Freitag, 9. Juli 2004

Karlsruhe bestätigt Cannabis-Verbot

Normenkontrollantrag vom Bundesverfassungsgericht abgewiesen

In einem am heutigen Freitag veröffentlichtem Beschluss wies das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) den Normenkontrollantrag, der die Verfassungswidrigkeit des Cannabisverbotes feststellt, zurück. Zwar war das Amtsgericht Bernau unter Leitung des Amtsrichters Andreas Müller der Ansicht, dass nach neustem Kenntnisstand der Konsum von Haschisch und Marijuana wesentlich unschädlicher sei als noch 1994 vom BVerfG angenommen, doch schien dies das Karlsruher Gericht nicht zu beeindrucken.

Selbst die Studien von Kleiber und Kovar scheinen die Karlsruher Richter nicht weiter zu beeindrucken. Es stellt sich sogar die Frage, ob sie diese überhaupt gelesen haben. Denn in dem Beschluss der 3. Kammer heißt es „Es ist bereits fraglich, ob entscheidungserhebliche neue Erkenntnisse vorliegen“. Der Beschluss als solches kam für alle Beteiligten überraschend, schließlich wurde nicht einmal ein Anhörung vorgenommen, noch wurde der Fall im voraus öffentlich terminiert.

Der Normenkontrollantrag bezog sich noch auf einen älteren Fall, in dem ein junger Heranwachsender mit 3,6 Gramm Cannabis aufgegriffen wurde. Was dies nun genau für den aktuell vorliegenden Fall bedeutet, bei ein Jugendlicher mit 450 Gramm Cannabis erwischt wurde und welcher wohl auch als Normenkontrollantrag vor dem BVerfG landen sollte, ist derzeit noch unklar. Der Rechtsanwalt des Angeklagten, Herr Hannes Honnecker ist heute noch im Urlaub.

Am Montag sollte in diesem zweiten Verfahren das Urteil gesprochen werden. Wie alles weitergeht erfahrt ihr sicher laufend aktuell im Hanf Journal oder unter www.hanfjournal.de, weiterführende Links siehe unten.

Die Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichtes:

[url]http://www.bverfg.de/bverfg_cgi/pressemitteilungen/frames/bvg04-067[/url]

Zur Verfassungsmäßigkeit der Strafvorschriften
über den Umgang mit Cannabis

Die Vorlage des Amtsgerichts (AG) Bernau zu der Frage, ob die
Strafvorschriften des Betäubungsmittelgesetzes, soweit sie verschiedene
Formen des unerlaubten Umgangs mit Cannabisprodukten verbieten und mit
Strafe bedrohen, mit dem Grundgesetz vereinbar sind, ist unzulässig.
Dies hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts
entschieden.

1. Zu dem Sachverhalt des Ausgangsverfahrens:
Bei dem damals 20-jährigen Angeklagten wurden bei einer Polizeikontrolle
ein Cannabis-Tabak-Gemisch mit einem Bruttogewicht von 1,5 Gramm und ein
Stück Cannabis mit einem Nettogewicht von 3,6 Gramm aufgefunden. Nach
Überzeugung des für das Strafverfahren zuständigen AG sind die
Strafvorschriften des Betäubungsmittelgesetzes zum umfassenden Verbot
des Umgangs mit Cannabis verfassungswidrig. Es legte dem
Bundesverfassungsgericht die Frage vor, ob die Regelungen des
Betäubungsmittelgesetzes, soweit sie Cannabisprodukte in der Anlage I zu
§ 1 Abs. 1 Betäubungsmittelgesetz mit der Folge aufführen, dass der
unerlaubte Verkehr mit diesen Stoffen den Strafvorschriften des
Betäubungsmittelgesetzes unterliegt, verfassungswidrig sind. Nach
Auffassung des AG fallen die mit dem Konsum von Cannabis verbundenen
Schwierigkeiten und Komplikationen wesentlich geringer aus als bisher
allgemein angenommen. Neueste fundierte wissenschaftliche
Forschungserkenntnisse würden belegen, dass an der durch das
Bundesverfassungsgericht erfolgten Risikoeinschätzung nicht mehr
festgehalten werden könne.
Das Bundesverfassungsgericht hat im Jahr 1994 entschieden, dass die
Strafvorschriften des Betäubungsmittelgesetzes, soweit sie das
Handeltreiben sowie die Einfuhr, die Abgabe und den Erwerb sowie den
Besitz von Cannabisprodukten ohne Erlaubnis mit Strafe bedrohen, mit dem
Grundgesetz vereinbar sind.

2. In den Gründen der Entscheidung heißt es:
Die Vorlage genügt nicht den Begründungsanforderungen.
Gegenstand einer Normenkontrolle können nur Vorschriften sein, auf deren
Gültigkeit es bei der von dem vorlegenden Gericht zu treffenden
Entscheidung auch tatsächlich ankommt. Dies können hier jedenfalls nicht
alle Vorschriften des Betäubungsmittelgesetzes sein. Die konkrete
Normenkontrolle ist kein Mittel einer allgemeinen Aufsicht über den
Gesetzgeber.
Darüber hinaus erfüllt der Vorlagebeschluss nicht die für eine erneute
Richtervorlage geltenden besonderen Begründungsanforderungen. Es ist
bereits fraglich, ob entscheidungserhebliche neue Erkenntnisse
vorliegen. Weder das AG noch die von ihm herangezogenen Sachverständigen
behaupten, dass der Konsum von Cannabis ungefährlich sei. Dass der
Konsum von Cannabis nicht zu Todesfällen führt, ist von jeher
unbestritten.
Das Bundesverfassungsgericht ist bei seiner Entscheidung im Jahr 1994
hinsichtlich der Wirkungen des Cannabiskonsums auf der Grundlage des
damaligen Erkenntnisstands zu dem Ergebnis gelangt, dass „nicht
unbeträchtliche Gefahren und Risiken“ verblieben. Diese Einschätzung
beruhte auf den Annahmen über verschiedene Risikofaktoren (keine
körperliche Abhängigkeit, nur geringe unmittelbare gesundheitliche
Schäden bei mäßigem Genuss von Cannabis, Möglichkeit einer psychischen
Abhängigkeit trotz geringem Suchtpotential, Möglichkeit der Störungder
Persönlichkeitsentwicklung bei Jugendlichen). Diese werden durch die vom
AG angeführten neuen Erkenntnisse der Wissenschaft nicht erschüttert.
Darüber hinaus hat das AG nicht berücksichtigt, dass die vom
Bundesverfassungsgericht im Jahr 1994 gebilligte Zielsetzung des
Gesetzgebers sich nicht in der Frage der gesundheitlichen Gefährlichkeit
für den Einzelnen und die Bevölkerung erschöpft. Darüber hinaus soll das
soziale Zusammenleben in einer Weise gestaltet werden, die es von den
sozialschädlichen Wirkungen des Umgangs mit Drogen freihält, wie sie
auch von so genannten weichen Drogen wie Cannabis ausgehen. Bei der Wahl
zwischen mehreren zur Erreichung des Gesetzesziels tauglichen Mitteln
steht dem Gesetzgeber die Einschätzungs- und Entscheidungsprärogative
zu. Gesicherte kriminologische Erkenntnisse, die den Gesetzgeber zu
einer bestimmten Behandlung der aufgeworfenen Fragen zwingen könnten,
hat auch das AG nicht ins Feld geführt.
Soweit das Betäubungsmittelgesetz Verhaltensweisen mit Strafe bedroht,
die ausschließlich den gelegentlichen Eigenverbrauch geringer Mengen von
Cannabisprodukten vorbereiten, verstoßen sie deshalb nicht gegen den
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, weil die Strafverfolgungsorgane einem
geringen individuellen Unrechts- und Schuldgehalt der Tat durch das
Absehen von Strafe oder Strafverfolgung angemessen Rechnung tragen
können.

Beschluss vom 29. Juni 2004 – 2 BvL 8/02 –

Karlsruhe, den 9. Juli 2004

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