Montag, 16. Juli 2012

Psychedelische Ambulanz

Ein Projekt des Eclipse e.V, Verein für akzeptierende Drogenarbeit und psychedelische Krisenintervention

Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre entstand aus einer subkulturellen Bewegung eine Szene, die vordergründig elektronische „Endlostracks“ in einem bunten und teilweise drogeninduzierten Zustand feierte. Daraus entstand mit der Zeit eine ganz neue Jugendkultur, die sich kaum bis gar nicht politisch äußerte, bzw. andere Schwerpunkte im Zusammensein setzte, die es in dieser Form bisher nicht gab, oder wenn überhaupt, einen Bezug zu den 60er und 70er Jahren hatte.
Fester Bestandteil dieser neuen, oftmals sogenannten „Goa“-Parties waren immer öfter auch speziell konzipierte „Chill-Out“-Räume, in denen die Besucher sich in einem ruhigen Ambiente hinsetzen konnten, um „zu sich zu kommen“ oder einfach nur um sich in Ruhe unterhalten zu können.
Folgender Mangel war allerdings mehr als offensichtlich: Hatte ein junger, unerfahrener Mensch in dieser Situation seine erste „echte“ oder eine „intensive“ Drogenerfahrung, stand ihm kaum ein Ansprechpartner zur Verfügung, mit dem er seine Ängste, Vorbehalte, Erfahrungen oder Eindrücke teilen und besprechen konnte. Diese Lücke hatten zu jener Zeit einige wenige Menschen erkannt und in der Folge zur Initiierung einer „Psychedelische Ambulanz“ den „eclipse e.V.“ als gemeinnützigen Verein gegründet.
Der Begriff „psychedelisch“ ist ein Konglomerat aus zwei unterschiedlichen Worten: Dem griechischen: „psyche“, was so viel wie „Seele“ bedeutet, und dem Wort „dẽlos“, welches den Prozess der „Öffnung“ oder „Offenbarung“ beschreibt. Diese Notwendigkeit, bestimmten und für die westlich geprägte Kultur neuen Substanzen ein ebenso neues Spektrum an subjektiven Erfahrungen zuschreiben zu können, hat unter anderem Aldous Huxley („Schöne neue Welt“, „Die Pforten der Wahrnehmung“) und Humphrey Osmond dazu gebracht, das Wort „psychedelisch“ zur Beschreibung dieser außergewöhnlichen Zustände, welche durch bestimmte Substanzen ausgelöst werden, zu kreieren.
Wenn man also eine „Psychedelische Ambulanz“ ¨C wie eclipse e.V. sie umsetzt ¨C anbietet, sollten die begleitenden und mitarbeitenden Personen folgenden Aspekt im Auge behalten: Der „Selbstausdruck“ des betroffenen Besuchers welcher in unserem „Space“ ankommt, kann sich sehr unterschiedlich zu den eigenen „Selbstkonzepten“ und den eigenen „Selbstausdrücken“ verhalten oder sogar im Widerspruch zu den eigenen Weltbildern stehen.
Notwendig ist vor allem, gerade Menschen in hochsensiblen, drogeninduzierten Zuständen eben nicht belehren zu wollen (der erhobene Zeigefinger), sie zu verändern und die eigenen „Weltbilder“ übertragen zu wollen, sondern „akzeptierend“ mit dem Betroffenen umzugehen. Natürlich werden einzelne „aufgedeckte Psychodramen“ erst nach einiger Zeit erkannt und unsere Besucher dann entsprechend begleitet. Die Phase der Vertrauensbildung kann einige Zeit dauern und gerade verdrängte und unangenehmen Erlebnisse, welche durch diese Substanzen manchmal reaktiviert werden, bespricht man halt nicht sofort mit einer zunächst fremden Person.

Eclipse e.V. bietet mit seiner „Psychedelischen Ambulanz“ einen Freiraum an, in dem Menschen so etwas wie Schutz, Ruhe und Fürsorge im besten Sinne dieser Worte finden, wenn sie in einem Partykontext überfordert sind, orientierungslos wirken oder konkret Hilfe brauchen, weil sie, zum Beispiel, dehydriert sind.

Das heißt also ein Freiraum, in den Menschen sich zunächst zurückziehen können, um die Eindrücke der letzten Stunden zu verarbeiten, ohne sich für ihren derzeitigen Zustand rechtfertigen zu müssen oder überfordert zu werden.

Außerdem bieten wir in unserer Arbeit ein breit gefächertes Angebot von Safer-Use-Material und Harm-Reduction-Informationen an, außerdem Chai, frisches Obst, Wasser, etc.
Da der Verein „eclipse e.V.“ eine heterogene Gruppe von Psychiater über Suchttherapeuten bis hin zu Partygängern ist, gibt es naturgemäß auch unterschiedliche Auffassungen und Intentionen, die Einfluss auf die konkrete Umsetzung der Arbeit haben. Genau das bietet zugleich aber auch die seltene und ungewöhnliche Möglichkeit, eben neue Wege in der Drogen-, Sucht- und Präventionsarbeit zu gehen und umzusetzen. Verschiedene Konzepte und Perspektiven können hier als Katalysator wirken, primär zur Vermeidung einer Pathologisierung der Betroffenen sowie zur Vermeidung von physischen Schäden des Einzelnen. Aufklärung, sachliche Informationen, Safer-Use-Hinweise sowie Harm-Reduction-Strategien bilden die Grundlage für einen verantwortungsvollen, risikoarmen und selbstbestimmten Substanzkonsum. Deshalb setzt sich „eclipse e.V.“ seit rund 15 Jahren auch für ein Drug-Checking-Programm in Deutschland ein.
Das Besondere an der Arbeit bei „eclipse e.V.“ ist wohl die Tatsache, dass dieser Verein auf bestimmten Veranstaltungen einen Freiraum zur Verfügung stellt, in dem gesellschaftlich sanktionierte Zustände akzeptiert und ohne Urteil oder Bewertung so genommen werden wie sie sind, nämlich: für den Betreffenden manchmal kompliziert, schwierig und diffus, manchmal jedoch auch unproblematisch und vielleicht sogar bereichernd. Beides ist wichtig zu erkennen und beides hat einen berechtigten Platz.
Wenn bestimmte Zustände als nicht kontrollierbar oder gruppendynamisch als selbst- oder fremdgefährdend eingestuft werden, geben wir diese Fälle, nach einer intensiven und ausgiebigen Absprache innerhalb der Gruppe, an die Sanitäter vor Ort ab und hoffen das beste. Das bedeutet, wir hoffen eben nicht, dass dieser Mensch in die Psychiatrie eingeliefert wird ¨C mit all den Konsequenzen der dann anstehenden Behandlung innerhalb eines sterilen und weiß gekachelten Krankenhauses. Letzteres sind allerdings Fälle, die äußerst selten vorkommen und eher die Ausnahmen darstellen.
Die Aufgabe ist also primär die Vermeidung unnötiger, nicht selten sogar kontraproduktiver Psychiatrisierung einer (nicht wirklich) neuen Subkultur und das sehr konkrete „Schaffen von Räumen“, indem versierte Menschen sich den problematischen Zuständen von meist jungen Menschen stellen und mit diesen umgehen können. Manchmal muss man auch ¨C bei zum Konsum entschlossenen Menschen ¨C Lösungsstrategien bieten, welche zu einem selbstverantwortlichen und bewussten Umgang mit illegalisierten und und anderen psychoaktiven Substanzen führen können.

Eclipse e.V. ist ein Verein, der nun, im Jahre 2012, seinen 15. Geburtstag feiern darf. Niemand hätte damals gedacht, dass es „uns“ so lange geben wird.

Diese Tatsache bestätigt wiederum, dass es einen regen Bedarf an unserem Angebot gibt. Noch immer werden bestimmte Zustände, welche durch illegalisierte Substanzen ausgelöst werden, als pathologisch angesehen oder zumindest gesellschaftlich sanktioniert, bewusst ignoriert und somit nicht integriert ¨C vor allem, weil Jugendliche oder andere Erstkonsumenten kaum oder gar nicht in einem werte- und sanktionsfreien Umfeld über diese gemachten ¨C oft intensiven ¨C Erfahrungen sprechen können.
Aber gerade die Integration von außergewöhnlichen Erfahrungen in den eigenen Lebenszusammenhang ¨C welche nur durch eine transparente und echte Kommunikation erfolgreich sein kann ¨C stellt sicher, dass es auch in Zukunft zu keinen pathologischen Zuständen kommt, oder eine Subkultur psychiatrisiert wird. Zudem kann der Betroffene, beispielsweise, durch eine verbale Reflexion ¨C auch Tage nach dem Konsum ¨C unter Umständen eigene Erlebnis-Inhalte zur konkreten Aufarbeitung seiner Lebenswirklichkeit nutzen und neue Potenziale der eigenen Selbstverwirklichung entfalten, die vorher eben nicht abrufbar und präsent waren.
Der Verein „eclipse e.V.“ hat nun eine lange Geschichte und einige Erfahrungen durch die Arbeit mit außergewöhnlichen Bewusstseinszuständen und den Menschen, welche zu uns kommen und Beratung oder Hilfe benötigen, gesammelt. Vieles hat sich verändert, was bedeutet, dass auch die sogenannte „Szene“ sich verändert hat. Trotz des Übermaßes an den neuen so genannten „Research Chemicals“ hoffen wir, auch weiterhin unsere Arbeit gewissenhaft und mit viel Elan realisieren zu können.
Der Kontext, in welchem wir arbeiten, und auch die Erfahrungen, welche wir regelmäßig machen, haben natürlich bestimmte Forderungen an die Drogenpolitik entwickelt, die weit über den Anspruch eines flächendeckenden Drug-Checking-Programms für Deutschland hinausgehen. Zumindest die (Re-)Integration von bisher verbotenen Substanzen wie MDMA, LSD oder auch Psilocybin birgt ein sehr hohes therapeutisches Potential, welches in der Schweiz, Israel und auch in den USA in wissenschaftlich evaluierten Studien neu entdeckt wird; vor allem in der Behandlung der Posttraumatischen-Belastungsstörung (PTBS) [zum Beispiel Peter Oehen], oder einer Studie zur „Begleitung am Ende des Lebens“ mit LSD [Peter Gasser, SÄPT]. In diesen „Substanz-unterstützten Psychotherapien“ (auch. Psycholyse) werden die katalytischen und offenbarenden Prozesse, welche durch diese Substanzen induziert werden, genutzt, um eigene Selbstheilungsprozesse zu aktivieren.
In eigener Sache:
In diesem Jahr werden wir es leider nicht schaffen, mit einem eigenen Wagen an der Hanfparade teilzunehmen.
Vielen von uns ist die letzte Hanfparade – trotz aller Widrigkeiten ¨C in sehr guter Erinnerung geblieben. Vielleicht wird es ja im nächsten Jahr wieder was, wäre schön!
Zu unserem 15. Geburtstag sind alle Leser des Hanf Journals herzlich eingeladen. Gefeiert wird in Berlin und das Datum ist noch recht unbekannt, auch der Ort.
Für Interessierte, einfach auf unserer Website (www.eclipse-online.de) unter der Rubrik „Termine“ nachschauen. Da tragen wir die Daten ein, sobald wir genaueres wissen.

Bis dahin,
Euer eclipse-Team

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