habits, Big Punisher und natürlich Cypress Hill stilsicher vertreten. Die zweite CD kommt mit Szene-Grössen wie Dead Prez, Busta Rhymes, LL Cool J, Missy Elliott, Outkast, Wu-Tang Clan und Rakim. Leider sind die US-Südstaaten ein bisschen unterrepräsentiert, da sie wohl im Mainstream erst so richtig 2004/05 populär geworden sind. Stattdessen hätte man lieber auf Flo Rida & Ke$ha, Pitbull und Kardinal Offishall sowie den Abstecher nach Europa (Dizzee Rascal feat. Calvin Harris), Three 6 Mafia vs. Tiësto und Kid Cudi vs. Crookers verzichten sollen. Dennoch bringt dieser umfangreiche Sampler gut zwei Stunden lang titelgetreu den Hip Hop dorthin zurück, wo alles begann – auf die Strasse. Für Rap Neulinge sollte dieser Katalog als Referenz angesehen werden. Essenziell!
www.sonymusic.de


Horace Andy: Serious Times
(minor7flat5)

Am 19. Februar 1951 wurde er in Allman Town geboren, seit 1966 ist der Jamaikaner im Geschäft. In den 1980ern zog er nach London, und spätestens seit dem Jahre 1991 ist er auch international einer der gefragtesten Reggae-Künstler. Seit seiner Zusammenarbeit mit den Bristoler Triphop-Erzheiligen von Massive Attack bin auch ich immer wieder geflasht von seiner charismatischen, einzigartigen Stimme. Seit deren legendärem Debutalbum „Blue Lines“ veredelt er bis heute auf allen offiziellen Alben mindestens zwei bis drei Songs mit seiner am Roots Reggae geschulten Falsettstimme und hat auch mit seiner ständigen Präsenz bei den Live-Events das Projekt nachhaltig mitgeprägt – zur Zeit ist er mit Massive Attack auf grosser Europa Tour. Für sein neues Roots-Album „Serious Times“ hat Horace Andy 14 tolle Songs geschrieben, sämtliche Riddims sind von dem in Gran Canaria ansässigen Andreas „Brotherman“ Christophersen komponiert und produziert worden. Alle Vocalspuren wurden in Duke Reids legendenumwobenen Treasure Isle Studio eingespielt hat, und zum Mastering hat man sich in den heiligen Hallen von Tuff Gong & Mixing Lab eingefunden. Grossmeister wie Leros „Horse Moth“ Wallace am Schlagzeug, Dean Frazer am Saxophon, Bongo Herman und Sky Juice an den Percussions geben dem Album einen zusätzlichen, authentischen Vibe. Doch über allem strahlen Andy’s Vokaltechniken, seine melancholische Energie und sein breitgefächertes Timbre voller Intensität. Mit vielen Reminiszenzen an die goldenen Momente der 70er Jahre ist „Serious Times“ ein Rootsreggaejuwel der Sonderklasse auf der Höhe der Zeit. Und diese Stimme muss man lieben!
www.myspace.com/horaceandy1
www.minor7flat5.com


Jan Delay: Wir Kinder vom Bahnhof Soul – Live
(vertigo berlin)

Längst zählt er zu den herausragenden Live-Entertainern der deutschen Musikszene. In den letzten Monaten hat Jan Delay zigtausend Menschen wieder zu Kindern werden lassen. Zu Kindern vom Bahnhof Soul. Tanzend, lachend, unbeschwert. Ehrlich, leidenschaftlich und mit unvoreingenommener Liebe. Drei Jahre nach seinem letzten Konzertmitschnitt „Mercedes Dance – Live“ präsentiert der Oberstyler aus Hamburg ein äusserst vitales Tondokument der zweiten „Wir Kinder vom Bahnhof Soul“-Tournee vom März 2010. Der grösste Teil des Materials stammt aus dem „Homecoming“-Konzert in Hamburg. „Das war das geilste Konzert, das wir in dieser Formation je gespielt haben“, so Jan Delay. Hier steigerte sich seine Band Disko No.1, angeleitet vom gutgelaunten Frontmann, in einen wahren Spielrausch hinein. Wie Kool & The Gang in ihren freshesten Zeiten groovt dieses Ensemble einfach alles über den Haufen. Bläser, Keyboards und Wah-Wah-Gitarre wetteifern, angefeuert von Percussion und staubtrockenen Drums, mit dem Bass um den Preis für Funkyness. Neben den Songs vom Studio-Album gibt’s „Klar“ (Mercedes Dance) und ein amüsantes „Pump Up“-Medley, auf dem die passend als „Delaydies“ titulierten Background-Sängerinnen noch einmal richtig glänzen können. Höhepunkt ist der mit Unterstützung von Altrocker Udo Lindenberg eingespielte Titel „Ganz anders“. Und auch wenn das Album natürlich den Besuch einer wahrhaftigen Show nicht ersetzen kann, liefert das nuschelnde Bühnenviech hier eine mitreissende Funk-Party für zuhause.
www.myspace.com/jandelay
www.jandelay.de


Bluba Lu: Quadrotopia
(blubalu)

Im Winter 2008 vernahm ich mit „World Melancholy” ein exzellentes Album, auf dem Streicherarrangements auf sanfte Gitarrenklänge, fette Trip Hop Beats auf flächige Chill Out-Sounds trafen. Über all dem schwebte der esoterisch-verhangene Gesang von Roni (aka Andronia Popova), der angesagtesten Stimme des bulgarischen Undergrounds. Der Klangkosmos von Bluba Lu, die auch schon mit LTJ Bukem und den Jungs von Ninja Tune zusammengearbeitet haben, basiert auf den Gründern der Formation – Konstantin Katsarski und Dimitar Paskalev, das von Dirigent Ilia Mihaylov geführte „Primo Kammerorchester“ bildet das Herzstück dieses Ensembles. Die Inspiration zu ihrem Konzeptalbum „Quadrotopia“ in textlicher und musikalischer Hinsicht sind die 70er Jahre, mit ihrer Vision von der Non-Profit-Gesellschaft und der reinen, bedingungslosen Liebe. Erste musikalische Manifeste der Quadrophonie stammen von den legendären Pink Floyd, und deren Einfluss hört man auch deutlich auf der ersten CD: Eine klassische Rockband mit Gitarre, Drums, Moogs, dazu Streich- und Blasorchester und jede Menge Sänger. So ist auch „Time Over“ ein klares Bekenntnis zu „Dark Side Of The Moon“, weitere Lieblingsstücke sind „Mr. Architect“, „Sleepless Time“, „Mirror“ und „Pure Love“. Auf der zweiten CD „Quadrotopia Remixed“, auf der DJ Balkansky das gesamte Album neuinterpretierte, gibt’s eine interessante Mischung aus Drum’n’Bass, Trip Hop, Dubstep, House, Techno und Disco. Man muss sich etwas reinhören, aber dann ist einfach nur Abdriften angesagt.
www.myspace.com/blubalu
www.quadrotopia.net

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