Mittwoch, 4. Januar 2012

Der, der den Flaschengeist liebte

Nirgends hat er mehr Fans als in Deutschland, obwohl er den Zenit der Popularität mit seinen achtzig Lenzen längst überschritten hat.
Die Krauts haben ihren Lieblings-Bösewicht aus Amiland nicht vergessen, und wer einem alten Cowboy umringt von kreischenden Frauen 50+ begegnet, der hat das große Glück, einem leibhaftigen Mondfahrer und zugleich dem fiesesten Öl-Baron aller Zeiten gegenüberzustehen.

Schauspieler haben es manchmal nicht leicht mit der öffentlichen Wahrnehmung, vor allem dann, wenn man Larry Hagman heißt und zweimal die Fernsehrolle seines Lebens spielen durfte. Oftmals wissen die Fans nicht zu unterscheiden zwischen Darsteller und Dargestellten, was schon mal zu Irritationen führt. Während die erste Fernsehgeneration den Texaner als NASA-Kosmonauten Tony Nelson auf dem Schirm hatte, verguckte sich die zweite in J.R. Ewing, einem sexbesessenen und machtgierigen Ölmagnaten, der seine Mitmenschen jeden Dienstag im Westfernsehen nach allen Regeln der Drehbuchkunst demütigte, belog und betrog.

Die älteren TV-Gucker schwärmen jedoch von dem jungen Larry Hagman, der sich in der Serie „Bezaubernde Jeannie“ von einem blonden Flaschengeist tyrannisieren lässt. In der damaligen BRD erreichte die Kult-Komödie eine Traumeinschaltquote von sage und schreibe 48 Prozent, was selbstverständlich auch an der zauberhaften Barbara Eden lag, die als leicht bekleideter Dschinn tatsächlich Haut und Bauchnabel zeigte, wenn man ganz dicht an die Flimmerkiste rückte. Das war durchaus ein Skandal in der prüden Zeit der 60er Jahre, verführte doch die Sexbombe aus der Flasche eine ganze Generation pubertierender Knaben zur Sünde, also zur Onanie.

1970 war dann Schluss mit der Unzucht, Jeannie heiratete ihren Meister und alles schien gut – bis 1978. Wie aus dem Nichts in die Gegenwart gezwinkert, tauchte Tony Nelson plötzlich unter dem Falschnamen J.R. Ewing in Dallas auf. Doch statt eines Raumfahrerhelms trägt er nun einen Cowboyhut und schockiert die Welt als skrupelloser Öl-Baron, der im Kampf ums schwarze Gold ultrabrutal vorgeht, um als Letzter zu lachen. Die deutschen Fernsehzuschauer waren begeistert und zugleich empört über die Machenschaften des Prototyps eines Teufels in Menschengestalt. Die Dallas-Kritiker attestierten den Zuschauern kollektive geistige Umnachtung.

Noch waren die in der Schmonzette vermittelten amerikanischen Werte mit den bundesrepublikanischen nicht kompatibel. Die satirischen und komödiantischen Momente der Familien-Saga haben die meisten Zuschauer gar nicht bemerkt, weil sie den nordamerikanischen Humor schlichtweg nicht verstanden oder einfach nur zu einfältig und kopflastig waren. Der Erfolg der Seifenoper mit 357 Folgen und etlichen Filmen spricht für sich, und „Dallas“ ist bis heute die Matrix aller Soap-Drehbücher.

Und dafür hat vor allem einer gesorgt – Larry Hagman. Die Kanaille mit der dreckigen Lache war das Herzstück der Schnulze. Als der Meister des Intrigenspiels und der Vielweiberei 1980 am Ende einer Staffel einem Attentat zum Opfer fiel, stellte die Weltpresse von Neukölln bis Alt-Ötting nur eine Frage:„Wer schoss auf J.R.?“ Einen ganzen Sommer über bangte die kapitalistisch-imperialistische Weltbevölkerung um das Leben des Raffzahns, der natürlich überlebte – und das bis heute. Derzeit werden zehn neue Episoden auf der „Southfork Ranch“ gedreht. Und das ist auch gut so, denn Larry Hagman ist einer von uns.

Larry Hagman?

Die jüngeren Leser werden sich jetzt verdattert die Augen reiben, denn ein Haschopa passt nicht ins Weltbild der neuen Kiffergeneration, die sich im Phlegma der eigenen Nabelschau verliert. Dabei wäre es mal Zeit, sich hinten anzustellen, die Ohren aufzusperren und denen zuzuhören, die wirklich etwas zu sagen haben – wie der achtzigjährige Larry Hagman. Gelegenheiten gibt es genug, denn der „Dallas“-Fiesling nimmt jede sich bietende Gelegenheit wahr, auf ausgedehnten Europareisen seine etwas seltsamen und nicht immer jugendfreien Ansichten zu Markte zu tragen. Wie zuletzt in einem Interview mit dem rechtskonservativen deutschen Wochenblatt „Die Zeit“, als der greise Cowboy Sätze absonderte, die die treuen Fans aus dem gutbürgerlichen Milieu brüskieren und geistig überfordern.

So verkündet der Privatmensch Hagman, dass Jesus Drogen genommen hat. Er könne sich vorstellen, dass manche Konzepte und Gedanken, die der Messias in seine Lehre übernahm, aus Drogenerlebnissen stammen – zum Beispiel als er zum Fasten in die Wüste aufbrach. Doch der Altstar geht noch weiter und verrät, dass der Mensch die Erkenntnis des Seins nur deshalb erlangte, weil sich irgendwelche Affen vor ein paar Millionen Jahren mit halluzinogenen Substanzen zudröhnten.

Na holla, das sind mal Parolen eines US-Helden, der den Europäern wie kein anderer den süßen Traum vom American Way of Life vorgespielt hat. Kurioserweise gehen derartige Geständnisse den deutschen J.R-Fans am Arsch vorbei, denn der, der da die Wahrheit schwindelt, ist nicht der geliebte Lügenbold aus der Fernsehserie, sondern nur eine Fiktion der Realität. Ein J.R. Ewing kifft doch nicht, der säuft. Pro Folge kippt der Serienheld vor laufenden Kameras gut und gerne eine Pulle Whiskey weg, und das in atemberaubenden dreiundvierzig Minuten.

So etwas kann nicht gespielt sein. Und da liegen die oft für blöd verkauften J.R.-Fans gar nicht mal so falsch, denn auch der gute Larry litt auf dem Höhepunkt seiner Karriere unter der Schauspielerkrankheit, das wirkliche Leben von der Fernsehrolle nicht unterscheiden zu können. Zuhause auf dem Sofa hing er nämlich ebenso an der Flasche, was ihn schließlich die Leber kostete. Eine Transplantation rettete ihm das Leben, ein Geschenk, für das er sich heute artig bedankt, indem er sich für Organspendeorganisationen starkmacht. Überhaupt ist der Privatmann Hagman für amerikanische Verhältnisse ein selten schräger Vogel. Seit den 60er Jahren ist er Mitglied der links-alternativen „Peace and Freedom Party“, und seine 1954 geschlossene Ehe mit Frau Maj will einfach nicht scheitern. Im Gegenteil, das Paar engagiert sich für eine Energiewende in den USA und geht auf der eigenen Ranch in Kalifornien mit gutem Vorbild voran.

Kein Wunder also, dass der Querulant mal eben der Legalisierung von Cannabis das Wort redet. Das Rauchen von Marihuana sei zuträglich, ließ er die Fuzzis der bürgerlichen Presse und Hochglanzillustrierten wissen. Hagman bezieht klar Stellung, geradeso als wäre er ein Hanfaktivist. Auch legt sich die Werbe-Ikone einer großen deutschen Meierei mit der Schnapsindustrie an, denn er könne als Opfer der Alkoholsucht nachvollziehen, wenn man das Teufelszeug verbieten würde. Alkohol mache gewalttätig, im Gegensatz zu Marihuana und Pilzen. Das Hanfverbot sei ein Verbrechen, denn „jeder raucht Pot“, auch er.

Gras mache nett, sei aber illegal – ein Widerspruch in sich.
„Angenommen, es wäre verboten zu vögeln? Was würden die Menschen tun?“ fragte Hagman die verdutzten Schnösel der „Zeit“. „Sie würden weiter vögeln! Ich meine, man kann nicht ein Kraut verbieten, das die meisten Menschen in Kalifornien in ihren Gärten wachsen lassen und das ihnen gut tut. Keiner sollte deswegen ins Gefängnis gehen. Die Gefängnisse in Amerika sind überfüllt mit Menschen, die wegen der Illegalität von Marihuana da sitzen. Sie nehmen dir dein Haus, deine Familie, deinen Job, wenn du mit Marihuana erwischt wirst.“

Der Witz bei der Sache ist, dass sich der TV-Held ausgerechnet von den Medienvertretern die Beichte annehmen lässt, die bis heute willige Helfer im Anti-Drogen-Krieg sind und Essays wie dieses bereits vom Praktikanten in der Poststelle aussortieren lassen. Umso größer ist die Genugtuung, wenn das Idol der Biedermänner den Marionetten der gleichgeschalteten Tendenzpresse unanständige Sätze diktiert: „Bei mir zu Hause hängt ein Bild von Albert Hofmann über dem Kamin. Er hat das LSD erfunden und starb mit 102 Jahren. Das ist mein kleiner Altar.“

Nun, wir wissen nicht, ob die Redakteure der bunten Illustrierten wussten, von wem der „Dallas-Bösewicht“ sprach, aber sie haben alles brav gedruckt – auch seinen letzten Wunsch, nach dem Ableben von einem Häcksler zerkleinert und anschließend über einem Marihuanafeld verstreut zu werden. „An meinem Geburtstag würden meine Freunde zusammenkommen und aus den Pflanzen einen großen Haschkuchen backen. Dann hätten alle ein bisschen Larry in sich und würden drei Tage lang tanzen.“

Na, das ist doch mal eine Ansage! Da kommen wir doch gerne! Aber vorher sollst du uns noch möglichst lange erhalten bleiben, Larry! Denn wer kann besser Werbung für die Pot-Legalisierung machen als der Jopi Heesters der Kiffer.

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