Mittwoch, 31. August 2011

Rolys Silberscheiben des Monats September 2011

Reclam Musik Edition: All time best
sony music

Generationen von Schülern werden von Reclam mit Klassikern der Weltliteratur versorgt. Seit März 2011 veröffentlicht nun Sony Music gemeinsam mit dem Traditionsverlag die „Reclam Musik Edition“ mit den Klassikern der Rock- und Pop-Musikgeschichte. Nach Ikonen wie Bob Dylan, Miles Davis und Elvis Presley folgen nun die nächsten sechs prestigeträchtigen Künstler: Mit eindringlichen Song-Poemen wurde Leonard Cohen zu einem der wichtigsten Songwriter der Sechziger und zeigt uns hier auf 17 tiefsinnigen Stücken die Kraft der Worte. 15 berauschende Bluesrock-Songs mit seiner abgewetzten Fender Stratocaster liefert der irische Gitarrenvirtuose Rory Gallagher, während mit Willie Nelson einer der grossen Paten der amerikanischen Countrymusik „on the road again“ ist (im letzten Jahr fand man in seinem Tourbus etwa 170 Gramm Marihuana) und der unberechenbare Lou Reed mit seinem düsteren Charisma bis dato völlig neue Dimensionen der Rockmusik erschliesst. In den Jahren 1985 bis 1988 habe ich Whitney Houston sehr gerne gehört, da ihre Songs vor Lebensfreude sprühten und intensive Gefühlswelten transportierten. Ihrem am klassischen Soul und Gospel geschulten Gesangsstil kann man hier nochmal ebenso genussvoll lauschen wie meinem Kindheitsidol aus Wien, der mir mit Schmäh, Sarkasmus und seinen oberkultigen Songs die deutsche Sprache sicherlich näher gebracht hat als alle Reclam-Heftchen zusammen – Falco überstrahlte alles! Die sechs CD-Alben sind wertig ausgestattet, mit Biografien versehen und liebevoll zusammengestellt. In der gewohnt gelben Reclam-Optik ist die Musik Edition perfekt für Neu-Einsteiger und Bildungsbürger.

www.legacy-club.de/reclam-musik


Suzanne Vega: Close-Up Vol. 3 – States Of Being
cooking vinyl

Seit den 80er Jahren zählt sie zu den arriviertesten Songwriterinnen ihrer Generation, mit ihrem Hit „Luka” wurde die 1959 in Kalifornien geborene Sängerin im Jahre 1987 weltberühmt. In einem problematischen Wohnviertel von New York aufgewachsen, schrieb sie die Geschichte eines Kindes, das unter häuslicher Gewalt zu leiden hat. Bis 2011 veröffentlichte sie neun Studioalben, in denen sie sich fernab des Neo-Folks auch in anderen Genres wie A Capella oder Industrial erfolgreich auslebte. Im Zentrum standen für sie aber immer wieder die Lieder in ihrer einfachen Essenz. In einer vierteiligen Retrospektive reduziert Suzanne Vega Teile ihres bisherigen Schaffens auf das Wesentliche und interpretiert sie als intime Akustik-Versionen völlig neu. Die dritte Folge von „Close-Up“ versammelt ihre „Mental Health Songs“, so Vega über die 14 schlicht arrangierten Titel, „sie sind Ausdruck einer Gemütsverfassung, aber auch mehr als das.“ Der unveröffentlichte Song „Instant Of The Hour After“ stammt aus dem Theaterstück „Carson McCullers Talks About Love“, das Vega zusammen mit dem Komponisten Duncan Sheik verfasst hat. Meine Lieblingslieder sind vor allem „Undertow“ (mit Streichern), „Solitude Standing“ (mit Cello), das halb gesprochene „Cracking“, „Solitaire“ (mit Percussion) und natürlich „50-50 Chance“ (vom Superalbum „Days Of Open Hand“, 1990), die durch die unterschiedliche Neuvertonung wieder einmal Suzanne Vega’s Kompositionstalent zeigen. Ihre sanfte Stimme mag ich ja nach wie vor. „Hope you enjoy what I think of as the freakier side of my songwriting …” – Ja, sehr!

www.suzannevega.com
www.cookingvinyl.com


Samy Deluxe: SchwarzWeiss
emi music

Mit seiner legendären Crew Dynamite Deluxe hatte er um die Jahrtausendwende massgeblichen Anteil am riesigen Hip Hop-Boom in Deutschland. Neben seinen drei Solo-Alben „Samy Deluxe“ (2001), „Verdammtnochma!“ (2004) und „Dis wo ich herkomm“ (2009) hat der 33 Jahre alte Musiker ein Buch geschrieben, auf Theaterbühnen performt und soziale Projekte betreut. Auf „SchwarzWeiss“ kehrt Rap-Pionier Samy Deluxe, Sohn einer deutschen Mutter und eines sudanesischen Vaters, zu seinen Wurzeln zurück und liefert mit einer kunstvollen Collage von Texten und Themen, von Beats und Songs, von Raps und Melodien ein klares Statement zu seiner kontrastreichen Sicht des Lebens. Nach einem verspielten Instrumental und einem beatverrückten Intro öffnet der Lyriker flowtechnisch auf allerhöchstem Niveau sein „Poesie Album“, bevor mit „Ego“ lupenreiner Rap folgt. Mehr Ehrlichkeit gibt’s auf dem komplett eingesungenen Track „Eines Tages“, und nach dem sozialkritischen „Wer wird Millionär?“ malt sich Samy in „Strassen Musik“ aus, wie es wäre, ein Obdachloser zu sein. Neben der ersten Single „Hände Hoch“ und dem Battletrack „RapGenie“ überzeugt der Big Baus vor allem mit schönem Storytelling zum Reflektieren im Titeltrack, „Keine wahre Geschichte“, „Allein“, „Doppelt VIP“ sowie im deepen „Vater im Himmel“ und bedient so sämtliche Disziplinen der MC-Kunst. „SchwarzWeiss“ ist eine intime Reportage über die grossen und kleinen Kontraste unserer Zeit – eine neue Hochkultur und veraltete Vorurteile, wahre Geschichten und echte Armut und das grosse Trotzdem der Hoffnung. Ein authentisches Masterpiece vom Grossmeister der Eimsbush-Schule!

www.samy-deluxe.de
www.emimusic.de


Ce’Cile: Jamaicanization
kingstone records

Style, Anmut, Verstand, Wahrheitsliebe und den nötigen Touch Sex – zusammenfassend die Mixtur für die karibische Diva, die uns spätestens vor drei Jahren mit ihrem Album „Bad Gyal“ in ihren Bann zog. Schon damals feilte die in Manchester Parish, Jamaika, geborene Sängerin ihren Sing-jay-Style aus, indem sie harte Texte zu zuckersüssen Melodien auf Patois toastete. Letztes Jahr verfeinerte sie mit ihrer Stimme DJ Fresh’s Drum’n’Bass Tune „Golddust“, der wochenlang die britischen Charts regierte. Nachdem Ce’Cile dann im Frühjahr mit der Streetsingle „Step Aside“ den DJs und Soundmen der Welt huldigte, heizte sie uns am 2.Juli im Berliner Yaam mit den Klassikern, einigen Acapellas und mehreren Songs ihres neuen Longplayers „Jamaicanization“ bestens gelaunt ein. Auf der ersten Singleauskopplung „Singing This Song“ singt sie davon, dass ihr keiner ihren Mann wegnehmen kann, weil er nur sie liebt und keine andere. Die Hookline geht sofort ins Ohr und der basslastige Sound lässt einen nicht stillstehen. Egal ob sie ihre Stimme über emotionale Songs wie „Where You Want Me“, „Ok Without You“, „Cheater“, „Exclusive“ oder das tiefgründige „Gwan Life Live“ gleiten lässt oder ihre Lyrics auf pulsierenden Dancehall-Riddims abfeuert wie bei „Hey“ (feat. Agent Sasco), „Woot Woot“, „Nah Stress Over Man“, „Up On The Dancefloor (Gal Wine Up)“ und „Wicked & Wild“ (feat. Million Stylez) – ihre Tracks massieren Seele wie Beine, vermitteln albumtitelgerecht wie Jamaika ist und dass sie sich hörbar weiterentwickelt hat. Wer sich Ce’Cile entgehen lässt, kennt nur die halbe Wahrheit über die Testosteron geschwängerte Dancehall. Sexy, groovy und aufrichtig wie immer.

www.facebook.com/badgyalcecile
www.kingstone.de


Boundzound: Ear
embassy of music

Vor sechs Jahren ist das letzte Studioalbum von Seeed erschienen. Seitdem sind die drei Frontmänner Peter Fox, Dellé und Demba Nabé auf Solopfaden unterwegs und arbeiten seit letztem Jahr auch wieder gemeinsam im Studio, um 2012 ihr viertes Studioalbum zu veröffentlichen.
Musikalisch hat sich Demba „Ear“ Nabé mit seinem Soloprojekt Boundzound am weitesten vom Dancehall seiner Hauptband entfernt, was bereits 2007 auf dem Debutalbum „Boundzound“ zu hören war. Mit dem Free-Download von „Roundclub“ und der ersten Singleauskopplung „Bang“ gab es im letzten Jahr bereits einen ersten Vorgeschmack auf das nun perfektionierte, zweite Soloalbum „Ear“, auf dem das achtköpfige Projekt zwischen perkussiven Dancehall Roots und afro-elektronischen Spielereien changiert. Nabé produziert, textet, singt, legt Platten auf, spielt Klarinette und wirkt als bildender Künstler. Rund um Boundzound hat er mit seinen die Zeichnungen im Kugelschreiber-Stil das Monkeyduckuniversum erschaffen, was „allumfassend, zugleich ernst und spielerisch, psychedelisch-kosmisch und realistisch-spirituell“ ist. Die zwischen Los Angeles, Westafrika und Berlin entstandenen Songs haben ordentlich Schub und animieren im Club und auf grossen Soundsystems sicherlich zum wilden Dance. Zu Party-Hits wie der zweiten Singleauskopplung „Doku“, „Beezkeeperz“, „Alsamade / Centertainment“ oder dem hymnischen „Fast Life“ gesellen sich auch schön gechillte Atmo-Tracks wie „Cool“, „Dawn“ und das soulige „Loveloaded Gun“. Mit diesem Album groovt sich die Affenente zu einem echten Klangchamäleon. Nice one.

www.myspace.com/boundzound
www.boundzound.de

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