Dienstag, 2. April 2013

„Niemand sollte wegen Marihuana im Knast landen.“

Matisyahu im Interview

Lange Zeit nutzte Matthew Paul Miller die Musik, um seiner Religion Ausdruck zu verleihen. Der in den USA geborene Sohn jüdischer Eltern entdeckte seine Spiritualität während einer Reise nach Israel und nahm den hebräischen Namen Matisyahu an, unter dem er heute noch auf der Bühne steht. Vor einer Weile hatte der Sänger, der sich anscheinend ständig auf der Suche nach sich selbst befindet, das Gefühl, dass es Zeit sei für eine neue Epoche in seinem Leben. Er trennte sich von der Kipa und seinem Vollbart und nahm ein neues Album auf, dass seinem Wandel gerecht werden sollte.

Das Album wird von vielen als neues Kapitel in deinem Leben betrachtet. Du hast dein Aussehen verändert und beschlossen deine Religion mehr ins Privatleben zu kehren. Wie kam es dazu?

Als ich religiös wurde, wollte ich im Glauben aufgehen und nach einer höheren Bewusstseinsebene suchen. Während ich dies tat, war ich wie besessen von den religiösen Geboten. Es gab eine Zeit in meinem Leben, in der ich das Gefühl hatte, ich müsste diesen Regeln folgen, weil ich sonst zerbrechen würde. Oft haben sie mir geholfen, aber irgendwann habe ich angefangen mich eingeengt zu fühlen. Zu der Zeit als das neue Album entstanden ist, habe ich beschlossen, dass es Zeit für mich ist, mich weiterzuentwickeln. Man sagt, dass es im Judentum verschiedenen Arten von Beziehungen zwischen Gott und den Gläubigen gibt. Eine wäre mit der Beziehung von Vater und Sohn zu vergleichen. Es gibt auch die Auffassung die Beziehung wäre wie die zwischen Liebenden oder die von König und Diener. Einige sagen, Gott zu dienen bedeutet den Regeln zu folgen. Inzwischen denke ich aber, dass die Regeln da sind, um Menschen zu helfen sich zu orientieren.

Was bedeutet Religion für dich?

Mein Leben dreht sich um bzw. entwickelt sich durch einige wichtige Punkte in meinem Leben. Das sind zum einen Religion und Gott, aber auch meine Familie und natürlich die Musik. Ich habe mich nicht von der Religion losgesagt, aber ich habe die Art, wie ich Glauben auffasse geändert. Im orthodoxen Judentum glaubt man, dass Moses die Gebote damals mündlichen empfangen hat und so wurden sie über die Jahrtausende weiter gegeben. Der Rabbi nimmt dabei die Funktion eines Vermittlers ein, der den Gläubigen helfen soll Gott und ihre Religion und die Tora besser zu verstehen. Heute brauche ich diese Vermittlung nicht mehr. Ich habe meine eigene Verbindung zu Gott und ich treffe jetzt meine eigenen Entscheidungen. Doch ich habe die Religion nicht völlig hinter mir gelassen, sie ist immer noch Teil meines Lebens.

Wie haben deine Fans und deine Religionsgemeinschaft darauf reagiert?

Was die Fans angeht, kann ich nur davon sprechen, was ich online so mitbekomme. Die Reaktionen sind verschieden. Die Menschen, die meine Musik wirklich lieben, denen ist es im Prinzip egal. Sie wollen dass ich glücklich bin, denn nur dann kann ich kreativ sein und ihnen mehr Musik geben. Sie wissen dass ich mich frei fühlen muss. Andere waren früher stolz auf mich, weil sie sich durch mich in ihrer Religion repräsentiert fühlten. Diese Menschen sind engstirniger und kritisieren meinen Wandel. Manche von ihnen fühlten sich vielleicht von mir verraten oder waren enttäuscht, aber das ist mir egal. Ich kann mein Leben nicht für andere leben.

Wie hast du mit dem Musik machen angefangen?

Ich habe Musik schon immer geliebt. Für mich hat es damit angefangen Musik zu hören, irgendwann habe ich dann mit Beatboxing angefangen und später begann ich zu rappen. Ich bin damals auf der Straße und in kleinen Clubs aufgetreten. Damals lebte ich noch in Oregon. Ich habe in Coffee Shops bei Open-Mic Abenden gesungen. Mit 18 trat ich regelmäßig zusammen mit einem Freund in einem Coffee Shop auf und irgendwann haben sie uns unseren eigenen Abend gegeben. Kurz darauf haben wir eine Band auf die Beine gestellt und spielten unsere ersten Shows unter anderem auch auf einigen Hanffestivals.
Als Jugendlicher hast du eine Reisen nach Israel gemacht. Wie war diese Erfahrung für dich?
Es war eine Erfahrung, die mir die Augen geöffnet hat. In Amerika waren meine Erfahrungen, die ich mit dem Judentum gemacht habe sehr begrenzt. In Israel habe ich quasi das Judentum im ‘richtigen Leben’ gesehen. Es hat mich mit Stolz erfüllt Teil dieses Ganzen zu sein und ich wurde mir dort meiner Herkunft und der Geschichte meiner Religion erst richtig bewusst.

2006 wurdest du von Billboard Magazin als Top Reggae Artist ausgezeichnet. Jedoch kann man deine Musik nicht unbedingt als klassischen Reggae bezeichnen, woher nimmst du deine Inspiration?

Ich höre verschiedene Musikstile und werde von ihnen inspiriert. Um ehrlich zu sein habe ich in letzter Zeit nicht viel Reggae gehört, der mir wirklich gefallen hat bzw. mich inspiriert hätte. Letztendlich kann jeder Musikstil gut oder schlecht performt werden.
Die Band mit der ich spiele, Dub Trio, besteht aus großartigen Musikern. Sie spornen mich an. Meine Band hat mich dazu inspiriert Reggae zu machen, obwohl Reggae quasi nicht ihre große Liebe ist. Ich habe keine speziellen Vorbilder, wenn ich einen Namen nennen würde, würde ich gleichzeitig viele andere auslassen und das würde der Sache nicht gerecht werden.

Deine Lyrics ähneln sich zum Teil mit denen von verschiedenen Rastafaris. Ist das ein Zufall bzw. bedingt durch die gleichen Wurzeln der Religion oder identifizierst du dich auch mit dieser Art zu leben?

Durch Reggae, durch Bob Marley, Sizzla und viele andere habe ich gelernt meine Wertschätzung für Gott in Liedern auszudrücken und die Bibel aus Quelle der Inspiration zu nutzen. Als Jugendlicher hat mich das sehr angesprochen und ich habe meinen Glauben in ihren Texten wieder gefunden. Diese Artists sind letztendlich auch durch die Tora, durch die Bibel, inspiriert. Die Musik hat meine Augen geöffnet. Ich habe Bob Marley gehört und er hat mich inspiriert, aber gleichzeitig musste ich auch mich selbst finden. Ich glaube nicht, dass Hail Selassie ein Gott ist, ich komme nicht aus Jamaika und ich bin kein Rasta. Ich kann mich mit vielen der Rastafari Prinzipien identifizieren, aber das sagt nichts darüber aus wer ich bin. Deswegen hat meine Reise im Judentum begonnen.

Hast du denn das Gefühl dich im Moment gefunden zu haben?

Ich denke es ist sehr wichtig, dass man sich seiner selbst bewusst ist. Man kann sein ganzes Leben lang mehr über sich lernen. Ich denke, dass ich durch ‘Spark Seeker’ zu einem bestimmten Grad zu mir selbst zurück gekehrt bin. Darum ging es mir. Für mich ist das Verständnis meiner selbst der Schlüssel zur Erlösung. Je besser man sich kennt, ein desto besserer Mensch kann man sein. Und desto mehr kann man sich selbst akzeptieren.

Vor einer Weile wurde Marihuana in zwei US-Staaten legalisiert. Begrüßt du diese Entwicklung?

Ich halte es für eine gute Entwicklung. Ich denke, dass Menschen tun dürfen sollen, was immer sie für richtig halten. Niemand sollte wegen Marihuana im Knast landen. Drogen sind nicht brutal oder grausam. Natürlich kann man mit Drogen verantwortungslose Dinge tun, aber was Gras angeht, so denke ich nicht, dass es illegal sein sollte. Das Washington und Colorado Marihuana legalisiert haben, zeigt, dass langsam ein Umdenken stattfindet. Es wird noch einige Zeit brauchen, aber sie sind auf dem richtigen Weg.

Was erwartet dich nach der Tour?

Ich werde weiter Musik schreiben und neue Songs aufnehmen. Es stehen auch noch andere Shows an.

Vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast.

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