Mittwoch, 28. November 2012

Interfilm 2012

28. Internationales Kurzfilm Festival Berlin

Zum 28. Mal veranstaltete interfilm Berlin das internationale Kurzfilm Festival, das inzwischen zu den wichtigsten Kurzfilm Festivals Europas zählt. Filmemacher aus 135 Ländern haben insgesamt über 7000 Filme eingereicht, von denen rund 500 in sechs Festivaltagen dem Publikum vorgeführt wurden. Die besten wurden am Ende des Festivals in sieben Wettbewerben ausgezeichnet. Kurzfilme finden im Allgemeinen eher selten die Aufmerksamkeit einer breiten Masse. Das Mainstreamkino interessiert sich kaum für sie und auch im Fernsehen ist die Anzahl an gezeigten Kurzfilmen eher gering. Umso erfreulicher dürfte es für die Veranstalter sein, dass das Festival 2012 rund 17.000 Besucher aus aller Welt anzog. Das Festival, welches jedes Jahr aufs Neue mit der Finanzierung zu kämpfen hat, wäre wohl ohne den Idealismus der Veranstalter und die hingebungsvolle Mitarbeit der gut 120 Helfer nicht realisierbar.

Den Preis für den besten internationalen Kurzfilm gewann dieses Jahr „Paula“ von Dominic Etienne Simard. In dem zehnminütigen Animationsfilm, der ganz ohne Dialoge auskommt, geht es um die Prostituierte Paula und einen kleinen Jungen, der Paulas Arbeit sorgenvoll beobachtet bis er Zeuge eines Gewaltakts wird.
In diesem Jahr lagen die lokalen Schwerpunkte auf Island und Afrika. Mit Äthiopien, Burkina Faso, Burundi, Ghana, Kenia, Madagaskar, Mali, Mosambik, Namibia, Zambia, Senegal, Südafrika, Tansania und Uganda, war der Fokus auf Länder gerichtet, in denen es wenn überhaupt nur wenige Filmhochschulen gibt, deren Filmindustrie über geringe finanzielle Mittel verfügt und deren Filme im Ausland nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird. Viele der eingereichten Beiträge setzten sich mit Problemen, wie der Unterdrückung von Frauen, Kindersoldaten, religiösen Konflikten, Krieg und Armut auseinander. Doch wurde in den Filmen auch deutlich, dass Afrika mehr ist als die üblichen Stereotype von Hungersnöten und Verzweiflung. Mit viel Einfühlungsvermögen wurde das tägliche Leben gezeigt. Es geht um Liebe, Rituale, alte Kulturen, Wünsche und Träume, die die Menschen bewegen.

Ebenfalls vielseitig ist die Filmszene in Island. In den vergangenen Jahren thematisierten ein Großteil der Filme die Finanz- und die damit verbundene Wirtschaftskrise, deren Island mit als erstes zum Opfer fiel. Von der rückwärtsgewandten Glorifizierung vergangener Tage ist man inzwischen abgekommen. Eine steigende Zahl von Regisseuren konzentriert sich seit einiger Zeit auf das moderne Leben und die individuellen Schicksale, die auf witzige, humorvolle und zumal tragische und rührende Weise dargestellt werden.

Mit der Kategorie „Konfrontationen – Gegen Gewalt und Intoleranz“ wollte das Festival Akzente setzen und sich mit Problemen auseinandersetzen, die global von Bedeutung sind. Als neue Preiskategorie wurde dieses Jahr der Green Screen Wettbewerb eingeführt, für Kurzfilme, die sich mit globalen Umweltthemen beschäftigen. Dass sich gerade für diesen Award kein Sponsor finden wollte, ist traurig und wird sich hoffentlich im nächsten Jahr ändern. In diesem Jahr ging das von den Veranstaltern selber gestiftete Preisgeld an „Rosette“, die Liebesgeschichte einer Frau, deren Welt nach der Hochzeit mit einem Fleischer im wahrsten Sinne des Wortes nur noch aus Fleisch zu bestehen scheint.

Im Zuge des Festivals wurden auch die Viral Video Awards 2012 verliehen. Der Wettbewerb wurde 2008 als erste Preisverleihung für virale Filme auf einem Filmfestival in Deutschland ins Leben gerufen. Insgesamt wurden drei Preise vergeben: ein Publikumspreis, ein Jurypreis und ein Preis für das beste politische Viral. Letzterer wurde von der Heinrich Böll Stiftung vergeben und ging dieses Jahr an ein von Oxfarm in Auftrag gegebenes Viral, das den Zusammenhang von Börsenspekulationen und den steigenden Lebensmittelpreisen darstellt. Die Tatsache, dass an der online Abstimmung rund 150.000 Leute teilgenommen haben, unterstreicht die Bedeutung des Awards und zeigt, dass Virals als Werbemittel eine zunehmend wichtige Rolle spielen. Virals sind im Allgemeinen witziger und provokanter als die üblichen TV-Spots und damit auch wesentlich interessanter, das müssen sie aber auch, schließlich klicken die Zuschauer sie freiwillig an.

Den Preis für den besten deutschen Kurzfilm erhielten Fabian Püschel und Nico Sommer für ihren Beitrag „Vaterlandsliebe“. Der Film handelt von dem irgendwie unsympathischen Museumswärter Jens, der sein Vaterland liebt, aber kein Nazi sein will. Mit Humor und Ironie werden die zum Teil aberwitzigen Weltanschauungen von Jens dargelegt. Die Macher verzichten darauf eine klare Position zu beziehen. Sie lassen die Zuschauer mit Jens Gedanken allein und bringen sie damit dazu sich tiefer mit „Vaterlandsliebe“ auseinanderzusetzten und sich selbst eine Meinung zu bilden, was bei diesem Film zugegebener Maßen nicht unbedingt einfach ist.

Das Interfilm Short Film Festival zeigt Filme abseits vom Mainstream, die die Zuschauer auf verschiedenste Arten berühren und zum Nachdenken anregen. Auch bietet Interfilm neben den Filmvorführungen Raum für Diskussionen und Fragen an die Filmemacher. Trotz wachsender Zuschauerzahlen, besitzt das Festival einen unvergleichlichen familiären Charakter, der ihm hoffentlich auch in Zukunft erhalten bleiben wird.

www.interfilm.de

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