Skandalös
ging es auf einer Sitzung über die zukünftige Drogenpolitik
der Europäischen Union in Dublin zu. Auf der Tagung, die unter
dem Motto „The Way Forwad“ (Der Weg nach vorne) stand, erlaubte
sich ein Vertreter der europäischen Legalisierungsorganisation
„Encod“ Argumente für eine humane Drogenpolitik vorzutragen.
Als den Regierungsvertretern die Argumente ausgingen, schrieen sie
„Skandal!“
Im
Mai trafen sich unter der Leitung der irischen Regierung Vertreter
der 25 EU-Mitglieder um über die zukünftige Drogenpolitik
in Europa zu beraten. Mit dabei waren auch Vertreter dritter
Regierungen aus Norwegen und Amerika sowie Repräsentanten der
Nicht-Regierungs-Organisationen (NGO) „Encod“ und „Tni“. Sinn
und Zweck dieses Treffen war es eine Richtlinie zu erarbeiten, die in
einen Aktionsplan für 2005 bis 2008 und einem Strategiepapier
für den Zeitraum 2005 bis 2012 münden soll. Endgültig
verabschiedet werden diese Pläne wohl im kommenden Frühjahr.
Der
Vertreter der progressiven Organisation „Encod“ sorgte bei dieser
Versammlung jedoch für einigen Wirbel. Bei einer
Podiumsdiskussion zusammen mit zwei irischen Ärzten und einem
englischen Polizisten begann Joep Oomen mit einem Video, in dem sich
Experten aus Tschechien, England, den Niederlanden und Polen für
eine Legalisierung aussprachen. Die Regierungen aus Belgien, Italien
und Griechenland protestierten prompt über die Präsenz des
Encod-Vertreters. In den anschließenden Workshops nutzten
einige Regierungen, darunter auch die Deutschen, die Möglichkeit
sich über die Tatsache zu beschweren, dass auf der Versammlung
der Ruf nach einer Legalisierung laut wurde. Angeblich schreckten sie
schon auf, wenn sie nur das Wort „Harm-Reduction“
(Risikominimierung) hörten und stellten fest, dass das Ziel der
Europäischen Union nur ein Rückgang des Drogenkonsums sein
dürfte.
Auf
die Feststellung, dass gerade die Spritzenvergabe keinen
Konsumanstieg nach sich ziehen und Verbote nachweisbar keinen von
Drogen abhalten würden, konnten zwar die Vertreter keine
Gegenargumente bieten, zeigten sich jedoch umso empörter. Es war
in ihren Augen ein Skandal, dass jemand ihre Drogenpolitik infrage
stellen würde und das dann sogar noch mit
unschlagbaren Argumenten. Der amerikanische Teilnehmer David
Murray ließ sich sogar dazu hinreißen, den Vertreter der
„Encod“ als „Hurensohn“ zu bezeichnen. Joep Oomen von der
„Encod“ warf ihm im Vorfeld vor, sich nur für eine
Repression stark zu machen, da er sonst seinen Job verlieren würde.
Im
Großen und Ganzen konnte man feststellen, dass die meisten
Regierung keine Gegenargumente zu einer Legalisierung hatten. Dies
war dann wohl auch der Grund, warum sie eine wirkliche Diskussion
ablehnten. Nur von Seiten der neuen EU-Mitglieder konnte man ein
offenes Ohr ergattern. Inwieweit diese sich bei der Ausarbeitung des
Aktionsplanes durchsetzen können, wird sich erst noch zeigen.
Das alte Europa zeigte seine alt gewohnte Sturheit. Auch in
Deutschland sind solche Diskussionsverweigerungen üblich. Frau
Caspers-Merk lehnt es nun schon seit über einem Jahr ab –
offiziell wegen Terminproblemen –, uns ein Interview zu geben. Und
als in einer Anhörung im Bundestag über die Möglichkeit
einer Legalisierung gesprochen wurde, fehlte sie gänzlich,
genauso wie die zuständige Sprecherin der
Grünen-Bundestagsfraktion.
„Prohibitionistische
Regierungen werden allmählich über die Richtung, welche die
Diskussion nimmt, nervös und sie werden alles tun, diese zu
blockieren. Aber es wird ihnen auch bewusst, dass sie auf einige
unserer Argumente keine Antworten haben,“ resümierte Joep
Oomen nach der Konferenz. Es war ein erster Schritt hin zu einer
wirklich offenen Debatte innerhalb der EU. Es bleibt auch
festzuhalten, dass es auch einige Regierungen gab, die diese
Diskussion begrüßten. Wie es im Bezug auf die Aktionspläne
nun weitergeht, wird sich jedoch erst in den nächsten Monaten
zeigen.
www.encod.org/warsaw.html
http://encod.org/encod_lo-res.pdf