Donnerstag, 28. April 2011

Morphendes Etwas

Stimmungsvoller Hip Hop im Profil

Im Jahr 2001 hat der Braunschweiger Beatbastler sein erstes Instrumental gemacht. In der folgenden Zeit war er an diversen kleinen Projekten beteiligt (auf CD, Vinyl oder Audio-Kassette), bis 2007 nach drei Jahren Arbeit mit „Tytus – Große Welt“ sein erstes offizielles Album erschien, aber das ist bis auf die guten Beats Vergangenheit und laut Künstler auch besser so. Nun erreichte mich sein zweites Album „Morphendes Etwas“ mit 15 feinen Instrumentals, die ich jedem Liebhaber guter Musik nur ans Herz legen kann. Gemeinsam mit seiner Freundin MPC gestaltet Profile deepe, warme Soundentwürfe, zitiert im ursprünglichen Sinne des Samplens und baut daraus groovige Beat-Collagen. Und ab und zu vermittelt einem das Knacken, Knistern und Rauschen auch ein schönes Vinylgefühl. Da mich diese Vibes sofort ansprachen, bat ich den Produzenten des Werks gleich zum Gespräch via Mail.

Roly: Hallo Profile. Schön, dass Du Dir ein wenig Zeit genommen hast, mit uns ein kleines Interview zu machen. Hoffe, Du bist guter Dinge.

Profile: Hallo. Ja, das bin ich.

Roly: Ich lausche gerade zum wiederholten Male Deinem Album „Morphendes Etwas“ und höre in Deinem Opener „Im Zeitraffer geschehen“ Kinski in seinem Element. Klingt so, als müsste ich mir bei meinen Fragen jetzt richtig Mühe geben. Ich verstehe ja wirklich jeden Künstler, der sich über die Musik ausdrückt und das reicht dann auch. Aber wie ziehen das jetzt trotzdem durch 🙂

Profile: Du meinst „wir ziehen das jetzt durch”?! Hört sich schlimm an. Von Klaus Kinski kenne ich keinen einzigen Film, nichts. Außer dieses lange Interview an dem See und ein paar weitere Ausraster. Wollte einfach seine Stimme benutzen, so wild war das Ganze nicht.

Roly: Und wie stehst Du zum deutschsprachigen Hip Hop (auch auf die Gefahr hin, dass Du die Frage nicht mehr hören kannst)? Gibt’s da Leute hierzulande, denen Du Dich musikalisch verbunden fühlst oder bist Du eher der Einzelgänger, der von dieser sogenannten „Szene“ sowieso nichts hält?

Profile: Ich höre diese Frage aber ganz gerne. Ich halte viel von ganz wenigen und ganz wenig von den meisten. Nur heute muß ich das nicht unbedingt sagen, denn ich hab’ andere Sorgen. Eine reale Szene existiert meiner Erfahrung nach schon lange nicht mehr.

Roly: Hip Hop war für mich nie nur Musik, sondern vor allem eine Kultur, die sich aus Rap, DJing, Breakdance und Graffiti zusammensetzte. Ein Lebensgefühl, auch wenn’s plakativ klingt. Ist davon noch was übrig? Wenn ich mir heute Filme wie „Beat Street“ oder „Wildstyle“ anschaue, könnte ich heulen. Ausserdem vermisse ich gutes Storytelling und das sozialkritische Element, wodurch ich neben dem Breakdance Anfang der 80er zum Hip Hop Liebhaber wurde.

Profile: Muss leider zugeben, dass ich mich damit schon lange nicht mehr beschäftige. Die 4-Säulen-Theorie konnte der Regisseur/Macher von Wildstyle, Charlie Ahearn, selbst noch nie unterstreichen. Aber es ist nett, wie in diesem Film „Brown Sugar“ mit Mos Def. Ich denke, dass das Individum zählt und nicht irgendwelche Schlagzeilen und Arbeitstitel.

Roly: Im zweiten Track „Das Referendum” sampelst Du Kraftwerk’s „Autobahn“. Welche Referenzen oder Einflüsse gibt es ausserdem?

Profile: Nicht ganz richtig. Der Track heisst „Referendum“, aber das Ding danach mit dem Kraftwerk-Sample ist ein (weiterer) Hidden-Track und heisst „Abfahrt: 2Dorfer Holz“. Viele Einflüsse … jetzt zu dieser Jahreszeit könnte es das Album „Super Ape“ von Lee „Scratch“ Perry sein, und in ein paar Tagen vielleicht „Vespertine“ von Björk. Gibt viele Sachen, die man hören könnte … Mietze Katz, Peter Fox, Kanye West.

Roly: Wenn man Dein Album hört, hat man das Gefühl, dass Du nicht einfach sampelst, was gut klingt, sondern dass Du ganz bewusst bestimmte Zitate setzt. Korrigier‘ mich, wenn ich falsch liege.

Profile: Ja, genauso ist es. Aber das weiß ich erst jetzt, wo Du es sagst. Unfassbar, das ist ein echtes Kompliment. Ehrlich gesagt kam es mir immer so vor, als ob ich einfach sample und dass das danach alles irgendeinen Sinn ergibt. Welchen, wusste ich einfach nie.

Roly: Macht man Dir ein Kompliment, wenn ich Dir sage, dass mich Dein Track „Alt zu neu“ schwer an Roey Marquis erinnert, den ich sehr schätze?

Profile: Nein, aber eher dass Dir das Lied gefällt. Schockiert mich, dass Du ausgerechnet diesen Beat erwähnst, denn das ist der einzige, den ich nicht selbst gemacht habe, es war Soulfinga aus Konstanz. Er (Roey Marquis) hat sehr viele – wie ich finde – gute Dinger gemacht. Und irgendwie so schnell.

Roly: Den Track „2029“ höre ich grad auf repeat. Wie ist er entstanden und was verbindest Du mit dem Track?

Profile: Da musste jemand etwas Ableton für mich bedienen und zweimal für mich denken, eben ein Co-Produzent. Kannte schon zwei Lieder, in denen dieses Sample benutzt worden war. Einmal bei Pete Rock und einmal bei Jurassic 5, allerdings haben die das mit so einem Glöckchen-Ding nachgespielt. Also wollte ich das noch bisschen besser interpretieren, weil die Chance war ja da bzw. die Orginal-Platte. Es lief am Schnürchen, erstmal. Dann wurde es ein bisschen hässlich, weil ich das vertonen wollte, was definitiv ein Fehler war. Das End-Arrangement war auch eines der letzten Akte für dieses Album, komischerweise mit einem weiteren Co-Produzenten. Weil der erste Co-Produzent konnte nicht mehr. Und das alles hat mich sehr genervt. Was ich mit dem Beat verbinde, ist ein Lebensgefühl, funky (nicht im Sinne von Funk), voller Energie.

Roly: Ich bin seit gut 20 Jahren sehr aktiv in Sachen Breakbeat / Jungle / Drum’n’Bass und habe viel zu lange gebraucht, bis ich zwischen opportunistischen Partybekanntschaften und echten Freunden differenzieren konnte. Wie sieht’s da im Hip Hop aus? Teilst Du die Erfahrung?

Profile: Ja, ich habe auch lange geraucht bis ich zwischen zwei Dingen klar differenzieren konnte. Seien wir ehrlich, echte Freunde sind schon sehr selten. Viele können nicht zwischen Freundschaft und Bekanntschaft differenzieren … und Arbeitskollegen sind eben Kollegen, ganz schlimm, wenn jemand seine Kollegen und Bekannten zu seinen echten Freunden zählt.

Roly: Was macht Dich nachdenklich? Atomkraft, Frauen, die Abgründe des Internets, …?

Profile: Genau diese 3 Dinge. Und viele viele andere, aber leider hab ich zum Nachdenken wenig Zeit, die nutze ich dann auch. Die Liste ist lang, momentan kommt noch hinzu, dass mich meine Beats gar nicht mehr beschäftigen. Denn eigentlich hab’ ich mehr oder weniger aufgehört.

Roly: Es ehrt Dich, dass Du Dich nicht mit banalem Mainstream-Quatsch an irgendwelche Major-Labels anbiederst, aber für einen Künstler geht es doch trotzdem auch (!) darum, dass ihn möglichst viele Leute hören. Ob’s einem dann gefallen muss, ist ja was anderes. Wie denkst Du über diesen Spagat, vor allem bzgl. Deines Albums, das doch mehr Leute erreichen sollte?

Profile: Sehr schwierige Frage. Ich würde mich schon gern anbiedern, nur wie geht das und dann noch an den richtigen Stellen? Schwierige Frage, ehrlich. Ich will schon, dass die potentiellen Hörer das auch zu fassen und hören kriegen, nur die Plattenfirma dafür gibt es leider nicht.

Roly: Ich gehe davon aus, dass Deine Musik viele unserer Leser aufgrund ihres hohen Chill-Faktors (schreckliches Wort) ansprechen. Genehmigst Du Dir auch ab und zu gern mal ein Tütchen bzw. wenn ja, welchen Einfluss hat das auf Dein Leben und Deine Instrumentals?

Profile: Früher sehr oft, als ich jung war jedoch nie. Und seit längerer Zeit nur noch selten. Für mich persönlich ist es optimal, denn wenn ich es selten einmal tue, tut das mir sehr gut. Chill-Faktor ist wirklich ein „etwas schlimmes“ Wort, aber eben das ist eine gute Bezeichnung für das Scheibchen.

Roly: Wie stehst Du zu einer Entkriminalisierung bzw. Legalisierung von Cannabis unter strengsten Jugendschutzbedingungen?

Profile: Zu streng sollten die Jugendschutzbedingungen dann auch nicht sein. Schwierige Angelegenheit, denn viele andere Industrien werden was dagegen haben. Und diese Industrien setzen sehr viel Geld um, wodurch sie viel zu sagen haben dürfen. Hab’ aber gehört, dass es woanders anders sein soll … irgendwo auf der Welt sind alle stoned oder high.

Roly: Habe zwar auf Deiner Webseite schon schmunzelnd festgestellt, dass wir eine ähnliche Einstellung zu sogenannten „sozialen“ Netzwerken (ich nenne sie liebevoll „Zeitverbrennungsmaschinen“) wie facebook oder myspace haben. Aber könntest Du das für unsere Leser nochmal kurz erläutern, wie Du dazu stehst?

Profile: Diese sozialen Netzwerke sollten eher soziale Dinge tun. Dabei ist MySpace asozial, Point Blank. Facebook spielt weltweit schon eine gewaltige Rolle, wie ich gehört habe, leben schon viele mit ihrem Facebook-Account. Glaube, dass der Laden in Ordnung sein kann, aber meine persönlichen Daten würde ich dort nicht lassen.

Roly: Eine Plattenfirma gibt’s bei Dir ja nicht, aber sag’ unseren Lesern doch noch, wo man Dein Album „Morphendes Etwas“ kaufen kann.

Profile: www.hhv.de oder www.amazon.de

Roly: Und wem das zu kompliziert ist, kann bei unserer Verlosung eine von zehn CD-Exemplaren gewinnen. Die Frage lautet …

Profile: Wer sang und rappte oder rappte und sang „Rock Me Amadeus“?

Roly: Die Antwort darauf sendet ihr bitte zusammen mit eurer Postanschrift bis zum 31.Mai an gewinnen@hanfjournal.de … und mit etwas Glück erhaltet ihr dann im sonnigen Juni „Morphendes Etwas“ auf CD. Danke für das Interview und immer weiter machen …

Ein Snippet gibt’s unter www.soundcloud.com/morphendesetwas
Weitere Informationen unter www.Profileonline.net

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