Mittwoch, 1. August 2012

Eine Anleitung zum Schutz vor Strafverfolgung für Cannabispatienten (Teil 1 von 2)

Franjo Grotenhermen ist Vorstand und Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin

Der sicherste Schutz für Patienten vor unliebsamen Erfahrungen mit der Justiz ist eine Ausnahmegenehmigung zur Verwendung von Cannabis für medizinische Zwecke oder die Verwendung von Cannabinoid-Medikamenten (Dronabinol, Nabilon, Sativex). Alle illegalen Aktivitäten sind mit einem Risiko verbunden, auch wenn eine schwere Erkrankung vorliegt. Weil aber viele Betroffene denken, dass sie keine Chance haben, eine Ausnahmegenehmigung zu bekommen oder Cannabinoide aus der Apotheke zu verwenden, beispielsweise weil sie keinen Arzt finden, der sie unterstützt, unternehmen sie auch keinerlei Anstrengungen in diese Richtung. Das ist ein Fehler. Leider bemerken die meisten Patienten diesen Fehler erst, wenn wegen illegalen Besitzes oder des Eigenanbaus von Betäubungsmitteln ein Strafverfahren droht.

Dann ist eines sicher. Der Richter fragt jeden Kranken, was er unternommen hat, um seinen illegalen Cannabiskonsum in legale Bahnen zu lenken. Patienten stehen dann umso besser da, je mehr sie sich darum bemüht haben, aus der Illegalität herauszukommen. Es kommt dabei nicht unbedingt darauf an, dass diese Bemühungen erfolgreich waren.
Man steht vor Gericht auch als Schwerkranker ziemlich dumm da, wenn man dem Richter erklären muss, dass man bisher keinen Finger gekrümmt hat. Denn im Gegensatz zur Situation vor 10 bis 15 Jahren gibt es heute legale Möglichkeiten. Jeder Schritt in die richtige Richtung ist daher ein Stück Versicherung vor strafrechtlichen Konsequenzen. Zumindest für mildernde Umstände. Vielleicht sogar für einen Freispruch wegen rechtfertigenden Notstands. An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass allerdings auch weitere Aspekte die Strafzumessung vor Gericht beeinflussen können, darunter die Art des Anbaus und die Sicherung vor dem Zugriff anderer Personen.

Es ist ein Unterschied, ob Cannabis, für Jugendliche leicht zugänglich, im eigenen Garten oder in einem abgeschlossenen Raum angebaut wird, und ob geerntete Blüten frei in der Wohnung herumliegen oder in einen Stahlfach gelagert werden.

Fünf Schritte für eine Genehmigung zur Verwendung von Cannabis

1. Schritt:
Sich informieren
Wer illegal Cannabis aus medizinischen Gründen selbst anbaut oder sich auf andere Art und Weise beschafft, sollte versuchen, einen Arzt zu finden, der einem ein Cannabinoid-Medikament verschreibt. Zu diesen Medikamenten zählen der natürliche Cannabiswirkstoff Dronabinol (Delta-9-THC), der synthetische THC-Abkömmling Nabilon und der Cannabisextrakt Sativex. Da Nabilon vergleichsweise teurer ist als Dronabinol und Sativex, kommen überwiegend die beiden Letzteren zur Anwendung. Ausführliche Informationen zu den Substanzen und zur Verschreibung finden sich im ACM-Magazin (Magazin der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin), ein zwölfseitiges Heft, das als PDF-Datei von der IACM-Internetseite heruntergeladen werden kann (www.cannabis-med.org/german/download/magazin.pdf). Darin finden sich auch einführende Informationen zu einem Antrag auf eine Ausnahmegenehmigung bei der Bundesopiumstelle.
Wichtig: Man sollte sich gut auf den Arztbesuch vorbereiten. Häufig hat der Arzt wenig Ahnung und das Thema ist für ihn neu. Wenn der Patient auch nur wenig Ahnung hat, ist das Gespräch oft schnell beendet. Man sollte also als Patient informiert sein – ACM-Magazin lesen und bei Unklarheiten oder weiteren Fragen die ACM anrufen (Telefon: 02952-9708572, E-Mail: info@cannabis-med.org).

2. Schritt:
Arzt auf Cannabinoid-Medikamente ansprechen
Als nächstes sollte man seinen Arzt vorsichtig auf das Thema ansprechen. Man bekommt normalerweise leicht heraus, ob der eigene Arzt für das Thema empfänglich ist oder gleich ablehnt, auch nur darüber zu sprechen. Wenn man das Gefühl hat, dass der eigene Arzt dem Thema sowieso ablehnend gegenüberstehen wird, macht es Sinn, vorher im ACM-Büro anzurufen und sich beraten zu lassen. Man sollte den eigenen Arzt auch dann ansprechen, wenn man eigentlich keine Fertigmedikamente aus der Apotheke einnehmen, sondern weiterhin die eigene, liebevoll angebaute grüne Pflanze verwenden möchte. Der Grund ist einfach. Wenn tatsächlich der eigene Arzt bereit ist, Dronabinol oder Sativex zu verschreiben, bescheinigt er damit seinem Patienten, dass eine Behandlung mit Cannabisprodukten notwendig ist. Wer jetzt mit illegalem Cannabis erwischt wird, kann zumindest darauf hinweisen, dass auch der eigene Arzt der Auffassung ist, dass eine Behandlung mit Cannabinoidmedikamenten erforderlich ist. Dann steht man vor Gericht nicht mehr ganz so dumm da.

Wichtig: Es kann sehr hilfreich sein, mit einem Begleiter (Freund, Familienangehöriger, anderer Cannabispatient) das Arztzimmer zu betreten, um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, nicht gleich abgewiesen zu werden.

Genauso wichtig: Es ist wichtig, den Arzt zunächst nur auf verschreibungsfähige Cannabinoide anzusprechen, um festzustellen, wie er darauf reagiert. Wenn er für das Thema offen ist, kann man zu einem späteren Zeitpunkt erwähnen, dass man bereits Erfahrungen mit der Verwendung von illegalem Cannabis hat. Wenn man den eigenen Arzt gleich mit der eigenen Philosophie über Cannabis überfordert, besteht die Gefahr, als drogenabhängiger Kiffer da zu stehen, was das Arzt-Patienten-Verhältnis auf lange Sicht gründlich verschlechtern kann.

Im nächsten Hanf Journal folgen die drei möglichen weiteren Schritte:
3. Schritt: Kostenübernahme bei der Krankenkasse beantragen
4. Schritt: Antrag auf Ausnahmeerlaubnis bei der Bundesopiumstelle
5. Schritt: Antrag auf Eigenanbau von Cannabis bei der Bundesopiumstelle

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